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„Wegen Corona produzieren wir auch sonntags – für doppelten Lohn“

Nach dem Corona-Schock will der Betonstein-Hersteller Henning Kortmann sein Unternehmen in die Normalität führen. Der Abschwung blieb aus. Die Nachfrage steigt rapide und ist nur mit Wochenend-Schichten zu bewältigen.

Henning Kortmann, 32, ist geschäftsführender Gesellschafter von Kortmann Beton aus Schüttorf in der niedersächsischen Grafschaft Bentheim. Mit 26 Jahren übernahm der Jungunternehmer kaum vorbereitet die angestaubte Firma des Vaters und führt sie mit viel Elan, innovativem Recycling und dem Roboter Wall-E in die Neuzeit (Die Geschichte lesen Sie hier). Kortmann ist einer von über 100 Unternehmerinnen und Unternehmern, die die WirtschaftsWoche wegen ihrer kreativen Lösungen im betrieblichen Alltag in den vergangenen zwei Jahren als „Helden des Mittelstands“ beschrieben hat.

Als die WirtschaftsWoche Mitte März den Betonstein-Hersteller Henning Kortmann fragte, wie er sich mit seinem Unternehmen auf den damals beginnenden Corona-Lockdown einstellt, war seine Antwort: „Wir fahren auf Sicht.“ Also: vorsichtig, behutsam, wie im Nebel, eingestellt auf einen Crash. Immer handlungsfähig - aber mit dem Gedanken: keine Ahnung, was im nächsten Moment kommt.

So macht das der junge Unternehmer heute noch – nur mit umgekehrten Vorzeichen und ganz anders als gedacht. Vor drei Monaten standen Fragen im Raum, wie lang etwa ein KfW-Kredit das Überleben sichern würde und wie ein Total-Stillstand der Firma zu verhindern sei, wenn ein Mitarbeiter Corona-positiv getestet würde. Heute ist Kortmanns Problem: „Wie befriedigen wir eine Nachfrage, wie das Unternehmen sie in seiner 70-jährigen Geschichte noch nie erlebt hat?“

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Wall-e kennt kein Arbeitsgesetz

Alles kam besser als gedacht: Der befürchtete Corona-Fall in der 140-köpfigen Kortmann-Belegschaft blieb aus. Statt Stillstand herrscht Vollauslastung im Tiefbau. Neben den Kommunen, die länger geplante Projekte umsetzen, frischen private Immobilienbesitzer spontan ihre Terrassen, Höfe und Einfahrten auf, weil sie Kurzarbeit machen und auf Fernreisen erst einmal verzichten. „Die Leute haben plötzlich Zeit, aufgeschobene Vorhaben zu realisieren“, erklärt Kortmann den Boom.

Den erleben auch andere Hersteller von Betonsteinen und -platten. Ein Wettbewerber aus der Region nahe der niederländischen Grenze fragte sogar bei Kortmann an, ob der einen Auftrag von ihm übernehmen könne. Aber Kortmann hatte keine Kapazitäten frei. Vor Corona herrschte schon Vollauslastung vor allem bei Produkten für den Gartenbereich. Damals, im Februar, liefen die Maschinen in Schüttorf fünf Tage pro Woche rund um die Uhr und manchmal auch samstags. Selbst das reichte im Mai nicht mehr. „Jetzt arbeiten wir jeden Samstag“, beschreibt Kortmann die aktuelle Lage, „und sogar an Sonntagen arbeiten wir manchmal durch.“

Für die Sondereinsätze haben sich genug Mitarbeiter freiwillig gemeldet. Die benötigten Rohstoffe dafür werden samstags schon auf Vorrat bereit gestellt und die sonntags gefertigten Produkte dann montags verladen. So läuft die Arbeit ohne Gabelstaplerfahrer am Sonntag mit nur drei Leuten pro Schicht – plus dem mit 3D-Kamera ausgerüsteten Qualitätssicherungs-Roboter Wall E, der einmalig ist in der Betonsteinbranche und kein Arbeitszeitgesetz kennt. „In der Krise machen die Leute bei ungewöhnlichen Maßnahmen mit“, sagt Kortmann. Und hundert Prozent Zuschlag für den Sonntag – also doppelter Lohn – ist offenbar ein schöner Anreiz.

Zwölf Wochen Lieferzeit für Hühnerställe

Auch die Nachfrage nach Kortmanns individuell geformten Betonfertigteilen ist hoch. Unterm Strich rechnet der Firmenchef im Corona-Jahr 2020 nun insgesamt mit einem Produktions- und Umsatzplus von 25 Prozent. Der firmeneigene Baumarkt, der nur eine Woche für Privatkunden geschlossen war, aber Gewerbetreibenden weiterhin Baustoffe verkaufte, setzt sogar ein Drittel mehr Waren um als 2019. Hier ist laut Kortmann seit Corona „jeden Tag Hochbetrieb wie sonst samstags“ – bloß mit Abstand und Plexiglasscheiben an den Kassen.

Covid-19 sorgt für absurde Knappheiten wie früher in der DDR. Ein Freund berichtete Kortmann davon, dass er jetzt den lang gehegten Wunsch einer eigenen Hühnerhaltung realisieren wolle. Aber auf frische Eier kann er lange warten. Das Hobbyprojekt scheiterte an der Hardware, erzählt Kortmann nun aus zweiter Hand: „Die Lieferzeit für Hühnerställe ist demnach von null auf zwölf Wochen gestiegen.“

„Wir gehen alle auf dem Zahnfleisch“

Kortmann übernahm schon mit 26 die Verantwortung in Vaters Firma und ist das Schwimmen im kalten Wasser gewohnt. Das hilft bei der Bewältigung der neuen Herausforderung. Zumal nicht klar ist, ob nach dem Boom die Flaute kommt. Denn wenn die Konjunktur wie erwartet einbricht, lassen normalerweise ein Dreivierteljahr später auch die Bauinvestitionen nach – und damit die Nachfrage nach Baumaterial. Aber was ist in Zeiten von Corona schon normal?

Kortmann bleibt vorsichtig und stockt das Personal nicht auf. Die Folge dieses Fahrens auf Sicht: „Wir haben 30 Prozent mehr Arbeit, aber nicht mehr Leute. Wir gehen alle auf dem Zahnfleisch.“ Das im Boom verdiente Geld will Kortmann 2021 zu einem großen Teil investieren – unter anderem in den geplanten Neubau seines Verwaltungsgebäudes.
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In der Rubrik Helden des Mittelstands porträtiert die WirtschaftsWoche regelmäßig einen Mittelständler, der eine Herausforderung kreativ, mutig und klug gemeistert hat. Was tun diese Helden gegen die Coronakrise? Wir haben nachgefragt. Alle Folgen der Serie „Helden Contra Corona“ finden Sie hier.