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Finanzministerium zeigt im Fall Wirecard mit dem Finger auf EY

Das unter Druck geratene Ministerium verteidigt in einem Sachstandsbericht sein Handeln: Geheime Absprachen mit dem Zahlungsdienstleister habe es nie gegeben.

Der Wirecard-Crash setzt auch die Bundesregierung unter Druck. Dass der Bilanzskandal so lange trotz Hinweisen nicht aufflog, wirft ein schlechtes Licht auf die Finanzaufsicht Bafin – und damit auf das Bundesfinanzministerium von Olaf Scholz (SPD), dem die Behörde unterstellt ist. Das Finanzministerium wehrt sich nun in einem Bericht an den Bundestag gegen Kritik, dem Fall Wirecard nicht ausreichend nachgegangen zu sein.

Eigentlich sollten ihn die Parlamentarier schon am Mittwoch erhalten, bis zuletzt wurde aber über einzelne Formulierungen gerungen. Bei der Frage nach der Verantwortung für den Wirecard-Absturz rücken zunehmend auch Scholz und sein Staatssekretär Jörg Kukies in den Fokus. Der Bericht stellt ihre Sicht auf den Fall heraus.

Das BMF betont im Bericht die Verantwortung des langjährigen Wirtschaftsprüfers EY. Wirecard legte demnach 2009 bis 2018 „einen testierten und mit einem uneingeschränkten Bestätigungsvermerk der EY Wirtschaftsprüfungsgesellschaft versehenen Abschluss und Lagebericht vor. Keine der Abschlussprüfungen hat zu Einwendungen des Abschlussprüfers geführt“, referiert der Bericht.

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„EY stellte ferner für die Geschäftsjahre 2009 bis 2018 jeweils fest, der Konzernabschluss vermittele (...) ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage.“ Vorwürfe zu Bilanzmanipulationen seien „weder erwähnt noch thematisiert“ worden.

Tatsächlich hatte erst eine noch vom Konzern in Auftrag gegebene Sonderprüfung durch KPMG gravierende Probleme aufgedeckt und EY auf fehlende Bestätigungen für Bankguthaben in Milliardenhöhe hingewiesen. Sie stellten sich am Ende als gefälscht heraus: Ein Viertel der Finanzsumme hat wohl nie existiert.

Bei Wirecards Crash wurde ein Börsenwert von über zwölf Milliarden Euro vernichtet. Der Schaden für den Finanzstandort Deutschland ist immens.

Das BMF ist unter Druck. Kukies hatte im Herbst 2019 zweimal mit dem nach seinem Rücktritt kurzzeitig verhafteten, langjährigen Wirecard-CEO Markus Braun gesprochen. Den Inhalt der Gespräche hatte das Ministerium mit Berufung auf „Geheimschutzinteressen“ verschwiegen.

Beim ersten Mal saßen Kukies und Braun auf einem Podium und tauschten im Anschluss nur Höflichkeiten aus. Beim zweiten Mal, dem 5. November 2019, besuchte Kukies Braun in der Konzernzentrale in Aschheim.

Der Sachstandsbericht gibt über diesen Termin nun öffentlich Aufklärung. „Das Gespräch betraf eine Vielzahl von Themen und auch die Unternehmensgruppe Wirecard. Gegenstand des Gesprächs waren auch der Marktmanipulationsverdacht sowie die begonnene KPMG-Sonderprüfung.“

Nach Informationen des Handelsblatts besuchte Kukies am selben Tag eine Konferenz in München und traf sich um 10 Uhr mit dem Vorstandschef der BayernLB, Stephan Winkelmeier, zum Austausch, ein Routinetermin. Um 8.30 Uhr begann das einstündige Gespräch in Aschheim.

Zu der „Vielzahl von Themen“ sollen die Zukunftsvisionen, die Braun schon seit Jahren interessierten, gehört haben: etwa die Themen Cloud, Kryptowährungen, Zukunft der Zahlungsabwicklung, der Einfluss neuer Wettbewerber aus dem Technologiebereich sowie die Start-up-Kultur in Deutschland. Über Wirecards internationale Expansion, etwa nach China, oder eine Unterstützung der Bundesregierung für den Konzern, soll nicht gesprochen worden sein.

Finanzministerium betont Bemühungen der Bafin

Das Finanzministerium streicht in seinem Bericht auch die Bemühungen der Bafin heraus, die ihm nachgeordnete Behörde. Ihr wird vorgeworfen, zu spät bei Wirecard eingegriffen zu haben. Erst am Mittwoch hatte die EU-Wertpapieraufsicht ESMA erklärt, sie prüfe mögliche Versäumnisse der Bafin.

Das BFM betont, die Bafin habe neben ihrer laufenden Aufsicht über die Wirecard Bank zahlreiche weitere Maßnahmen in Bezug auf den Konzern ergriffen.

Untersucht habe sie „mögliche Marktmanipulationen und Insiderhandel durch Marktteilnehmer“ und „mögliche Marktmanipulationen durch die Wirecard“. 2019 habe sie ein Bußgeld von 1,5 Millionen Euro gegen den Konzern verhängt „wegen zu später Vorlage von Finanzberichten“.

Die Bafin habe 2019 die „Bilanzkontrolle bei der Wirecard durch Beauftragung der zuständigen Deutschen Prüfstelle für Rechnungslegung (DPR)“ eingeleitet sowie „konsequentes Handeln gegenüber Wirecard nach Aufdeckung der Bilanzprobleme durch die KPMG-Sonderprüfung“ gezeigt. Mit der DPR hat die Bundesregierung den Vertrag inzwischen gekündigt. Zu guter Letzt habe die Bafin bei der Wirecard Bank zwischen 2010 und 2019 mehrere Geldwäsche-Sonderprüfungen durchgeführt.

