Werbung
Deutsche Märkte geschlossen
  • DAX

    18.772,85
    +86,25 (+0,46%)
     
  • Euro Stoxx 50

    5.085,08
    +30,67 (+0,61%)
     
  • Dow Jones 30

    39.512,84
    +125,08 (+0,32%)
     
  • Gold

    2.366,90
    +26,60 (+1,14%)
     
  • EUR/USD

    1,0772
    -0,0012 (-0,11%)
     
  • Bitcoin EUR

    56.488,69
    -1.838,30 (-3,15%)
     
  • CMC Crypto 200

    1.260,04
    -97,97 (-7,21%)
     
  • Öl (Brent)

    78,20
    -1,06 (-1,34%)
     
  • MDAX

    26.743,87
    +34,97 (+0,13%)
     
  • TecDAX

    3.404,04
    +19,74 (+0,58%)
     
  • SDAX

    14.837,44
    +55,61 (+0,38%)
     
  • Nikkei 225

    38.229,11
    +155,13 (+0,41%)
     
  • FTSE 100

    8.433,76
    +52,41 (+0,63%)
     
  • CAC 40

    8.219,14
    +31,49 (+0,38%)
     
  • Nasdaq Compositive

    16.340,87
    -5,40 (-0,03%)
     

Umweltrat startet mit großer Bürde in neue Amtszeit

Der Vorwurf aus Union und FDP ist nicht ausgeräumt: Das Beratungsgremium verhalte sich mehr politisch als wissenschaftlich. Umstritten bleibt der Vorschlag für einen Rat für Generationengerechtigkeit.

Die Klimabewegung Fridays for Future demonstriert auch während der Coronakrise für mehr Klimaschutz Foto: dpa
Die Klimabewegung Fridays for Future demonstriert auch während der Coronakrise für mehr Klimaschutz Foto: dpa

Der Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) startet an diesem Mittwoch mit großer Bürde in seine neue Ratsperiode. Der Vorwurf aus Union und FDP, das Beratungsgremium der Bundesregierung agiere eher politisch als wissenschaftlich, ist nicht vom Tisch.

Jenseits naturwissenschaftlicher Fakten brauche wissenschaftliche Politikberatung die Vielfalt der Perspektiven und müsse Handlungsoptionen mit ihren Vor- und Nachteilen aufzeigen, sagte Lukas Köhler, klimapolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, dem Handelsblatt. „Der SRU dagegen verfasst Handlungsanweisungen und betreibt stellenweise politischen Aktivismus unter dem Deckmantel der Wissenschaft.“

WERBUNG

Georg Nüßlein, Vizechef der Unionsfraktion im Bundestag, hatte sich im Mai in einem Brief an Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) besorgt über die Politisierung im Rat und den Umgang mit Minderheitenmeinungen geäußert.

In ihrem Antwortschreiben vom 26. Juni erklärt die Ministerin, Nüßleins Aussage „der SRU blende abweichende Auffassungen von Ratsmitgliedern bewusst aus und das BMU sanktioniere diese gar durch Nichtberufung, entbehrt jeder sachlichen Grundlage“. Seine Sorge sei unbegründet, so Schulze in dem Brief, der dem Handelsblatt vorliegt. Der SRU-Einrichtungserlass sehe ausdrücklich die Möglichkeit vor, abweichende Auffassungen im jeweiligen Gutachten zum Ausdruck zu bringen. Diese Regelung sei vom SRU in den betreffenden Fällen auch angewandt worden.

Auseinandersetzungen im Rat

Die zurückliegenden Auseinandersetzungen im Rat scheint die Ministerin indes auszublenden. So hatte Ex-Ratsmitglied Lamia Messari-Becker, eine Bauingenieurin, in der vergangenen Ratsperiode zwar mehrfach eine Minderheitenmeinung vertreten – doch vor allem der Umgang damit hatte die Atmosphäre im Rat erheblich belastet. Ein Beispiel war das im Juni 2019 vorgestellte Sondergutachten zur Legitimation von Umweltpolitik.

