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Verkehrswende paradox: Schwertransporte boomen – aber nicht per Bahn und Schiff

Die Regierung will Transporte von der Straße auf Bahn und Schiff umlenken. Doch ein Blick in die Praxis zeigt: Die Rahmenbedingungen sind falsch.

Viele Schwerlasttransporte gehen per Lkw über die Straße, obwohl Schiff und Bahn eine bessere Klimabilanz haben. Foto: dpa
Viele Schwerlasttransporte gehen per Lkw über die Straße, obwohl Schiff und Bahn eine bessere Klimabilanz haben. Foto: dpa

Wenn es nach der Bundesregierung geht, dann melden Logistiker und Transporteure bald schon Großraum- oder Schwertransporte digital an, erhalten „zügig und effizient“ die Genehmigung und nutzen „deutlich erhöht“ die Bahn oder das Binnenschiff – ganz im Sinne der proklamierten Verkehrswende für ein gutes Klima. So steht es im „Innovationsprogramm Logistik 2030“.

Der Blick in die Praxis sieht allerdings alles andere als schillernd aus. Schwertransporte rollen zwar munter durchs Land, um etwa Turbinen, Trafos oder Windräder vom Hersteller zum Kunden zu bringen, Kräne müssen von einer Baustelle zur anderen gefahren werden. Genehmigten die Behörden vor zehn Jahren noch circa 200.000 Transporte pro Jahr, so war es 2020 bereits eine halbe Million. Jeder Transport verspricht gute Margen – vor allem per Lkw. Doch ein Lkw belastet die Straße so stark wie 15.000 Pkws.

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Und dennoch führen Binnenschiff oder Bahn ein Schattendasein. Die Gründe dafür sind vielfältig und offenbaren, dass Wunsch und Wirklichkeit weit auseinanderklaffen.

Dabei loben Disponenten, Schiff und Bahn seien „gut für die große Masse an Standardtransporten“. Bekämen sie regelmäßig den Zuschlag, „würde es viel Entlastung der Umwelt und Infrastruktur bringen.“ Warum passiert dann aber nichts, obwohl doch jeder Transporteur vor der Fahrt nachweisen muss, ob er nicht wenigstens einen Teil der Strecke auf der Schiene oder dem Wasser abwickeln kann, ohne dass die Kosten deutlich steigen? So schreiben es die Verwaltungsregeln in der Straßenverkehrsordnung vor.
Doch wissen die Behörden selbst, dass diese Prüfung mangels zentraler Anlaufstellen oft nicht möglich ist. Also setzen sie entweder gleich selbst den Haken im Formular oder attestieren dem Antragssteller: „Ich gehe mal davon aus, dass Sie alternative Transporte geprüft haben“, wie es in einem exemplarischen Schriftverkehr heißt.

„Die Genehmigungen werden leider oft „zu leichtfertig und ohne vorgeschriebene Prüfung ausgestellt“, klagt Roberto Spranzi, Vorstand der DTG Deutsche Transport-Genossenschaft Binnenschifffahrt. Ähnlich äußert sich Christian Stavermann, Geschäftsführer der auf Schwerguttransporte spezialisierten Eisenbahngesellschaft Ostfriesland Oldenburg: Zwar würden Verlader sogar in ihren Ausschreibungen für normale Transporte vorschreiben, möglichst die Bahn zu nutzen. De facto aber „geht es oftmals auch beim Sondertransport nur um den Preis“. Nur die wenigsten würden Alternativen prüfen.

Scania nimmt in Belgien das Schiff – und profitiert

Branchenkenner verweisen darauf, wie es andere Länder handhaben: In den Niederlanden etwa werden die Anträge und Alternativen schnell geprüft, oftmals binnen Stunden. In Russland zahlen Schwerguttransporte auf der Straße eine Gebühr nach Gewicht und Strecke. Und in Belgien lohnt es sich, den nächsten Binnenhafen anzusteuern, anstatt bis nach Antwerpen zu fahren. Der Lkw-Hersteller Scania etwa verschifft so seine Ersatzteile nach Übersee: Der CO2-Ausstoß sinkt um fast die Hälfte, 168.000 Straßenkilometer entfallen, die Kosten sinken um zehn Prozent. „Das alles ist möglich mit der passenden Infrastruktur und dem politischen Willen“, heißt es in der Branche.

