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Vier neue Chefs und wenig Gemeinsamkeiten

Beim G7-Gipfel auf Sizilien setzt die deutsche Wirtschaft auf eine gemeinsame Haltung in der Handels- und Klimapolitik. Doch das ist illusorisch. Auch Gastgeber Italien wird bei einem brisanten Thema Abstriche machen.

Die Politik produziert schöne Bilder, aber keine Ergebnisse. Wer einen Beweis für diese Erfahrung von internationalen Gipfelveranstaltungen sucht, muss an diesem Freitag und Samstag in das idyllische Städtchen Taormina auf Sizilien schauen. Die Staats- und Regierungschefs des G7-Gipfels werden nach dem Anschlag in Manchester ein starkes Signal der freien westlichen Welt gegen den Terror des Islamischen Staates aussenden. Es soll eine eigene Erklärung der G7 geben.

Das ist nicht gering einzuschätzen. Dann ist es aber mit den Gemeinsamkeiten schon vorbei, wenn nicht noch ein Wunder geschieht.

Die deutsche Wirtschaft setzt auf eine gemeinsame Haltung der sieben großen Industrienationen in der Handels- und Klimapolitik. Doch das ist illusorisch. Vor allem der Bruch von US-Präsident Donald Trump mit der Handels- sowie Klimapolitik seines Vorgängers Barack Obama ist auch im Kreis der G7 nicht zu kitten. Sollten die Beschlüsse der Gruppe der Staats- und Regierungschefs nicht hinter die bisherigen Vereinbarungen für den Freihandel in der Welt zurückfallen, wäre das schon ein Erfolg aus Sicht von Delegationsteilnehmern.

Doch danach sieht es nicht aus. Nicht zu einem vertrauensvollen Verhandlungsklima beitragen werden die Äußerungen des US-Präsidenten in Brüssel beim Treffen mit den EU-Spitzen, die in der Nacht bekannt wurden. „Die Deutschen sind böse, sehr böse“, soll Trump nach „Spiegel“-Angaben gesagt haben. Der deutsche Handelsüberschuss sei „schlecht, sehr schlecht“, berichtete die „Süddeutsche Zeitung“.

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Auch wenn eine offizielle Bestätigung fehlt, das ist kein Ton für Verhandlungen. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker soll die Deutschen verteidigt haben: „Freier Handel nutzt allen“. Doch der US-Präsident habe nachgelegt: „Schauen Sie sich die Millionen von Autos an, die sie in den Vereinigten Staaten verkaufen. Fürchterlich. Wir werden das stoppen“, sagte er laut „Spiegel“.

Das Thema Klimaschutz hatte schon Papst Franziskus bei der Audienz angesprochen, zu der er Trump und Familie am Mittwoch im Vatikan empfangen hatte. Und auch der italienische Premier Paolo Gentiloni, Gastgeber des G7-Gipfels, weil Italien turnusgemäß den Vorsitz hat. „Das Klima-Abkommen kostet zu viel“, soll Trump gesagt haben, aber auch, dass „innerhalb der kommenden Wochen“ die amerikanische Überprüfung beendet sein werde.

Keine greifbaren Annäherungen also und ein rauer Ton. Neben der Klima- und Handelspolitik sind genauso Fragen offen wie in der Positionierung zu Russland. Gentiloni hatte vor dem Gipfel Kremlchef Wladimir Putin getroffen. Italien wäre dafür, die Sanktionen zu beenden und vielleicht sogar Russland wieder in den Kreis der G7 aufzunehmen. Ein Sinneswandel Trumps nun in Taormina käme einer Sensation gleich.


Merkel unter Beobachtung

Dem Gastland Italien ist das Thema Migration besonders wichtig, denn es fühlt sich bei der Bewältigung der Flüchtlingsmassen, die über das Mittelmeer kommen, von der Staatengemeinschaft allein gelassen. Doch wenn man mit Diplomaten spricht, wird deutlich, dass es auch bei diesem Thema keine Übereinkunft in Taormina geben wird.

Mit Erleichterung hat man in Berlin allerdings registriert, dass der US-Präsident bislang seine erste große Auslandsreise, die am Samstag Nachmittag endet, abgesehen mancher starker Worte ohne größeren Skandal absolviert hat. Es reicht für so manchen Gipfelteilnehmer schon aus, wenn sich Trump nicht wie ein Elefant durch den Porzellanladen bewegt.

Als Erfolg gilt die Einsicht von Trump, die Nahost-Krise lasse sich eben doch nicht an einem Nachmittag lösen. Trump ist in der Realpolitik angekommen, doch es ist ein mühsamer Lernprozess eines US-Präsidenten aus Sicht deutscher Diplomaten.

Doch nicht nur Trump sorgt für Diskussionen. Vier der sieben Staats- und Regierungschefs im G7-Kreis sind neu. Es könnte also Überraschungen geben, ob der eine oder andere weltpolitische Novize von der Politik seines Vorgängers abrückt oder ob neue Allianzen entstehen. Neben Trump sind erstmals Italiens Ministerpräsident Gentiloni, der neue französische Präsident Emmanuel Macron und die britische Premierministerin Theresa May dabei – die will das Gipfeltreffen wegen des Manchester-Anschlags allerdings schon am Ende des ersten Arbeitstages wieder verlassen. Am längsten im Amt sind die seit 2005 regierende Bundeskanzlerin und Japans Ministerpräsident Shinzo Abe. Kanadas Premierminister Justin Trudeau regiert seit 2015.

