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Uhren-Ikone A. Lange & Söhne öffnet sich dem E-Commerce

Die Marke aus Glashütte startet einen Onlineshop. Firmenchef Wilhelm Schmid spricht über Luxus in Krisenzeiten und warnt vor weiteren Corona-Einschränkungen.

Die Firma gilt als prestigeträchtigste und teuerste Uhrenmarke Deutschlands. Foto: dpa
Die Firma gilt als prestigeträchtigste und teuerste Uhrenmarke Deutschlands. Foto: dpa

Die prestigeträchtigste deutsche Uhrenmarke, A. Lange & Söhne, will noch in diesem Jahr einen eigenen Online-Shop starten. „Einige unserer Partner haben bereits mit Online-Verkäufen experimentiert. Wir selbst wollen unseren Kunden im Laufe des Jahres mit einem eigenen digitalen Shop entgegenkommen“, kündigte Firmenchef Wilhelm Schmid im Interview mit dem Handelsblatt an.

Man müsse sich „davon verabschieden, das physische und das digitale Business getrennt voneinander zu betrachten“, so Schmid weiter. „Es sind letztlich nur noch verschiedene Möglichkeiten, die wir unseren Kunden offerieren, um mit uns in Kontakt zu kommen.“

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Schmid räumte ein, dass sein Unternehmen das Thema E-Commerce bislang eher skeptisch gesehen habe, „weil unsere Kunden diesen Vertriebsweg nicht sonderlich geschätzt haben. Denen war der Besuch in unseren Boutiquen oder bei einem unserer Partner eben doch sehr wichtig.“ Das habe sich während der Coronakrise aber „mit erstaunlicher Geschwindigkeit“ geändert. „Wo früher das Interieur eines Juwelierladens oder die Expertise des Fachmanns wichtig war, ist es jetzt der Empfang in unserem Callcenter.“

Auch mit telefonischen Beratungen und Verkäufen wolle sich A. Lange & Söhne deshalb künftig stärker auseinandersetzen. E-Commerce sei zudem „nicht länger eine Alters- oder Nationalitätenfrage. Den Leuten fehlt einfach der physische Kontakt zu uns. Also ist man bereit, da Abstriche zu machen, was das direkte Erlebnis angeht.“

Wilhelm Schmid führt die zum Schweizer Richemont-Konzern gehörende Uhrenmarke seit zehn Jahren als CEO. In dieser Zeit hat er nicht nur die Manufaktur am Firmensitz in Glashütte ausgebaut, sondern auch die Zahl der eigenen Shops weltweit drastisch erhöht – von zwei auf nunmehr 37.

Lesen Sie hier das gesamte Interview:

Herr Schmid, wie geht es der internationalen Luxusgüterindustrie aktuell?
Das ist unglaublich schwer zu sagen. Einerseits verändern sich die Rahmenbedingungen für uns alle gerade in einem wahnsinnigen Tempo. Märkte machen schneller auf und zu, als das irgendwer planen kann. Wo die Shops gerade noch geöffnet waren, ist in der nächsten Minute schon wieder ein Lockdown angekündigt. Und es macht natürlich auch einen Unterschied, ob man Champagner verkauft, Mode oder wie wir Uhren für teilweise sechsstellige Summen.

Trifft es in Ihrer eigenen Branche alle Firmen gleichermaßen?
Ich denke, dass starke Marken wie unsere noch die besten Chancen haben, auch stark aus dieser Krise herauszukommen. Andere, weniger authentische, eher opportunistisch agierende Marken könnten an den jetzigen Herausforderungen auch zugrunde gehen. Die Menschen suchen nach Echtheit, Wahrheit, Glaubwürdigkeit. Das bekommen einige Uhrenfirmen gerade bitter zu spüren.

Die Exporte der Schweizer Uhrenindustrie brachen auf dem ersten Lockdown-Höhepunkt im April um drastische 81 Prozent ein. Gibt’s schon Zahlen für das Gesamtjahr?
Bislang nicht. Es kam ja im Sommer dann auch viel zurück an Interesse und Umsatz. Wir selbst nutzten die Zeit nach dem auch für uns schmerzhaften Lockdown, um die nächsten Schritte zu starten oder vorzubereiten: vom Verkauf via Telefon bis zur Frage des Onlinevertriebs.

Bislang war A. Lange & Söhne wie viele andere Uhrenmarken kein Freund von E-Commerce…
… weil diesen Vertriebsweg unsere Kunden nicht sonderlich geschätzt haben. Denen war der Besuch in unseren Boutiquen oder bei einem unserer Partner eben doch sehr wichtig: die Beratung, der Austausch, der Espresso oder das Glas Champagner dort…

Das ändert sich durch Corona?
Mit erstaunlicher Geschwindigkeit, ja. Wo früher das Interieur eines Juwelierladens oder die Expertise des Fachmanns wichtig war, ist es jetzt der Empfang in unserem Callcenter. Entsprechend erwarten unsere Kunden auch da eine andere, persönlichere Ansprache. Damit müssen wir uns auseinandersetzen.

