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Unternehmer enttäuscht vom Klimapaket: „Nicht mutig genug“

Nach Vorlage des Klimapakets zeigen sich viele Unternehmen enttäuscht. Ihnen gehen die Pläne der Bundesregierung nicht weit genug. Manche fordern gar einen Regierungswechsel.

Das Klimakabinett hat sich auf umfassende Maßnahmen geeinigt. Die Wirtschaft ist nicht zufrieden. Foto: dpa
Das Klimakabinett hat sich auf umfassende Maßnahmen geeinigt. Die Wirtschaft ist nicht zufrieden. Foto: dpa

Für Thomas Jorberg, den Vorstandssprecher der GLS Bank, war der Termin gesetzt. Im grünen Pullover erschien der Manager der Genossenschaftsbank an diesem Freitag bei den Protesten von „Fridays for Future“ in Bochum, um dort für mehr Engagement beim Klimaschutz zu demonstrieren.

Gut 500 Kilometer entfernt in Berlin tagte zu diesem Zeitpunkt das Klimakabinett, das ebenfalls am Freitag erste Eckpunkte für einen Klimaschutzplan präsentiert hat. Doch was dabei herauskam, ist für Thomas Jorberg alles andere als ein Grund zum Feiern. „Die Bundesregierung hat ein Klimapaket vorgestellt, das nicht ansatzweise dem 1,5-Grad-Ziel dienen wird“, klagt der Bankchef.

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Mit einem festen Preis für den Ausstoß von CO2, höheren Benzinpreisen und einem Verbot neuer Ölheizungen ab 2026 will die Große Koalition aus CDU/CSU und SPD dafür sorgen, dass Deutschland die im Pariser Abkommen vereinbarten Klimaziele einhält. Gleichzeitig sollen Steuern beispielsweise für Kraftfahrzeuge künftig stärker an den Emissionswerten ausgerichtet werden als bisher.

Doch vielen Unternehmen gehen die Pläne nicht weit genug. So erklärte Eon-Vorstandschef Johannes Teyssen, die beschlossenen Eckpunkte gingen „in die richtige Richtung“, seien aber „nicht mutig und konsequent genug“.

Dabei stört sich der Energiemanager vor allem am niedrigen Einstiegspreis für CO2: „Es ist zwar gut, dass CO2 nun auch in den Bereichen Verkehr und Wärme einen Preis bekommen soll, aber Beträge unter 35 Euro führen zu keiner echten Lenkungswirkung.“

Ähnlich sieht das Jorberg von der GLS Bank. „Der CO2-Preis ist mit einem Anfangspreis von zehn Euro je Tonne viel zu niedrig.“ Zudem werde das geplante Handelssystem für CO2, das sich am europäischen Emissionsrechtehandel orientiert, frühestens in zwei Jahren einsatzbereit sein – also nach Jorbergs Meinung deutlich zu spät.

Das bringt den Manager zu einer radikalen Schlussfolgerung. „Wenn angesichts der fortschreitenden Klimakatastrophe trotz klarer Forderung aus Wissenschaft, Zivilgesellschaft, der jungen Generation und der Wirtschaft nach einer raschen, klaren CO2-Bepreisung von mindestens 40 Euro pro Tonne nur ein solches Klimapaket möglich ist“, so Jorberg, „dann brauchen wir eine veränderte politische Führung.“

Tatsächlich liegt der angesetzte Preis deutlich unter dem, was viele Großemittenten aus der Industrie im Rahmen des europäischen Emissionsrechtehandels („ETS“) bereits heute für den Ausstoß einer Tonne CO2 bezahlen müssen – das sind derzeit rund 25 Euro. Davon umfasst sind derzeit vor allem Stahl- und Zementhersteller, Chemiefirmen, die Glasindustrie oder Papierproduzenten, für die daher nur geringe Auswirkungen durch die CO2-Bepreisung erwartet werden.

Dennoch rechnet der Chemiekonzern Evonik mit steigenden Ausgaben infolge des Klimapakets. „Wir gehen davon aus, dass sie unter dem Strich eine deutliche Kostenbelastung für unsere Industrie mit sich bringen werden“, sagte ein Sprecher. „Umso wichtiger ist es, dass im Interesse der Wettbewerbsfähigkeit auch konkrete Entlastungen beschlossen werden.“ Für einen guten Ansatz hält der Konzern die Senkung der EEG-Umlage ab 2021.

Viele Unternehmen rechnen mit einem deutlich steigenden Strombedarf infolge des Umstiegs auf klimafreundliche Technologien, beispielsweise durch die E-Mobilität. Eon-Chef Teyssen forderte daher gleich eine vollständige Streichung der EEG-Umlage sowie eine Absenkung der Stromsteuer auf den europäischen Mindestsatz. „Sauberer Strom muss schnell deutlich billiger werden, damit sich grün erzeugte Energie in allen Sektoren besser durchsetzen kann“, so der Vorstandschef.

Ziel der Bundesregierung ist es, ab 2025 auch die Sektoren Verkehr und Gebäude am ETS-Handel zu beteiligen. Bis dahin soll der Preis schrittweise von anfangs zehn auf 35 Euro steigen. Dadurch dürften einerseits die Heizkosten, andererseits auch die Benzinpreise für viele Verbraucher steigen – so sollen Diesel und Benzin ab 2021 um etwa drei Cent teurer werden, ab 2026 um neun bis 15 Cent je Liter.