In Deutschland aber fehlt es an vielem, selbst an statistischen Daten. Beispiel Binnenschiff: Im Bundesverkehrsministerium überarbeitet derzeit eine Arbeitsgruppe den „Masterplan Binnenschifffahrt“. Er offenbart die Schwächen des Systems: Demnach existiert bis heute keine Übersicht, in welchen Häfen Schwergut überhaupt verladen werden kann und in welchem Zustand sich etwa die Kai- und Krananlagen oder die Zufahrten zum Hafen befinden, geschweige denn, welche Schiffe mit welchem Ladungsvermögen freie Kapazitäten haben. Fest steht: Die Mehrzahl der Häfen ist unzureichend ausgebaut. „Die Kosten, die hier für Transporte entstehen, sind in der Regel überproportional hoch“, heißt es in der Branche.

Barrierefreie Bahnhöfe bremsen Schwerlasttransporte aus

Dabei soll der Masterplan helfen, „die Binnenschifffahrt im Wettbewerb der Verkehrsträger“ zu stärken. Im Zentrum stehen dabei die Schwergut- und Großraumtransporte. In dem Entwurf, der dem Handelsblatt vorliegt, bietet der Bund dem Bundesverband öffentlicher Binnenhäfen nun zumindest „die einmalige Erfassung der Hafeninformationen unter Beteiligung eines externen Anbieters“ an. Eine Investitionsoffensive ist nicht vermerkt.

Bei der Bahn wird zwar deutlich mehr investiert, aber zulasten der Schwertransporte, wie Stavermann von der Auricher Eisenbahngesellschaft berichtet. Die ehemalige Logistiksparte des Windanlagenherstellers Enercon transportiert nicht nur Windradelemente, sondern inzwischen auch Trafos und Transformatoren oder Spezialprojekte. Die Schiene sei eigentlich „optimal für Schwerguttransporte“. Nun aber investiert der Bund viel Geld, um Bahnhöfe barrierefrei umzubauen. Danach seien die Gleisanlagen zu schmal für Sondertransporte, Umfahrungsgleise würden abgebaut, oder Lichtsignale engten das Gleis ein. „Dann sind teure Umleitungen notwendig, wenn es überhaupt Alternativstrecken gibt.“

Und am Zielort? „Angekommen, fehlt oftmals die Schieneninfrastruktur zur Entladestelle, sodass der Transport doch wieder auf einen Lkw umgeladen werden muss“, sagt Stavermann. Dabei seien die Netzbetreiber „ehrlich bestrebt, die Güter auch wirklich auf die Schiene zu holen, doch im Rahmen der Modernisierung von Gleisanlagen werden einfach zu viele Gleisanschlüsse und Schienenstränge abgebaut und neue Engstellen geschaffen“.

Verlader planen meist zu kurzfristig

Und dann spielt Zeit eine große Rolle. Bei der DB Netz AG würden Anfragen „nahezu händisch“ geprüft, heißt es in der Bahnbranche. In Landesbehörden ist von „in der Regel sechs Wochen Vorlaufzeit“ die Rede, bevor ein Transport starten kann. Oftmals sei in dieser Zeit bereits ein Lkw-Transport abgewickelt.

Zeit ist Geld in der Branche und der Preisdruck enorm. Mittlerweile würden Lkw-Transporte „viel zu billig angeboten“, stellt Stavermann fest. Es herrsche „ein massiver Wettbewerbsdruck“ unter den Logistikern, sodass der günstigste Lkw direkt den Zuschlag erhalte. „Da wartet keiner auf den Preis der Bahn, sondern offeriert den Preis, den man schnell vom Lkw-Spediteur bekommen hat.“

Stavermann wirbt bei seinen Kunden für Verständnis. Zwar dauere die Kalkulation bei Schienentransporten etwas länger. Danach aber könne sich der Kunde „felsenfest darauf verlassen“, dass der Transport verlässlich stattfinde. „Die Entlastung der deutschen und europäischen Straßen soll unser gemeinsam erklärtes Ziel sein, das gilt für Schwerlastlogistik genau wie für die normale Kiste Bier im Keller jedes Einzelnen zu Hause. Es ist nicht schwer.“