Die Zahl der eigenen Boutiquen haben Sie in Ihrer nunmehr zehnjährigen Amtszeit von zwei auf 37 erhöht. Zu den letzten Neueröffnungen gehören Dependancen in Riad, Seoul und Dubai. Ist nicht gerade dieser stationäre Handel nun Ihr Sorgenkind?
Bei der ersten Lockdown-Welle war das so, bei der zweiten dann nicht mehr so sehr. Wir müssen uns eh davon verabschieden, das physische und das digitale Business getrennt voneinander zu betrachten. Es sind letztlich nur noch verschiedene Möglichkeiten, die wir unseren Kunden offerieren, um mit uns in Kontakt zu kommen.

Ist ein 30-jähriger Millionär aus Singapur oder Schanghai eher bereit, eine Ihrer teuren Uhren einfach mal im Netz zu bestellen als ein deutscher Familienunternehmer?
Ich denke, dass das nicht länger eine Alters- oder Nationalitätenfrage ist. Den Leuten fehlt einfach der physische Kontakt zu uns. Das ist in New York genauso wie in Schanghai oder Dresden. Also ist man bereit, da Abstriche zu machen, was das direkte Erlebnis angeht.

2020 haben Sie bereits acht neue Uhrenmodelle digital präsentiert. Was haben Sie im E-Commerce konkret vor?
Einige unserer Partner haben bereits mit Onlineverkäufen experimentiert. Wir selbst wollen unseren Kunden im Laufe des Jahres mit einem eigenen digitalen Shop entgegenkommen. Mal ein Beispiel: Im Dezember haben wir unsere Saxonia Thin mit schwarzem Aventurin-Zifferblatt vorgestellt. Zwölf Stunden später waren alle 50 Exemplare verkauft, obwohl die niemand wirklich mal in der Hand halten konnte. Es geht also.

Was kostete das Modell?
23.900 Euro.

Ihre Kunden sind vor allem Sammler?
Die machen zumindest einen wichtigen Teil unseres Kerngeschäfts aus. Sammler sind für uns ein planbareres Fundament als jene Kunden, die vielleicht nur einmal im Leben eine Uhr von Lange kaufen – auch wenn die von uns natürlich mit der gleichen Freundlichkeit bedient werden.

Seit 20 Jahren gehört A. Lange & Söhne zum Reich des Schweizer Luxus-Imperiums Richemont. Wo hilft so ein Dach besonders?
Als kleiner Mittelständler würde ich mir ohne diese Unterstützung aktuell schon schwer den Kopf zerbrechen müssen über Themen wie Cyberkriminalität, IT-Infrastruktur, Lieferketten, Logistik…

Richemont kündigte jüngst an, gemeinsam mit dem chinesischen Internetriesen Alibaba je 550 Millionen Dollar in den Onlinemarktplatz Farfetch zu investieren. Ist die Zukunft also digital und in Asien?
Zu diesen Plänen kann ich Ihnen nichts sagen. Aber es ist natürlich klar, dass beide Themen für uns und die gesamte Branche eine enorme Relevanz haben.

Wie hat sich die Branche in Ihren zehn Jahren als CEO gewandelt?
Es ist einfacher zu erklären, was sich nicht verändert hat: das Produkt und die Werte, die wir damit vermitteln wollen.

Sie haben mal gesagt, die Uhrenindustrie sei das erste Opfer der digitalen Revolution gewesen, als in den 1970er-Jahren die billigen Quarzuhren aufkamen und die ganze Schweizer Szene auszulöschen drohte.
Meine Branche ist tatsächlich krisenerfahren. Aber Corona ist selbst für uns eine neue Erfahrung.

Was ist diesmal anders?
Corona schafft eigentlich nur Verlierer: Firmen, Branchen, Länder. Die Bedrohung war zudem eine völlig neue und traf dort, wo wir als Menschheit am empfindlichsten sind: wirtschaftlich bei unserem global engen Austausch; psychologisch, weil wir eben derzeit schmerzlich merken, was für zutiefst soziale Wesen wir sind.

Die Regierung hat den Lockdown nun bis Mitte Februar verlängert. Gut für Ihr Geschäft dürfte das nicht sein.
Wir haben so viele Maßnahmen präventiv ergriffen. Am Schlimmsten wäre es, wenn man uns da nun auch noch die Produktion schließen würde.

Davon nahm die Regierung vergangene Woche zwar Abstand. Aber seit Politiker wie Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow einen Wirtschafts-Lockdown gefordert haben, wird das Thema zumindest intensiv diskutiert.
Die Politik muss auch wissen, was sie damit anrichten würde. Denn damit würde nicht nur unser Geschäftsmodell ins Leere laufen. Auch unsere Lager wären ja nach wenigen Tagen leer. Mir ist auch nicht klar, wer all das dann noch bezahlen sollte.

Der Bürgermeister von Glashütte kündigte schon im Sommer an, dass er statt mit 5,7 Millionen Euro an Gewerbesteuern seiner rund zehn ortsansässigen Uhrenfirmen für 2020 nur noch mit einer Million rechne. Angeblich kam bislang mehr als die Hälfte von A. Lange & Söhne. Wie sieht Ihre Prognose aus?
Zumindest an dem Prozentsatz dürfte sich wohl nichts verändert haben. Wir geben unser Bestes. Was das für 2020 bedeutet, müssen wir noch sehen.
Herr Schmid, vielen Dank für das Interview.