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Voller Einsatz für die zweite Chance

Sein Informatik-Studium an der RWTH Aachen war für den Web-Entwickler Philipp Habrich vor allem mit Frust verbunden. Viel zu trocken fand er den Stoff. Nach zwei Semestern: Abbruch. An der Fachhochschule Aachen lief es erst besser, dann scheiterte Habrich an Mathematik. Nach vier Semestern erneut: Abbruch. „Ich war verzweifelt“, sagt der junge Mann. Habrich stand mit leeren Händen da.

Kurz darauf konnte sich der Studienabbrecher seinen Job praktisch aussuchen. Zwölf Einladungen zu Bewerbungsgesprächen hatte er auf dem Tisch. Was wie ein Wunder wirkt, ist auch das Verdienst des Aachener Projekts Switch, das gezielt Studienabbrecher an Ausbildungsbetriebe vermittelt. „Dass die Resonanz so enorm ist, hätte ich mir nie erträumt.“ Habrich tat nach all dem Uni-Frust das Interesse an seiner Person gut: Er entschied sich für eine Lehre zum Anwendungsentwickler bei der Grün Software AG.

Alle Beteiligten profitieren. Denn Unternehmensvorstand Oliver Grün, zugleich Präsident des Bundesverbandes IT-Mittelstand, schätzt an Studienabbrechern vor allem ihre Einstellung: „Sie sind durch ihre Lebenserfahrung einfach reifer und auch motivierter als die anderen Auszubildenden. Ich habe bislang nur gute Erfahrungen mit Studienabbrechern gemacht“, sagt Grün. Etwa 90 Prozent der Abbrecher übernehme Grün Software nach ihrer Ausbildung.

Jedes dritte Unternehmen in Deutschland hat bereits Studienabbrecher ausgebildet. Bei denen, die es noch nicht getan haben, denken 75 Prozent der Personalchefs darüber nach. Dies ergab eine Umfrage des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) bei 716 Unternehmen unterschiedlicher Branchen. Als „Win-win-Situation“ bezeichnet BIBB-Sprecher Andreas Pieper die Lehrzeit der Ex-Hochschüler: „Die ehemaligen Studenten erhalten die Chance auf einen qualifizierten Berufsabschluss und die Betriebe profitieren von leistungsstarken, mitunter auch schon entsprechend vorgebildeten Bewerbern.“

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Die TU Berlin schätzt die Zahl der Studienabbrecher in Deutschland auf 60.000 bis 100.000. Fast jeder dritte Student verlässt die Uni ohne Abschluss, bei Fachhochschulen jeder vierte. Meist folgt große Ratlosigkeit, Gefühle des Scheiterns kommen bei vielen hinzu. Dabei sind die Chancen auf dem Arbeitsmarkt so gut wie nie zuvor – auch eine Folge der guten Konjunktur.


Persönlichkeit entscheidet

Michael Schanz, Arbeitsmarktexperte des Verbands für Elektrotechnik, Elektronik und Informationstechnik, attestiert den Studienabbrechern in technischen Feldern ein gutes Rüstzeug: „Sie haben an der Uni oft ein Basiswissen an Mathematik, Mechanik und Physik mitbekommen und außerdem gelernt, Methoden zur Problemlösung zu entwickeln“, sagt er. Mitgliedsunternehmen seines Verbandes suchten gezielt nach dieser Zielgruppe.

Beim Softwareanbieter Nuclos aus Sauerlach bei München blickt man auf den Einzelfall. Ein fehlender Studienabschluss ist kein K.-o.-Kriterium. „Wir suchen Leute, die programmieren können. Mit Quereinsteigern, etwa ehemaligen Physik-Studenten, haben wir sehr gute Erfahrungen gemacht“, sagt Geschäftsführer Ramin Göttlich, selbst studierter Informatiker.

Fünf der 20 Programmierer bei Nuclos haben ihr Studium nicht beendet. „Der persönliche Eindruck und die tatsächliche Qualifikation entscheiden bei uns“, sagt Göttlich. „Natürlich kann ein nicht beendetes Studium auch hinweisen auf mangelnde Zielorientierung oder fehlende Selbstdisziplin. Daher hinterfragen wir schon immer die Gründe.“

Rund um Studienabbrecher entwickelt sich inzwischen ein Markt auch für Vermittler. So betreibt ein hessischer Personalberater die Webseite studienabbrecher.com, um Angebot und Nachfrage zusammenzubringen.

