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Rhetorische Brillanz ist nur selten angeboren, auch bei Dax-Chefs

Seine Vorbereitung für die diesjährige Hauptversammlung begann Telekom-Chef Timotheus Höttges mit einem „Twalk“: Um auf frische Gedanken zu kommen, spazierte er mit seinem Redenschreiber Henrik Schmitz und mit Stefan Broszio, einem weiteren Kollegen seiner Kommunikationsabteilung, durch die Bonner Rheinauen. Die Mischung aus „Talk“ und „Walk“ soll Ideen beflügeln, und offenbar hat es geholfen. Die drei einigten sich schnell auf das Leitmotiv der Rede: „Möglichkeiten & Unternehmertum“.

Als weitere Themen für die Rede gesetzt waren neben den Geschäftszahlen von 2017 und dem Ausblick auf 2018 noch die Folgen des USA-Deals von Sprint und T-Mobile sowie die Erläuterung, wie Höttges mit der Umsetzung seiner Wachstumsstrategie vorankommt. Dabei will der Vorstandsvorsitzende besonders auf den Glasfasernetz-Ausbau abheben.

Am 19. April legte Schmitz dann die erste Version der Rede vor. Bis zum Aktionärstreffen am 17. Mai folgten noch mehr als 20 weitere Versionen – bis schließlich auch Kommunikationschef Philipp Schindera, die Kollegen von der Investor-Relations-Abteilung, die Strategie-Verantwortlichen und die Hausjuristen ihr O.K. gegeben haben.

Die endgültige Fassung der Rede entstand aber erst bei der Generalprobe am Vorabend der Hauptversammlung auf der Bühne des ehemaligen Plenarsaals des Deutschen Bundestags in Bonn. Dort ging Höttges seinen Auftritt komplett durch. Schindera und der scheidende Finanzvorstand Thomas Dannenfeldt gaben Feedback. Und dort wurde der Vortrag noch ein letztes Mal gekürzt: 40 Minuten, länger sollte die Rede nicht dauern.

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Höttges ist zufrieden mit seinem finalen Probelauf auf der nach seinen Wünschen geformten neuen Bühne. Die bringt ihn nah ans Publikum und lässt ihm mehr Bewegungsfreiheit als ein Rednerpult. Die ideale Teleprompter-Geschwindigkeit ist eingestellt, die Beleuchtung passt.

Zufrieden ist er auch, wie die Kollegen seine Idee für die Bühnendekoration umgesetzt haben: Hinter ihm ist eine komplette Glasfaser-Baustelle nachgebaut, inklusive Montagetechnik und den grauen Schaltkästen. Nur die Trenching-Maschine zum Verlegen der Glasfaser, die sich Höttges auch gewünscht hatte, war schlicht zu schwer. Sie wird stattdessen am nächsten Tag per Video eingeblendet.

Gute Reden sind Teamwork

Redenschreiber Schmitz ist einer der vielen Akteure im Hintergrund, die die Vorstandschefs der Dax-Konzerne auf der großen Bühne der Hauptversammlung glänzen lassen. Der 39-Jährige kennt den Telekom-Chef bestens, jahrelang war er sein persönlicher Assistent.

Mit Hilfe des ehemaligen Journalisten Schmitz gelang Höttges als erstem Dax-Vorstandsvorsitzenden ein Hattrick: Zum dritten Mal hintereinander hielt er von allen 30 Dax-Chefs die verständlichste Hauptversammlungsrede. Und ging damit erneut als Sieger aus dem Rhetorik-Ranking hervor, das Frank Brettschneider von der Uni Hohenheim alljährlich exklusiv für das Handelsblatt erstellt.

Dass Höttges es schafft, seinen Vorsprung dabei sogar auch noch Jahr für Jahr auszubauen, zeigt vor allem eines: Gute Rhetorik hat weniger mit Begabung zu tun als vielmehr mit Fleiß und Teamwork. Der charismatische Anführer, der eine Bühne entert und mit spontanen Worten seine Gefolgsleute mitreißt, ist vor allem eines: ein Mythos.

Elisabeth Ramelsberger kann das bestätigen: „Chefs, die richtig cool rüberkommen, arbeiten am härtesten an ihrer Wirkung.“ Sie ist Inhaberin der gleichnamigen Düsseldorfer Kommunikationsagentur und spezialisiert auf Medientrainings für Spitzenmanager. Sie zählt etwa die Hälfte der Dax-30-Chefs zu ihren Kunden. Welche das sind, sagt die Ex-Konzernsprecherin von Siemens nicht, denn ihre Auftraggeber verpflichten sie zur Diskretion.