Die Kanzlerin kann hier ihre weltpolitische Erfahrung ausspielen. Umso mehr, als sie mit drei gewonnenen Landtagswahlen im Rücken anreist. Nicht jeder gratuliert ihr wie Trump nach der Landtagswahl im Saarland per Telefon persönlich. Aber international wird schon beobachtet, dass Merkel wahrscheinlich ab dem kommenden September ihre vierte Amtszeit antritt und damit eine feste Größe auf der Bühne der Weltpolitik bleibt.

Bereits in sechs Wochen finde der G20-Gipfel in Hamburg statt. Da kommen alle Themen, angefangen von der Klimapolitik bis hin zum Freihandel wieder auf den Tisch. Für Merkel ist deshalb der G7-Gipfel trotz aller Widrigkeiten wichtig. Die Kanzlerin muss abseits der strittigen Fragen Gemeinsamkeiten ausloten, etwa in der Entwicklungs-, der Gesundheits- und der Frauenpolitik.

Kurz vor der Bundestagswahl will die Kanzlerin Ergebnisse und nicht nur schöne Bilder produzieren.

KONTEXT

Sieben Dinge, die man über die G7 wissen muss

Ursprung

Die Weltwirtschaftskrise brachte 1975 Bundeskanzler Helmut Schmidt und den französischen Präsidenten Valéry Giscard d'Estaing auf die Idee eines Gipfeltreffens der größten Industrienationen. Das Ziel: Die Erörterung der weltwirtschaftlichen Lage und die Suche nach Lösungsansätzen für globale Probleme.

Die Gruppe der Sechs

Beim ersten Gipfeltreffen auf Schloss Rambouillet bei Paris trafen sich die Staats- und Regierungschefs aus Frankreich, Deutschland, der USA, Großbritannien, Japan und Italien. Ein Jahr später kam Kanada hinzu. Aus der "Gruppe der Sechs" wurde die G7.

Die G8

Russland erhielt 2002 die Vollmitgliedschaft, die G8 existierte aber nur bis 2013. Wegen der russischen Annexion der Krim platzte 2014 der Gipfel im russischen Sotschi am Schwarzen Meer. Die G7 tagte stattdessen ohne Russland in Brüssel. Eine Rückkehr zur G8 ist derzeit kein Thema.

Die führenden Industrienationen

Der G7 gehörten in der Anfangszeit die sieben führenden Industrienationen der Welt an. Heute ist das nicht mehr so: Aus den Top 7 fehlen mit China die Nummer 2 und mit Indien die Nummer 7.

Weltwirtschaftsgipfel

In der Anfangszeit ging es bei den jährlichen Gipfeln vor allem um Wirtschaftsthemen. Die Treffen wurden deswegen auch Weltwirtschaftsgipfel genannt. Heute stehen meistens die internationalen Krisen im Vordergrund.

Keine Verbindlichkeit

Die G7 trifft keine verbindlichen Beschlüsse. Das Abschlussdokument hat keinen verbindlichen Charakter. Es geht bei den Treffen vor allem um einen Gedankenaustausch über die wichtigsten Themen dieser Welt.

Rotierender Vorsitz

Der Vorsitz der Gruppe rotiert. Jedes Jahr finden die Gipfel in einem anderen Mitgliedsland statt. In diesem Jahr treffen sich die Staatoberhäupter im italienischen Taormina auf Sizilien.

KONTEXT

Das Pariser Klimaabkommen - die Aussichten

Das Ziel

Die Erderwärmung soll auf klar unter zwei Grad im Vergleich zur vorindustriellen Zeit begrenzt werden. Die Vertragsstaaten sollten sich aber anstrengen, sie bei 1,5 Grad zu stoppen.

Wege zum Ziel

Die Staaten wollen den Netto-Ausstoß ihrer Treibhausgase in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts auf Null bringen. Sie dürfen dann nur noch so viele Treibhausgase ausstoßen, wie etwa mit Waldanpflanzungen aus der Atmosphäre gezogen wird. Dafür müsste die Verbrennung von Kohle, Öl und Gas von 2050 bis 2070 enden.

Geld für Klimaschutz und Anpassung

Von 2020 bis 2025 sollen die Industriestaaten jährlich 100 Milliarden Dollar (ca. 90 Milliarden Euro) für Entwicklungsländer bereitstellen. Für die Jahre danach soll es ein neues, höheres Ziel geben.

Verluste und Schäden

Die Vertragsstaaten erkennen die Notwendigkeit an, ärmeren Staaten bei Verlusten und Schäden durch den Klimawandel zu helfen. Es soll ein Versicherungssystem aufgebaut werden.

Verbindlichkeit

Entscheidende Teile der Vereinbarung sind völkerrechtlich verbindlich. Es gibt jedoch keine Strafen bei Nichterfüllung der Zusagen.

USA

Nach China sind die USA der zweitgrößte Klimasünder. Trump wendet sich von der Klimapolitik seines Vorgängers ab. Im März hob er Vorschriften zum Klimaschutz auf. Er will den "Clean Power Plan" zum Abbau der Treibhausgase bis 2030 um 32 Prozent gegenüber 2005 überarbeiten lassen. Ob die USA ihre Verpflichtungen so noch erreichen können, ist fraglich. Ein Ausstieg aus dem Pariser Abkommen ist möglich. Auch könnte Trump neu verhandeln.