Auch der Versicherungskonzern Arag inseriert dort seit 2016. „Unsere Erfahrungen sind durchweg positiv“, sagt Ausbildungsleiterin Luisa Jansen. Ex-Studenten können bei der Arag eine verkürzte Ausbildung zum Vertriebsreferenten absolvieren. Viele BWL-Abbrecher nutzen die Option, dabei sei das Studienfach der Bewerber zweitrangig, sagt Jansen. Vielmehr gehe es um den Charakter. „Wir suchen nach kommunikativen und aufgeschlossenen Menschen. Außerdem müssen sie eigenständig arbeiten und komplex denken können, was Studienabbrecher gewohnt sind“, sagt Jansen.


Abschluss im Schnelldurchlauf

Als erste Stadt in Deutschland hat Aachen im Jahr 2011 ein entsprechendes Pilotprojekt gestartet. Wer am Programm Switch teilnimmt, kann die Ausbildung im Schnelldurchlauf absolvieren – in 18 statt den üblichen 36 Monaten.

Rund 100 Unternehmen beteiligen sich, bisher hat Switch 270 Auszubildende vermittelt. Eine ausbaufähige Größe, findet Peter Gronostaj, bei Switch zuständig für die Betreuung der Unternehmen. „Der Bedarf der Unternehmen in Aachen ist weit größer. Nur die Hälfte der angemeldeten Betriebe hat bis jetzt jemanden vermittelt bekommen“, sagt er. Der Rest ging leer aus, da die begehrten Kandidaten zwischen Lehrstellen aussuchen durften.

Voraussetzung für den Turbo-Abschluss sind mindestens zwei Semester an der Uni und 20 Credit Points. Keine allzu große Hürde: Die Regelstudienzeit sieht 30 Credit Points pro Semester vor. Ein schriftlicher Eignungstest der IHK Aachen ist vorgeschaltet. Darin testet die Kammer unter anderem logisches Denken, Lesegenauigkeit und praktisch-technisches Verständnis.

Das Aachener Modell hat Schule gemacht: 18 solcher Projekte unterstützt das Bundesministerium für Bildung und Forschung heute mit 7,2 Millionen Euro. „Damit bieten wir Studienabbrechern neue Karrierechancen durch eine berufliche Ausbildung. Außerdem bekommen kleine und mittlere Unternehmen weitere Möglichkeiten, ihren Fachkräftebedarf zu decken“, sagte Bundesbildungsministerin Johanna Wanka bei der Vorstellung ihrer Kampagne „Jobstarter plus“.

KONTEXT

12 Karriere-Mythen

Mit 50 ist man zu alt für die Karriere

Nein! In der Realität gibt es diese Altersschranke oft gar nicht, glaubt Headhunter Marcus Schmidt: "Manche Mandanten suchen sogar explizit Führungskräfte ab 50, weil sie viel Wert auf Erfahrung legen und nicht wollen, dass der Neue gleich wieder weiterzieht." Zudem gilt in Deutschland seit 2006 das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, das eine Diskriminierung aus Altersgründen verbietet.

Seine Erfahrungen hat Schmidt in dem Buch "Die 40 größten Karrieremythen" niedergeschrieben. Handelsblatt Online hat die spannendsten Zitate ausgewählt.

Ohne Doktortitel geht es nicht

"Die Frage, ob man promovieren soll oder nicht, hängt von der angestrebten Karriere ab", sagt Schmidt. Denn die Promotion koste immer auch Zeit - in der Diplomanden ein vergleichsweise geringes Gehalt beziehen. "Nicht alle jungen Berater, Anwälte und Wirtschaftsprüfer wollen in einem Unternehmen zum Partner aufsteigen oder erreichen dieses Ziel."

Eine Top-Karriere macht man nur im großen Konzern

Falsch! Entscheidend für die Karriere sei nicht, bei welchem Unternehmen man arbeite, sondern welche Aufgaben und Entfaltungsmöglichkeiten man habe, sagt Personalberater Schmidt. "Gerade in weniger etablierten Unternehmen gibt es oftmals spannendere und weniger standardisierte Aufgaben als in Großkonzernen", so Schmidt.

