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Verbraucherschützer dämpfen Angst vor Datenschutz-Abmahnungen

Die Union will gegen drohende Datenschutz-Abmahnungen vorgehen. Ein „populistischer Schnellschuss“, meint die SPD. Und auch Verbraucherschützer bremsen.

Schwerwiegende Auswirkungen wurden prophezeit, bis zuletzt hielten die Warnungen vor der EU-Datenschutzgrundverordnung (DSGVO). Seit knapp zwei Wochen sind die neuen Regeln nun europaweit gültig. Was ist passiert? Die Welt steht noch. Und auch die schlimmen Befürchtungen vieler Unternehmen haben sich bislang offenbar nicht bestätigt.

Der Deutsche Industrie- und Handelskammertags (DIHK) hat zwar nach Aussage seiner Wettbewerbsrechts-Expertin Hildegard Reppelmund, schon in den ersten Werktagen nach Inkrafttreten der DSGVO Abmahnungen registriert. Es sei allerdings noch zu früh, um das Ausmaß beurteilen zu können. Das Abmahn-Risiko schätzte sie aber hoch ein.

Aus Sicht von Deutschlands oberstem Verbrauchschützer Klaus Müller besteht indes kein Grund, in Panik zu verfallen. „Im Bereich des Datenschutzes halte ich nichts davon, den Teufel an die Wand zu malen“, sagte der Chef des Verbraucherzentrale Bundesverbands (VZBV) dem Handelsblatt. „Bisher können wir keinen flächendecken Missbrauch beobachten.“

Die Union sieht dennoch Handlungsbedarf. Sie will mögliche missbräuchliche Abmahnungen mit der befristeten Aussetzung von Kosten-Erstattungen ausbremsen. „Derzeit besteht die Gefahr, dass unseriöse Kanzleien und Abmahnvereine die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) gezielt ausnutzen“, begründete die CDU-Rechtspolitikerin Elisabeth Winkelmeier-Becker den Vorstoß. Sie verwies darauf, dass bei kleinen und mittleren Unternehmen ungewollte Regelverstöße bei der Umstellung auf den neuen Datenschutz nicht auszuschließen seien, was manche Rechtsanwälte ausnutzen könnten.

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Mit der seit dem 25. Mai in der gesamten EU gültigen DSGVO werden auch in Deutschland die Regeln verschärft. Für Unternehmen heißt das, sie müssen etwa Kundenportale im Internet umgestalten. Tun sie dies nicht, kann ein Anwalt die Firma abmahnen und dafür auch Gebühren in Rechnung stellen.

Hier will Winkelmeier-Becker ansetzen. Durch eine kurzfristige gesetzliche Regelung könne die Kostenerstattung für Abmahnungen für Verstöße gegen die DSGVO etwa ein Jahr lang ausgeschlossen werden. „Dadurch entfällt der wirtschaftliche Anreiz für Abmahnvereine und -kanzleien.“

Wie Winkelmeier-Becker ist auch VZBV-Chef Müller der Ansicht, dass das Risiko, ins Visier von Abmahnanwälten zu geraten, nicht ausgeschlossen werden könne. „Allerdings ist juristisch umstritten, ob solche Abmahnungen im Datenschutz zulässig sind“, fügte er hinzu. In jedem Fall sei nicht, wie von der Union behauptet, die Datenschutzgrundverordnung das Problem, sondern vielmehr das Wettbewerbsrecht. Die Politik wäre daher gut beraten, „dem Abmahnunwesen, das wir vor allem im urheberrechtlichen Bereich beobachten, einen Riegel vorzuschieben“.

