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Volle Transparenz oder Verschleierung? Wie China mit dem Coronavirus umgeht

Chinas Behörden wird vorgeworfen, die Aufklärung über das Virus verschleppt zu haben. Stimmt das? Bedingt – denn Peking zeigt sich ungewohnt offen.

China befindet sich im Krisenmodus. Millionen Menschen stehen unter Quarantäne, in vielen Landesteilen sind Reisen oder Versammlungen untersagt. An jeder Ecke werden Körpertemperaturen gemessen, und es wird großflächig desinfiziert.

Es gilt, die Ausbreitung des Coronavirus einzudämmen, das - Stand Sonntagmittag - bereits 56 Menschen das Leben gekostet hat. Mehr als 2000 Fälle sind bestätigt, rund 20.000 womöglich infizierte Menschen stehen unter strenger Beobachtung. Außerhalb Chinas sind bereits in 16 anderen Ländern Fälle aufgetreten.

Während China vorgeworfen wird, Zensur betrieben und den Ausbruch anfangs vertuscht und ein effektives Vorgehen verhindert zu haben, loben andere den Staat für sein konsequentes Vorgehen und die klare Kommunikation mit Weltgesundheitsorganisation und Öffentlichkeit.

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Wann wurden die ersten Fälle entdeckt?

Der erste Fall trat am 8. Dezember auf. Erst am 31. Dezember meldete China die Existenz des Coronavirus an die Weltgesundheitsorganisation (WHO). Die Behörden in Wuhan beharrten darauf, dass alles „unter Kontrolle“ und behandelbar sei.

Anfang Januar nannten einige chinesische Internetnutzer das Virus sogar „patriotisch“, da weitere Infektionsfälle tatsächlich zunächst nur außerhalb des Festlands in Hongkong, Thailand, Vietnam und Japan festgestellt wurde, während die Zahl der Erkrankten in Wuhan stabil blieb.

Warum reagierten die Behörden nicht früher?

Für die Zeitverzögerung gibt es durchaus politische Gründe, aber auch die technischen Abläufe sind aufwendig. Denn sowohl der Nachweis des Virus als auch die Anfertigung der Test-Kits dauern mehrere Tage.

Zwar konnten Krankenhäuser in Wuhan Erkrankungen schnell identifizieren, doch der Verdacht musste anfangs noch durch die mehr als 1000 Kilometer weit entfernte Behörde für Seuchenkontrolle und -prävention in Peking bestätigt werden.

Lokale Funktionäre versuchten zudem, zu Beginn des Ausbruchs allein mit dem Problem fertigzuwerden, um ihrem Ansehen in den Augen der Zentralregierung nicht zu schaden. Hinzu kam, dass die Führung der Stadt Wuhan zu Jahresbeginn vor allem damit beschäftigt war, das jährliche Treffen der Kommunistischen Partei zu organisieren. Auf dem diskutiert die politische Führung die Prioritäten für das kommende Jahr. Es galt, sich vor den Funktionären keine Blöße zu geben.

Nachdem immer mehr Warnungen aus den lokalen Krankenhäusern an die nationale Gesundheitsbehörde weitergeleitet wurden, schickte Peking vergangene Woche eine Expertenkommission nach Wuhan, berichtet das „Wall Street Journal“. Nachdem die Kommission festgestellt hatte, dass die Situation weitaus ernster als bisher angenommen war, empfahl sie, die Stadt unter Quarantäne zu stellen. Den lokalen Behörden fehlte dafür wiederum die Befugnis – die musste die Kommission nach der Rückkehr in Peking von Staatspräsident Xi Jinping erbitten.

Warum änderte sich Anfang der Woche Chinas Vorgehensweise?

Am Montagabend gab der chinesische Staats- und Parteichef Xi die Losung aus, dass Leben und Gesundheit der Bürger oberste Priorität genieße und China die Ausbreitung „resolut bekämpfen“ müsse. Für Funktionäre in ganz China war es das Signal, die Krise ernst zu nehmen.

Gleichzeitig begann die Regierung eine Transparenzkampagne, und mehr Informationen über den Verlauf der Krankheit wie auch Prävention einer Ansteckung zur Verfügung zu stellen. Am Mittwoch oblag des dem Entdecker des Sars-Virus, dem inzwischen 83-jährigen Mediziner Zhong Nanshan, die Öffentlichkeit über die Gesundheitskrise zu informieren. Der Spezialist für Atemwegserkrankungen war während der Sars-Pandemie bekannt geworden, weil er die Ernsthaftigkeit der Krankheit schon benannte, als die Regierung noch versuchte, sie zu vertuschen.

Kommunizierte China offen und transparent mit der internationalen Gemeinschaft?

Viele Virologen lobten Chinas internationale Kooperation. So gab das Land nach wenigen Tagen schon die Gensequenz des Virus weiter, um eine zeitnahe Identifikation infizierter Patienten zu ermöglichen. Gleichzeitig konnten andere Länder mit diesen Informationen eigene Tests entwickeln.