Nur wer sich anpasst kommt weiter

Im Gegenteil: Eigene, gut argumentierte Überzeugungen hält Headhunter Marcus Schmidt für unabdingbar. "Wer nur mitläuft, um ja keinen Fehler zu machen, kann nichts Herausragendes leisten und wird nicht dauerhaft auf sich aufmerksam machen", so Schmidt. So könne man sich nicht profilieren oder für die nächsten Ebenen empfehlen.

Der MBA ist ein Karriere-Turbo

Die deutsche Wirtschaft zeigt ein anderes Bild: Absolventen hätten sich selten in die Führungsetage hochgearbeitet, sagt Schmidt. Anders als der Doktortitel ist der MBA zudem kein normierter akademischer Grad, seine Vergabe wird also grundsätzlich nicht staatlich geregelt oder kontrolliert. Wer Studiengebühren von bis zu 70.000 US-Dollar auf sich nehme, solle deshalb das Renommee der Schule immer überprüfen.

Ohne Examen gibt es keinen Aufstieg

Muss man heute studieren, wenn man Karriere machen will? Nein, glaubt Headhunter Marcus Schmidt. Und einige prominente Konzernlenker geben ihm recht: Telekom-Chef René Obermann etwa hat sein Studium abgebrochen, und auch Klaus-Peter Müller, bis 2008 Vorstandsvorsitzender der Commerzbank und jetziger Aufsichtsratsvorsitzender, hat nie studiert.

Gehalt ist ein untrüglicher Gradmesser des Karriereerfolgs

Die Position mit Perspektive sei nicht immer die am besten bezahlte, sagt Marcus Schmidt. So könne sich für ein renommiertes Traineeprogramm ein kurzfristiger Gehaltsverzicht durchaus auszahlen - etwa, wenn das ausbildende Unternehmen in seiner Branche als Kaderschmiede gilt.

Ein Auslandsaufenthalt fördert die weitere Karriere

Nicht immer, sagt Headhunter Marcus Schmidt - stattdessen kann der Auslandseinsatz sogar zum Nachteil werden. "Oftmals sind es die Daheimgebliebenen, die dann verbleibende Inlandsposten unter sich aufteilen". Sie säßen dann auf Stühlen, auf die Auslandsrückkehrer vergeblich spekulieren.

Der erste Job muss der richtige sein

Wer auf standardisierte Einstiegsprogramme in Unternehmen mit hohem Bekanntheitsgrad setze, müsse auch in Kauf nehmen, dass die eigene Berufslaufbahn nachgemacht wirkt, sagt Personalberater Marcus Schmidt. "Gehen Sie eigene Wege. Suchen Sie Ihren Einstieg ruhig gegen den Strich. Probieren Sie etwas aus, was sie wirklich interessiert."

Karriere macht, wer mehr als 60 Stunden pro Woche arbeitet

Falsch, glaubt Headhunter Marcus Schmidt. Ebenso wichtig wie der tatsächliche Zeiteinsatz sei der gefühlte Zeiteinsatz. Und der definiere sich auch durch die Befriedigung mit der getanen Arbeit. "Wer es schafft, aus seines Arbeit weitgehend Befriedigung zu ziehen, muss auch nicht Karriereschablonen zum persönlichen Zeiteinsatz nachjagen."

Frauen hindert die "gläserne Decke" am Aufstieg

Tatsächlich finde sich diese "gläserne Decke" vor allem in den Köpfen der männlichen Entscheider, glaubt Schmidt. Für weibliche Führungskräfte scheine sie hingegen kein Thema zu sein. "Viele Beratungsunternehmen und große Konzerne bitten uns öfter sogar explizit, nach weiblichen Kandidatinnen zu suchen."

In der Wirtschaftskrise macht man keine Karriere

"In der Krise wählen Unternehmen bei der Besetzung von Stellen zwar sorgfältiger aus. Aber sie stellen trotzdem noch ein", ist die Erfahrung von Marcus Schmidt. Gerade in Phasen des Umbruchs gebe es etwa die Chance zur Übernahme von Restrukturierungsjobs, bei denen wirklich die Fähigkeit der Verantwortlichen zählt.

KONTEXT

Netzwerken für Dummies

Freiwillig aushelfen

Wer Probleme damit hat, auf Fremde zuzugehen, sollte den Veranstaltern kurz vor dem Event seine Hilfe anbieten. So geht der angehende Netzwerker auf Nummer sicher, dass er nicht nur dumm in der Ecke rumsteht - schließlich hat er durch sein Engagement eine klare Aufgabe. Und währenddessen kommt er ganz zufällig mit neuen Menschen ins Gespräch, ohne dafür selbst den ersten Schritt machen zu müssen.

