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Umbau von Thyssen-Krupp alarmiert die Belegschaft

Mit der neuen Stahlstrategie legt der Vorstand den Grundstein für die Zukunft des Ruhrkonzerns. Doch mit den Arbeitnehmern gibt es vorher noch viel zu klären.

Mitarbeiter der Aufzugssparte protestierten mit rotem Rauch aus bengalischen Feuern. Der angeschlagene Industriekonzern will die profitable Sparte ganz oder teilweise verkaufen oder an die Börse bringen. Foto: dpa
Mitarbeiter der Aufzugssparte protestierten mit rotem Rauch aus bengalischen Feuern. Der angeschlagene Industriekonzern will die profitable Sparte ganz oder teilweise verkaufen oder an die Börse bringen. Foto: dpa

Mit Fahnen und Trompeten sind Tausende Mitarbeiter der Aufzugsparte von Thyssen-Krupp am Mittwoch zur Konzernzentrale nach Essen gereist. Über Stunden präsentierte sich der gläserne Campus des Ruhrkonzerns in tiefroten Farben – nicht zuletzt wegen der roten Rauchfackeln, die einige der Angereisten angezündet hatten, um deutlich zu machen, woher der Wind für den jüngsten Protest in dem leidgeplagten Konzern weht.

„Kein TK-Exit“, steht auf einem Schild. „Merz, zeig’ Herz“ auf einem anderen. Martina Merz ist seit bald zwei Monaten Interimschefin des Mischkonzerns – an ihr hängt die weitere Entwicklung der Thyssen-Krupp AG.

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Und um die bangt die Gewerkschaft IG Metall, die die Belegschaft zu der Kundgebung aufgerufen hatte. Das Unternehmen befindet sich im Umbau: Im Kern geht es darum, Thyssen-Krupp aus seiner selbst verschuldeten Finanzkrise herauszuholen und endlich stabil aufzustellen. Viele Geschäfte laufen schlecht, die Finanzdecke ist hauchdünn. Thyssen-Krupp ist der Krisenfall der deutschen Industrie.

Merz hat den Auftrag, die Firma neu aufzustellen. Wie das aber gelingen soll, dazu hat sie bislang keinen konkreten Plan vorgelegt. Sie setzt eher auf eine Strategie der kleinen Schritte. Letztlich aber wird das Aufzuggeschäft teilweise oder komplett verkauft. Dann folgen die meisten Töchter der Komponenten- sowie der Anlagenbausparte.

Letztlich wird der Traditionskonzern auf das zurückgefahren, was er in seiner über 200-jährigen Geschichte nie sein wollte: ein reiner Stahlkonzern. Nach dem Verkauf der anderen Sparten verbleibt nämlich unter dem Dach des Konzerns kaum mehr als das sogenannte Werkstoffgeschäft, also der Materialhandel und die Stahlproduktion.

Wie aber schon bei der großen Konzernstrategie lieferte der Vorstand bisher auch für die Stahlsparte kaum Details zum geplanten Umbau. Immerhin gewährte der Spartenvorstand nun einen kleinen Einblick darin, was mit den Hütten geschehen soll. Am Mittwoch informierte er die Belegschaft über seine Pläne. „Endlich“, wie ein IG Metaller sagte.

Konzern hat an Boden verloren

Organisatorisch will der Vorstand den Stahlbereich in zwei Einheiten aufteilen und näher an den Handel anbinden. So soll die Erzeugung von Rohstahl organisatorisch von der Weiterverarbeitung des Stahls getrennt werden. Dabei können künftig einzelne Anlagen hinzukommen, aber dafür andere auch stillgelegt werden. Mit dem Umbau soll das operative Jahresergebnis um 600 Millionen Euro verbessert werden.

Von der Neugruppierung verspricht sich der Konzern einen besseren Zugang zu Kunden. Insbesondere die Abnehmer aus der Automobilindustrie wolle Thyssen-Krupp besser adressieren, wie es in einem Brief an die Belegschaft heißt, der dem Handelsblatt vorliegt.

In den vergangenen Jahren hatte das Unternehmen vor allem gegenüber Arcelor-Mittal an Boden verloren, weil Europas Marktführer bessere Qualitäten liefern konnte. Thyssen-Krupp hatte zudem laut Branchenkreisen oftmals Lieferprobleme. Für die Autobauer ein Gräuel.