Laut Müller belasten Wettbewerber ihre Konkurrenten mit teilweise sehr hohen Kosten für die mit der Abmahnung beauftragten Anwälte. „Falls wir tatsächlich eine Flut von Abmahnungen durch Abmahnanwälte erleben, muss die Bundesregierung handeln“, sagte der VZBV-Chef. „Ein Ansatz wäre etwa die Deckelung der Abmahngebühren.“

In diese Richtung tendiert auch die SPD, die „Abmahnabzockern umfassend das Handwerk legen“ will, wie Saskia Esken, zuständige Berichterstatterin der Arbeitsgruppe Inneres und Jens Zimmermann, Sprecher der Arbeitsgruppe Digitale Agenda, erklärten. „Wir werden wie im Koalitionsvertrag vereinbart an einer sachgerechten Lösung arbeiten.“

Im Koalitionsvertrag hatten sich Union und SPD darauf verständigt, gegen Abmahnmissbrauch vorzugehen. „Wir wollen den Missbrauch des bewährten Abmahnrechts verhindern, zum Beispiel durch die Einschränkung des fliegenden Gerichtsstandes, und so kleine und mittlere Unternehmen sowie Verbraucherinnen und Verbraucher schützen“, heißt es in dem entsprechenden Passus.

Federführend bei dem Thema ist Bundesjustizministerin Katarina Barley. Man werde sich „dieses Auftrags aus dem Koalitionsvertrag annehmen“, sagte kürzlich ein Ministeriumssprecher dem Handelsblatt

Die SPD will mit einer „grundlegenden Regelung“ Abmahnungen als Geschäftsmodell unterbinden, wie Esken und Zimmermann sagten. Den Vorstoß der Union wiesen sie als „populistischen Schnellschuss“ zurück. Das sei der Versuch, „mit einer Placebo-Lösung auf der Welle der Berichterstattung zur Datenschutzgrundverordnung mitzureiten“. Die SPD wolle dagegen eine Lösung, von der auch kleine Online-Shops oder Privatpersonen profitierten, die wegen Urheberrechtsverletzungen abgemahnt werden. „Hierzu gehört, dass die Abmahnungs- und Gerichtsgebühren gedeckelt und der fliegende Gerichtsstand abgeschafft werden.“

Kritik am Unions-Vorstoß kam auch von den Grünen. „Mit der alleinigen Aussetzung von Abmahnungen für kurze Zeit werden keine nachhaltigen Lösungen auf den Weg gebracht“, sagte die Verbraucherschutzpolitikerin Tabea Rößner dem Handelsblatt. „Gerade solche differenzierten Ansätze braucht es aber angesichts diverser Probleme durch eine weiterhin bestehende Abmahnindustrie - und die werden wir auch wohl überlegt im Parlament einbringen.“

Die Union will, wie Winkelmeier-Becker der „Welt“ sagte, noch vor Beginn der Sommerpause eine Gesetzesänderung vorschlagen. Demnach soll dafür das gerade laufende Gesetzgebungsverfahren zur Einführung einer Musterfeststellungsklage für Verbraucher genutzt und um eine entsprechende Passage ergänzt werden.
„Da der Gesetzentwurf schon am 6. Juli im Bundesrat verabschiedet wird, könnte nach der Ausfertigung des Gesetzes durch den Bundespräsidenten die Aussetzung der Abmahngebühren noch im Juli in Kraft treten“, sagte Winkelmeier-Becker.

Auf eine schnelle Regelung setzt auch die Wirtschaft, um insbesondere kleine Betriebe vor den Risiken missbräuchlicher Abmahnungen zu schützen. „Tag für Tag droht Handwerksbetrieben die Gefahr missbräuchlicher Abmahnungen wegen geringfügiger Formverstöße“, sagte der Generalsekretär des Zentralverbands des Deutschen Handwerks, Holger Schwannecke.

Die Pläne der Union seien zwar „ein wichtiger und richtiger erster Schritt, der temporär Zeit verschafft“, so Schwannecke. Sie griffen letztlich aber zu kurz. „Notwendig ist eine generelle und umfassende Lösung zum Thema Abmahnungen“, betonte er. Zu beachten sei hierbei, dass Datenschutz mit wettbewerbsrechtlichen Tatbeständen nichts zu tun habe und daher auch kein Abmahngrund sein könne.