Gewohntes Umfeld verlassen

Leute außerhalb des direkten Umfeldes können dafür sorgen, dass man eine ganz neue Perspektive auf Projekte oder Probleme einnehmen kann. Jedem sollte eine Chance gegeben werden: Schließlich weiß man nie, wer einen interessanten Kontaktpartner ausmacht.

Frühzeitig da sein

Ganz wichtig beim Netzwerken: die Ruhe vor dem Sturm ausnutzen. Um neue Kontakte während einer Veranstaltung zu knüpfen, bietet es sich an, etwas früher da zu sein als die Mehrheit der Gäste. Denn wenn nur ein paar Menschen da sind, bleibt einem nichts anderes übrig, als auf diese zuzugehen. Und dann ist auch die Chance groß, die Organisatoren oder Sprecher wichtiger Organisationen zu erwischen, bevor sie von einer Meute umringt werden, die sich gerne vorstellen will.

Nicht sofort drauf losschießen

Der angehende Netzwerker ist überpünktlich da, überwindet seine Hemmungen und gesellt sich zu einer kleinen Gruppe. Den größten Fehler, den er dann machen kann: einfach drauf losplappern. Wenn es zu einem Gespräch kommt, sollte er lieber erst einmal aufmerksam zuhören und Fragen stellen. Schließlich ist Netzwerken keine Einbahnstraße: Wenn man ehrliches Interesse an den Problemen anderer zeigt, werden sie wahrscheinlich auch dasselbe für ihr Gegenüber tun.

Lächle

Noch Fragen?

Sich ein Ziel setzen

Schon vor der Veranstaltung sollte man sich gut überlegen, mit wie vielen Leuten man sich unterhalten will. Schließlich passt nicht jede x-beliebige Person in das persönliche Netzwerk. The Changer rät angehenden Netzwerkern deshalb dazu, sich vorab die Teilnehmerliste zu organisieren, um vorab herauszufinden, wer während des Events als möglicher neuer Kontakt geeignet ist.

Fragen zurechtlegen

Wenn geklärt ist, wen der angehende Netzwerker ansprechen möchte und warum, ist es sinnvoll, sich ein paar Fragen zurecht zu legen. Zum Beispiel: "Welche Vorschläge hast für mich?" oder "Kennst du jemanden, mit dem ich mal reden sollte?". Natürlich sollte man sich vorab auch Gedanken darüber machen, welche Fragen einem selbst gestellt werden könnten.

Rechtzeitig weiterziehen

Das Gespräch mit einer fremden Person kann super laufen. Das bedeutet aber nicht, dass man bis zum Ende der Veranstaltung zusammenbleibt. Spätestens nach zehn Minuten sollten Netzwerker weiterziehen - um mit möglichst vielen Menschen in Kontakt zu kommen. Wem es schwer fällt, das Gespräch zu beenden, dem rät The Changer dazu, in einem geeigneten Moment die Businesscard zu zücken und vorzuschlagen, das Gespräch zu einem späteren Zeitpunkt intensiver weiterzuführen.

Zweitkontakt intelligent herstellen

Der erste Kontakt wurde während des Events hergestellt. Im zweiten Schritt gilt es, den Zweitkontakt geschickt herzustellen. Wer allerdings nicht mehr zu bieten hat als "Schön, dich gestern kennengelernt zu haben" läuft Gefahr, dass der Kontakt ins Leere läuft. Sinnvoll ist es, Informationen - zum Beispiel zu Gesprächsthemen - mitzuschicken, um zu beweisen, dass man als Kontaktperson wirklich etwas zu bieten hat.

Netzwerk pflegen

Netzwerken bedeutet nicht: Man tut es einmal und hakt es dann auf seiner Liste ab. Netzwerken muss vielmehr in die Arbeitsweise integriert werden. Wer wirklich von seinen Kontakten profitieren will, muss sie pflegen und Zeit investieren.

Quelle

Die Karriereplattform The Changer gibt in ihrem Buch "Karriere mit Sinn" zehn Tipps, wie Laien zu Netzwerk-Experten werden.

The Changer