Dabei haben Rhetorik-Coaches wie Ramelsberger oft vor allem eine Funktion. „Externe Berater kommen auch häufig dann ins Spiel, wenn es um persönlich harsche Kritik am Chef geht, die Untergebene nicht zu äußern wagen“, weiß Thomas Stein. Der Managing Partner der Kommunikationsagentur Instinctif nennt als Beispiel „undeutliche Aussprache, hölzerne Gesten, negative Ausstrahlung“.

So sieht es auch Folker Dries, Geschäftsführer und Medientrainer der Kommunikationsagentur Hering Schuppener: „Nur weil jemand CEO ist, ist er noch lang kein begnadeter Kommunikator und erst recht kein mitreißender Redner.“

Manch ein Vorstandschef glaubt, diese Schwächen ignorieren zu können und legt einen Hauptversammlungs-Auftritt hin, der einer chinesischen Parteitagsrede ähnelt. Für ambitioniertere Klienten jedoch, die sich mit dem Auftritt vor Publikum schwertun, hat Dries eine gute Nachricht: „Kommunikation ist zu 95 Prozent harte Arbeit – aber erlernbar.“ Empfehlung des Experten: „Üben, üben, üben! Hauptversammlungsauftritte sind kein Hexenwerk. Und mit zunehmender Erfahrung steigt die Selbstsicherheit.“

Um ihre Mandanten zu ermutigen, verweisen die Kommunikationsberater gern auf Apple-Gründer Steve Jobs. Das verstorbene Redner-Idol habe pro Minute seines Auftritts rund 40 Minuten geübt. Und am Ende wirkte alles ganz spontan, bis hin zum legendären „One more thing“: jenem Hinweis, mit dem Jobs betont beiläufig die Vorstellung spektakulärer Produktneuheiten einzuleiten pflegte.

Die Rhetorik-Trainer und Redenschreiber von Topmanagern haben es bisweilen auch deshalb besonders schwer, mit ihren Botschaften durchzudringen, weil viele Vorstandschefs rednerische Brillanz für nachrangig halten. Ramelsberger: „Sie haben mitunter die Haltung: Ich überzeuge mein Publikum mit Fakten und nüchternen Zahlenkolonnen.“ Doch was nützen die überzeugendsten Fakten, wenn das Publikum längst weggedämmert oder mit seinen Smartphones beschäftigt ist?

Bei diesem Zwiespalt setze ihre Beratung an, sagt Ramelsberger: „Wir wollen gar nicht, dass Vorstände in eine Rolle schlüpfen, sondern sie bekommen Tipps von Profis, um ihren Auftritt professionell zu meistern und dabei authentisch zu wirken.“ Dazu bietet sie ein Rundum-Paket fürs Rampenlicht: Stimmtrainer, um notorisches Nuscheln abzugewöhnen, Stylisten, die für den richtigen Look sorgen, aber auch erfahrene Talkshow-Journalisten, die CEOs bei laufender Kamera grillen und sie so auf die Frage- und Antwort-Runde der Hauptversammlung vorbereiten.

Aufsteiger Lufthansa

Diese Rolle übernimmt bei der Lufthansa Martin Leutke. Der ehemalige Chef der ZDF-Wirtschaftsredaktion, der 2016 als Leiter Media Relations zur Fluglinie wechselte, kennt sich bestens aus mit Gestik, Mimik, dem idealen Sprechtempo und gekonnten Pausen, um Spannung im Publikum zu erzeugen. Er vermittelt Lufthansa-Chef Carsten Spohr das nötige Know-how für eine überzeugende Bühnenpräsenz.

Wie sehr rhetorischer Erfolg von guter Vorbereitung im Team und persönlichem Training abhängt, beweist Spohr dann auch in diesem Jahr: Dem Lufthansa-Chef gelang es so, sich mit seiner Rede im Ranking am weitesten vorzuarbeiten: vom 20. Platz 2017 auf Rang sechs in diesem Jahr.

Carsten Spohr zählt zu den wahrhaft gestählten Profis auf der Rednerbühne. Das, was andere in Trockenübungen simulieren, hat Spohr nach dem Absturz der Germanwings-Maschine und den Protesten wegen des Konzernumbaus gezwungenermaßen gelernt: Schlimme Botschaften einfühlsam zu überbringen und auf Angriffe gelassen zu reagieren.

Medientrainer Folker Dries empfiehlt Mandanten: „Moderierend wirken, kein Öl ins Feuer gießen und auch keinen billigen Applaus einheimsen wollen.“ Und: „Schlechte Nachrichten zu Entlassungen oder Skandalen nicht unter den Teppich kehren. Sie verschweigen zu wollen klappt ohnehin nicht.“

Auch Tim Höttges ist ein Verfechter schnörkelloser Botschaften: „Die Telekom stehe für Offenheit, so Höttges: „Das will ich auch mit meiner Sprache ausdrücken. Manche sagen mir: Klartext macht angreifbar. Denen erwidere ich: Nebelkerzen brennen kurz. Da sage ich lieber selbst, was Sache ist.“