Lediglich in der Langfassung war die abweichende Meinung dokumentiert worden, nicht aber in der Kurzfassung. Zudem gab es Ärger über die Frage, ob Messari-Becker auf einer Fachtagung als „Mitglied im Sachverständigenrat für Umweltfragen“ bezeichnet werden durfte. In dieser Frage ist sogar eine Klage beim Verwaltungsgericht anhängig.

Die neue Periode läuft bis Mitte 2024. Vier Mitglieder wurden neu berufen, drei schließen eine weitere Amtszeit an: die bisherige Vorsitzende Claudia Hornberg (Uni Bielefeld), Claudia Kemfert (Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung) und Wolfgang Lucht (Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung).

Umstrittener Rat für Generationengerechtigkeit

Seltsam mutet die letzte Stellungnahme des SRU vor wenigen Tagen an, indem die Position zu dem von ihm vorgeschlagenen „Rat für Generationengerechtigkeit“ verteidigt wird. Dieser schränke die Entscheidungsfreiheit des Bundestages und der gewählten Abgeordneten in keiner Weise ein, heißt es in der dreiseitigen Stellungnahme.

Das Gremium solle zwar als letztes Mittel und unter strengen Voraussetzungen über ein aufschiebbares Vetorecht im Hinblick auf das Gesetzgebungsverfahren verfügen. Damit solle jedoch nur erreicht werden, dass sich die politischen Akteure am Maßstab der eigenen Nachhaltigkeitsstrategie inhaltlich mit den Langfristfolgen der anstehenden Entscheidung auseinandersetzten. Nach Ablauf der Frist – der SRU schlägt drei Monate vor – könne das Gesetzgebungsverfahren fortgesetzt werden, ohne dass die Abgeordneten in irgendeiner Weise an die Empfehlungen des Rates für Generationengerechtigkeit gebunden wären, heißt es.

„Die vorgebrachten Argumente überzeugen mich nicht“, sagte Nüßlein dem Handelsblatt. Der SRU schreibe selbst in seinem Sondergutachten im Juni 2019, dass ‚bereits die Androhung eines Vetos im laufenden Gesetzgebungsverfahren (…) regelmäßig zu Änderungen des Gesetzesvorhabens führen (…)‘ werde. „Es geht also um weit mehr als um einen zahnlosen Tiger, wie das jetzt dargestellt wird.“

Ihn störe vor allem die mehr oder weniger offen geäußerte Annahme, die Politik sei ohne externe Expertenhinweise nicht in der Lage, nachhaltige Beschlüsse zu fällen. Genau das jedoch sei parlamentarisches Kerngeschäft: „Als Politiker müssen wir Tag für Tag zwischen verschiedenen Interessen abwägen und dann möglichst ausgewogen entscheiden.“

Alternativvorschlag der FDP

Die Erfahrungen mit der Kohlekommission hätten ihn zudem gelehrt, dass politische Beratung durch Expertengremien gern als Übertragung der Entscheidungskompetenz missverstanden werde. Expertenvorschläge sollen dann von der Politik auf Punkt und Komma umgesetzt werden. Ein Irrtum, so Nüßlein: Politische Entscheidungen seien von denjenigen zu fällen und zu verantworten, die in demokratischen Wahlen dazu legitimiert wurden.“

Auch FDP-Politiker Lukas Köhler ist skeptisch: „Der Stimme nachfolgender Generationen in der Politik mehr Gewicht zu verleihen, ist grundsätzlich sinnvoll“, sagte er. Um zwangsläufige Interessenskonflikte zu vermeiden, dürfe ein Vertreter für kommende Generationen jedoch nur für diese und nicht parallel auch noch für andere Institutionen sprechen. Ein Rat, dessen Mitglieder hauptberuflich einer anderen Tätigkeit nachgingen, liefe Gefahr, zur Durchsetzung gegenwärtiger politischer Interessen missbraucht zu werden.

Köhler schlägt ein anderes Modell vor. „Statt einen aufgeblähten Rat mit unverhältnismäßigen Eingriffsrechten im demokratischen Prozess einzuführen, kann ich mir zum Beispiel eine hauptberufliche Ombudsperson für kommende Generationen vorstellen, die analog zum Wehrbeauftragten beim Bundestag angesiedelt ist und immer dann angehört wird, wenn die Folgen politischer Entscheidungen weit in die Zukunft reichen.“