Dieser Rückstand kommt nicht von ungefähr. Thyssen-Krupp hat mangels Finanzkraft über Jahre hinweg zu wenig Geld in die Stahlaktivitäten investiert. Knapp gehalten wurde dabei selbst das Stammwerk in Duisburg, wo am Dienstag rund 6000 Arbeiter für die Zukunft ihrer Arbeitsplätze protestiert hatten. Es war die zweite Großkundgebung innerhalb weniger Tage.


Unternehmen im Ausnahmezustand

Mit seiner Strategie will der Vorstand den Rückstand aufholen. Laut Vorstand Klaus Keysberg will Thyssen-Krupp in den kommenden Jahren in die Hüttensparte investieren: „Die regelmäßigen Investitionen in Höhe von 570 Millionen Euro jährlich stehen nicht infrage“, heißt es in dem Brief weiter.

Der seit Oktober für das Stahlgeschäft zuständige Manager weiß aber, dass diese Beträge nicht ausreichen werden. Die Hütten brauchen mehr Geld, um im Wettbewerb zu bestehen. Die Umsetzung der Strategie erfordere aber „hohe zusätzliche Investitionen“, erklärte Keysberg daher. Konkrete Zusagen machten weder er noch Konzernchefin Merz.

Mit der Ankündigung bewegt sich die Führung immerhin auf die Gewerkschaften zu, deren Zustimmung sie für den Umbau zwingend braucht. Die IG Metall hatte ein Investitionspaket über 1,5 Milliarden Euro als Sofortmaßnahme gefordert. Dabei gilt das Investitionskonzept als Bedingung dafür, überhaupt über die vom Vorstand angestrebten Stellenstreichungen zu verhandeln.

Bislang will das Unternehmen rund 1200 Stellen quer durch Verwaltung, Produktion und Hütten abbauen. Laut Konzernkreisen sind weitere Einschnitte beim Personal geplant. Zahlen nannte Thyssen-Krupp dazu nicht. Die betroffenen Arbeitsplätze sollen verlagert oder sozial verträglich abgebaut werden.

Noch steht der Plan unter Vorbehalt der Zustimmung von Arbeitnehmern und Konzernvertretern im Aufsichtsrat der Stahlsparte. Die Arbeitnehmer hatten einen Tarifvertrag und eine Wachstumsstrategie zur Bedingung für eine etwaige Zustimmung zu den Umbauplänen gemacht.

Umbau hält Härten für die Belegschaft bereit

Mit dem Plan, den Stahlabsatz von zuletzt elf auf 11,5 Millionen Tonnen zu steigern, kommt das Management der IG Metall entgegen. Das sei eine Wachstumsstrategie, sagte ein Manager dem Handelsblatt.

Allerdings ist diese Strategie eher ein Vorschlag an die Gewerkschaften, die bereits seit Monaten eine Erneuerung des Stahlgeschäfts fordern. Beide Seiten wollen nun über den Vorschlag des Managements verhandeln.

Einfach wird es nicht, denn der Umbau hält einige Härten für die Belegschaft bereit. Schwere Zeiten erwarten die Stahlkocher vor allem an den Standorten in Duisburg-Hüttenheim und Gelsenkirchen. Hier sieht das Management den größten Handlungsbedarf – und lässt verschiedene Szenarien entwickeln, in denen die dort angesiedelten Geschäftsbereiche (Electrical Steel und Grobblech) entweder saniert, verkauft oder geschlossen werden.

Die Aussichten vor allem für das Grobblech-Geschäft sind dabei schlecht: Hier gestalte sich „eine Weiterführung allein im Konzernverbund als deutlich unrealistischer“ als bei Elektrostahl. Der Bereich braucht also einen Käufer – oder steht vor dem Aus.

Vertreter aus dem Topmanagement favorisieren Letzteres: „Der Bereich müsste bei den Zahlen und dem Überhang von Grobblech am Markt eigentlich dichtgemacht werden“, sagte ein hochrangiger Manager.

Um im Stahl zur Spitze aufzuschließen, muss Thyssen-Krupp die Aufzugsparte verkaufen. Mindestens sechs Investorengruppen haben Interesse an dem Geschäft angekündigt. Der Erlös soll bei rund 15 Milliarden Euro liegen. Die Entscheidung will der Vorstand Anfang 2020 fällen. Dann soll auch die Vereinbarung mit der IG Metall über die Zukunft der Stahlsparte stehen.