Die Abriegelung mehrerer Millionenstädte ist eine drastische, doch nach Ansicht vieler Experten notwendige Maßnahme, das Virus einzudämmen. Der Ausbruch fällt in die größte Reisewelle des Jahres, wenn zum chinesischen Neujahrsfest Hunderte Millionen Menschen zu ihren Familien fahren.

Werden die Nachrichten über den Virus zensiert?

Berichte über das Virus wurden anfangs zensiert. Kurz nach Neujahr befragte die Polizei acht Bürger in Wuhan, die behauptet hatten, dass das Sars-Virus nach China zurückgekehrt sei. Zwei Wochen später saßen chinesische Journalisten für mehrere Stunden auf der Wache, weil sie über das Wuhan-Virus zu berichten versucht hatten. Ärzte berichteten, dass sie angewiesen wurden, nicht mit der Öffentlichkeit über die Infektionen zu sprechen.

Seit Anfang der Woche jedoch können die chinesischen Medien relativ frei berichten – über das Virus, wohlgemerkt. Damit geben sie einen Einblick, wie lebendig und vielfältig die chinesische Medienlandschaft sein könnte, gäbe es keine Zensur.

Wie berichten chinesische Medien über das Wuhan-Virus?

Die zuständigen Behörden geben derzeit regelmäßig Pressekonferenzen, und die staatliche Medien halten die Öffentlichkeit auf dem Laufenden. Die Berichterstattung ist darauf ausgerichtet, Panik in der Bevölkerung zu verhindern, stellt aber keine kritischen Fragen zum Umgang mit dem Virus.

Private Medien in China glänzen hingegen vor allem mit Reportagen und Recherchen. Das Magazin „Sanlian“ veröffentlichte Anfang der Woche einen Artikel über Fälle, die bereits im Dezember oder Januar aufgetreten, jedoch nicht ordentlich behandelt worden waren. Das private Wirtschaftsmagazin „Caixin“ schickte mehrere Reporter nach Wuhan und ist oft das erste Medium mit den neusten Meldungen und Zahlen. Es hob seine Bezahlschranke für alle Artikel auf, die sich um das Wuhan-Virus drehen. Nachrichtenportale wie Sina und Netease informieren stündlich mit Push-Nachrichten.

Während der am Freitagabend im Staatsfernsehen übertragenen Frühlingsgala, die jedes Jahr von Hunderten Millionen Menschen in China geschaut wird, schalteten die Moderatoren in ein Krankenhaus nach Wuhan und sprachen mit den dortigen Ärzten.

Wie ernst nimmt die politische Führung Chinas diesen Ausbruch?

Es wurde bereits öffentlich kritisiert, dass die „People’s Daily“ auf ihrer Titelseite kein einziges Wort über den Ausbruch verlor. Bei der Zeitung handelt es sich um das Sprachrohr der Kommunistischen Partei, deren Artikel selten tagesaktuelle Nachrichten behandeln, sondern vielmehr Parteilinie und -strategie kommunizieren. Reguläre Tageszeitungen wie die „Changjiang Daily“ aus Wuhan machten die Krankheit zum Hauptthema.

Am Samstag tagte der Ständige Ausschuss des Politbüros der Kommunistischen Partei unter Leitung Xis in Peking. Das Treffen fand am ersten Tag des einwöchigen chinesischen Neujahrsfestes statt, wenn eigentlich das ganze Land, einschließlich der Parteiführung, frei hat.

Auf ihr wurde die Bekämpfung des Virus zur Chefsache erklärt. So forderte Xi die Gründung eines Krisenteams, der die nationale Kampagne managen und direkt an den Ständigen Ausschuss berichten soll.

Wird es politische Konsequenzen dieser Krise geben?

Auf den sozialen Medien Chinas fordern viele Bürger den Rücktritt von Würdenträgern der Stadt Wuhan und der Provinz Hubei. Wuhans Bürgermeister Zhou gab öffentlich in einem Interview mit dem Staatsfernsehen zu, dass „die Warnungen der Stadt (vor einer Ausbreitungsgefahr) nicht ausreichend waren“.

Am Samstag kritisierte auch Xi die lokalen Funktionäre indirekt. Er drohte diejenigen, die Informationen zurückhalten, bestrafen zu wollen. Zudem forderte er sie auf, „noch energischere Maßnahmen“ zu ergreifen, um eine Ausbreitung des Virus zu verhindern und die Erkrankten zur Behandlung in „zentralisierte Quarantäne“ zu bringen.

Bereits zuvor hatte die Staatsführung öffentlich gedroht, Kader „für die Ewigkeit an den Pranger der Schande zu nageln“, sollten sie Krankheitsfälle unterschlagen. Auf der sozialen Nachrichten-App WeChat wurde sogar eine Funktion freigeschaltet, in der Bürger Hinweise auf Vertuschungen von lokalen Funktionären und Behörden geben können.