Scholz wurde im Februar 2019 über Ermittlungen informiert

Sehr viel weniger Elan kann das BMF bei der für die Geldwäscheaufsicht über die Wirecard-Holding zuständigen Bezirksregierung Niederbayern erkennen. „Die Bezirksregierung von Niederbayern hat am 25. Februar 2020 erstmalig mit der Bafin Kontakt aufgenommen und mitgeteilt, dass sie sich als zuständige Geldwäscheaufsichtsbehörde die Wirecard AG ansieht“, schreibt das Ministerium.

Erneut habe sie am 27. Mai 2020 ihre Zuständigkeit erklärt. Diese Information ist pikant, hatte das Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) doch gegenüber dem Landtag später anders erklärt.

Bundesfinanzminister Scholz wusste Anfang 2019 Bescheid, dass gegen Wirecard ermittelt wird. „Der Bundesminister der Finanzen wurde am 19. Februar 2019 über das Wirecard-Leerverkaufsverbot und darüber unterrichtet, dass die Bafin in alle Richtungen wegen Marktmanipulation ermittelt“, heißt es im Bericht.

Aktionsplan in der Abstimmung

Das Bundesfinanzministerium kündigt in dem Schreiben an den Bundestag auch politische Konsequenzen aus dem Wirecard-Skandal an. Scholz hatte schon früh gesagt, er wolle die Finanzaufsicht schlagkräftiger aufstellen. Wirecard habe gezeigt, dass die gegenwärtigen Kontrollstrukturen einschließlich der Abschlussprüfungen nicht ausreichend waren.

Die zuständigen Ministerien arbeiten derzeit an einem umfangreichen Maßnahmenplan. Den eigenen Aktionsplan hat das Bundesfinanzministerium bereits am Donnerstag in die Ressortabstimmung gegeben.

Das BMF will die Finanzaufsicht Bafin mit mehr Kompetenzen ausstatten. Die Finanzaufsicht müsse schon bei Verdacht auf Bilanzmanipulationen die Möglichkeit bekommen, Sonderprüfungen bei Unternehmen vorzunehmen. Ebenso müsse es klarere Kriterien zur Einstufung und Abgrenzung von Gesellschaften und Geschäften global agierender Konzerne auf EU-Ebene geben. Bei Wirecard war genau diese fehlende Abgrenzung ein großes Problem, die zu einer Aufsichtslücke führte.

Daneben überlegt Scholz, die Aufsicht über Finanzinstitute und die Prüfung von Konzernbilanzen neu zu organisieren. Zu den Reformbereichen könnten das zweistufige Bilanzkontrollverfahren, Aufgaben und Rolle der Wirtschaftsprüfer, die Einstufung von Unternehmen und Geschäften im Zahlungsdienstbereich, aber auch Organisationsstruktur, Ressourcen und Arbeitsabläufe in der Bafin gehören.

Wirtschaftsprüfer sollen stärker reguliert werden

Scholz erwägt zudem, Wirtschaftsprüfer stärker an die Kette zu legen und so durch Rotationen von Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und einer Trennung von Beratung und Prüfung für eine stärkere Unabhängigkeit zu sorgen.

Bislang arbeiten Wirtschaftsprüfungsgesellschaften oft viele Jahre für ein Unternehmen, weshalb zum Teil enge Bindungen entstehen sowie eine gewisse Betriebsblindheit, so die Kritik. Auch sind Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, die die Jahresabschlüsse prüfen, oftmals beratend für das Unternehmen tätig, wodurch Interessenkonflikte drohen.

Aus der Opposition kommt Kritik am Bericht des Ministeriums. „Die Bundesregierung will die Verantwortung für das Aufsichtsversagen allein auf die Wirtschaftsprüfer von EY lenken. Dabei verwickeln sich die Bundesregierung und die Bafin permanent in Widersprüche“, erklärte Fabio De Masi, Finanzexperte der Linken-Bundestagsfraktion.

„Wir brauchen mehr direkte Eingriffsrechte der Bafin bei finanznahen Dienstleistungen. Das Haftungsprivileg der Wirtschaftsprüfer muss reformiert und die Marktmacht gebrochen werden.“ De Masi weiter: „Ein Untersuchungsausschuss erscheint kaum noch vermeidbar.“

Auch die Union kritisiert das Agieren des Ministeriums. Der Finanzobmann der Unionsfraktion, Hans Michelbach, zeigte sich „äußerst ungehalten“ über die Informationspolitik des Bundesfinanzministeriums in der Wirecard-Affäre. „Die Zurückhaltung von Informationen und das Hinhalten des Parlaments in der Wirecard-Affäre sind nicht länger hinnehmbar und müssen ein Ende haben. Mit seinem Verhalten behindert das Ministerium Finanzausschuss und Parlament in ihrer Kontrollfunktion.“

Michelbach weiter: „Ich erwarte jetzt von Bundesfinanzminister Scholz unverzügliche und umfassende Aufklärung über alle Fakten und die Handlungen seines Hauses und der nachgeordneten Behörden im Zusammenhang mit der Wirecard AG. Es muss endlich alles auf den Tisch. Es muss Schluss damit sein, dass dem Finanzausschuss wie in der Vergangenheit Vorgänge verschwiegen werden.“