Der Chef und Gründer des Preisvergleichsportals Idealo, Albrecht von Sonntag, hält das für absolut unzureichend. „Die Erhöhung der Benzinpreise bewegt sich im Rahmen der alltäglichen Schwankungen – was ist das denn für ein Signal?“

Lob von Volkswagen, Kritik von Lufthansa

Während viele Klimaaktivisten diese Steigerung als viel zu gering ansehen, lobt VW-Chef Herbert Diess die Regierung für ihr „behutsames“ Vorgehen in der Frage. „Uns bei Volkswagen ist wichtig, dass beim Klimaschutz die Geringverdiener, Berufspendler und Kleingewerbetreibenden nicht aus dem Blick geraten.“ Deshalb sei der moderate Preisanstieg richtig.

Auch Christian Berner, CEO des C-Teile-Handelsunternehmens Berner Group, mahnt zur Vorsicht. „Klimaschutz gibt es nicht zum Nulltarif. Wir alle werden unseren Beitrag leisten müssen“, betont er. Wichtig sei jedoch, die richtige Balance zu finden aus ökologischer Verantwortung und ökonomischer Vernunft. In NRW habe Armin Laschet mit seinem Eintreten für den Kompromiss zum Braunkohleausstieg ein gutes Beispiel geben, wie es gelingen kann. „Wir brauchen mehr von diesem Umdenken, um eine Aufbruchstimmung in Deutschland zu erzeugen.“

Dabei gehört Berner wie auch VW-Chef Diess zu den wenigen Managern, die vor allem Lob für das Klimapaket übrig haben. Im Fall von Diess passt das auch gut in die eigene Strategie: Der VW-Konzern will künftig deutlich mehr Elektrofahrzeuge herstellen und verkaufen als bisher – da dürfte es zupass kommen, dass die Koalition die emissionsarmen Fahrzeuge bis 2025 von der Kfz-Steuer ausnehmen und die Kaufprämie für Elektroautos erhöhen will.

„Die Beschlüsse bestätigen die Strategie von Volkswagen: Wir brauchen den Systemwechsel zur Elektromobilität“, sagte Diess. Autos würden somit künftig leiser, sicherer und sauberer – doch dafür brauche es auch ausreichend Ladeinfrastruktur. „Beim Ausbau der Ladesäulen beinhaltet das Klimapaket wichtige Beschlüsse“, so der Automanager.

Doch gerade hier sehen manche Unternehmer ein Problem. So kritisierte etwa Carl-Martin Welcker, Präsident des Verbands deutscher Maschinen- und Anlagenbauer sowie Chef des Kölner Werkzeugmaschinenherstellers Alfred Schütte, dass das Klimapaket „immer noch aus einer Fülle von Subventionen, beispielsweise für batteriegetriebene Fahrzeuge“ bestehe. „Das birgt die große Gefahr, dass Gelder ineffizient eingesetzt werden.“

Vor allem Mittelständler fürchten, dass das Klimapaket ihr Geschäft deutlich verkomplizieren könnte. So kritisiert etwa Michael Huber, der Generalbevollmächtigte der Veltins-Brauerei: „Es ist ein erwartbares Polit-Szenario auf den Weg gebracht worden – mit wenig Kurzfrist-Schmerz, aber versteckten Risiken für alle Marktteilnehmer.“

Mehrbelastungen der Unternehmen rückten angesichts der Zugeständnisse an den Wähler erst einmal in den Hintergrund, so Huber. „Es bleibt unwägbar, welche Signale die Groko für die so wichtige Investitions- und Konsumneigung in unserem Land gegeben hat.“ Das sieht auch VDMA-Präsident Welcker so: „Die große Koalition sendet ein unklares Signal für Investitionen in den Klimaschutz.“

Anders sieht das die Lufthansa, die sich vor allem an der geplanten Verteuerung von Flugreisen stört. „Eine deutliche Erhöhung der Luftverkehrssteuer schadet dem Luftfahrtstandort Deutschland und schwächt die Wettbewerbsposition der deutschen Airlines im Vergleich zur internationalen Konkurrenz“, erklärte ein Sprecher des Unternehmens. Das gehe zulasten von Zukunftsinvestitionen im deutschen Luftverkehr.

Regelrecht begeistert ist dagegen die Bahn. Sie erwartet den größten Wachstumsschub aller Zeiten. Bis 2030 werde der Konzern 20 Milliarden Euro zusätzlich bekommen, sagte Konzernchef Richard Lutz am Sonntag. „Wir spielen nun voll auf Angriff und Ausbau.“

Elf Milliarden Euro sollen davon allein als Zuschuss in das Eigenkapital des finanziell angeschlagenen Staatsunternehmens fließen. Die Mehrwertsteuersenkung für Tickets in ICE und IC soll an die Kunden weitergegeben werden, sodass die Fahrkarten um zehn Prozent billiger würden. Auch Bahncards könnten eventuell davon profitieren, sobald die Steuersenkung in Kraft trete. Die Preise im Fernverkehr würden im Dezember nicht steigen, sagte Lutz.

Mehr: Das sind die Maßnahmen, die das Klimakabinett an diesem Freitag beschlossen hat.