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Der Traum vom Roboterauto: Die Branche schwankt zwischen Euphorie und Ernüchterung

Deutsche Autobauer rechnen beim autonomen Fahren nicht mit einem raschen Durchbruch. Im Ausland wachsen dagegen die Hoffnungen auf einen Milliardenmarkt.

Die deutschen Autobauer experimentieren mit Konzepten für das autonome Fahren, glauben aber nicht an einen schnellen Durchbruch. Foto: dpa
Die deutschen Autobauer experimentieren mit Konzepten für das autonome Fahren, glauben aber nicht an einen schnellen Durchbruch. Foto: dpa

Zehn Jahre. So lange wird es mindestens noch dauern bis vollautonome Roboterautos, die gänzlich ohne Fahrer auskommen, Passagiere massenhaft von A nach B befördern. „Alles andere sind Marketingaussagen oder es werden hohe Sicherheitsrisiken eingegangen“, konstatierte BMW-Entwicklungschef Klaus Fröhlich kürzlich auf der Fachtagung „The Autonomous“ in der Wiener Hofburg. Der Manager warnte seine Branchenkollegen eindringlich: „Skalieren Sie nicht zu früh“.

Bei heimischen Konkurrenten wie Daimler und VW erntete Fröhlich dafür Zustimmung. Die deutschen Autobauer arbeiten zwar allesamt an hochautomatisierten Fahrsystemen, doch ob der Mensch hinter dem Steuer jemals komplett obsolet werden wird, wer weiß das schon. Stand heute sei die Technik für vollautonomes Fahren schlicht zu teuer und unausgereift. Ein praktikables Geschäftsmodell sei zudem nicht in Sicht.

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Die deutschen Fahrzeughersteller mahnen daher zur Vorsicht – und bremsen verstärkt beim Traum vom Roboterauto. Ganz anders positionieren sich dagegen amerikanische, irische oder asiatische Konzerne.

„2020 werden wir den ersten echten Schritt in Richtung fahrerlose Systeme machen. Dann werden wir ein Auto haben, bei dem niemand hinter dem Lenkrad sitzt, um Sie abzuholen“, sagte Karl Iagnemma, Chef der Roboterautoabteilung beim Zulieferer Aptiv, dem Handelsblatt. Massentauglich, schränkt Iagnemma ein, werde das Ganze dann aber noch nicht sein.

Alle Fahrten würden vorerst in einem geschützten Rahmen und auf definierten Strecken stattfinden. „Stellen Sie sich einen ruhigen Vorort vor – dort werden wir fahrerlos unterwegs sein“, erklärte der Manager. Mit den Erfahrungen die Aptiv dabei sammelt will der Konzern, der aus Delphi hervorgegangen ist, seinen operativen Sitz in Dublin hat und fast 19.000 Ingenieure und Wissenschaftler beschäftigt, Stück für Stück den Bewegungsspielraum seiner autonomen Fahrzeuge erweitern.

Um das Jahr 2025 herum soll das System so ausgereift sein, dass es auch in vielen städtischen Gegenden zur Anwendung kommen kann. „Vielleicht funktioniert es noch nicht in den komplexesten Stadtteilen – es wird nicht am Times Square in Betrieb sein –, aber vielleicht in anderen Teilen“, erklärt Iagnemma. Er ist überzeugt: „In der Mitte des kommenden Jahrzehnts werden wir eine fahrerlose Technologie haben, die so valide ist, dass wir damit aussagekräftigte Umsätze erwirtschaften können.“

Aptiv betreibt schon heute eine Flotte von mehr als hundert teilautonomen Fahrzeugen rund um den Globus. In Las Vegas bietet der Konzern gemeinsam mit Lyft einen autonomen Mitfahrdienst an und hat bereits mehr als 70.000 bezahlte autonome Fahrten absolviert. Nach eigenen Angaben handelt es sich dabei um den größten kommerziellen Einsatz von autonomen Autos.

Gleichwohl ist dabei noch immer ein Sicherheitsfahrer für den Ernstfall hinter dem Steuer aktiv. „99 Prozent der Zeit sitzt der in etwa so da“, sagt Iagnemma und verschränkt seine Arme vor der Brust.

Tests mit vollautonomen Fahrzeugen laufen

Der Ingenieur hegt kaum Zweifel: Roboterautos werden kommen. Und Aptiv prescht dabei weiter voran. Der Konzern hat gerade bekanntgegeben, gemeinsam mit Südkoreas Branchenführer Hyundai Motor ein 50:50 Joint Venture im Wert von vier Milliarden Dollar zu gründen, mit dem Ziel vollautonome Fahrzeuge zu entwickeln und zu kommerzialisieren.

Schon im nächsten Jahr wollen die beiden Unternehmen mit den ersten Tests für vollautonome Roboterautos beginnen. 2022 soll dann eine „serienreife Plattform“ fertig entwickelt sein, die man Autoherstellern, Flottenbetreibern und Robotaxi-Diensten anbieten will.

Der Sitz des Gemeinschaftsunternehmens von Aptiv und Hyundai wird in Boston in den USA sein. Wer die neue Firma leiten wird, steht ebenfalls bereits fest: Karl Iagnemma. Der ehemalige Direktor der Robotic Mobility Group an der US-Eliteuniversität MIT glaubt, dass es fast jede Mühe wert ist, die Entwicklung vollautonomer Fahrsysteme voranzutreiben. „Wenn wir skalieren, werden die Chancen bei weitem die Kosten übertreffen“, sagt Iagnemma.

Sein Kalkül: Bis zu 70 Prozent der Kosten bei Taxis und Mitfahrdiensten entfallen heute auf den Fahrer. Wer den Menschen hinter dem Steuer überflüssig macht, stellt die bestehenden Verhältnisse auf den Kopf und dominiert am Ende die Art und Weise, wie wir uns in Zukunft fortbewegen. „Von dieser Perspektive aus gesehen glaube ich nicht, dass irgendein Anbieter irrational handelt“, erklärt Iagnemma.

Schätzungen, wonach Unternehmen wie die Alphabet-Tochter Waymo bis zu 175 Milliarden Dollar wert sein sollen, müsse man vor dem Hintergrund sehen, dass sich völlig neue Geschäftsmodelle mit Roboterautos eröffnen würden – mit weit höheren Margen als im klassischen Fahrzeugverkauf. Iagnemma prognostiziert, dass die Kosten für teure Komponenten wie Sensoren bis 2030 durch Massenproduktion so weit gesunken sein werden, dass man autonome Fahrsystemen dann auch an Privatkunden verkaufen kann.

„Wer vorne mitspielen will, muss Milliarden investieren“

Die Herausforderungen, die vor Konzernen wie Aptiv liegen, um Roboterautos serientauglich zu machen, sind freilich gigantisch. Und viele Fragen sind unklar: Wer haftet bei Unfällen? Wem gehören die Millionen von Daten, die die Autos sammeln? Welche Restriktionen verhängt der Gesetzgeber?

„Ich bin optimistischer als die meisten, aber die Technologie ist sehr komplex“, räumt selbst Iagnemma ein. Sein Team und das vieler anderer Tech-Konzerne arbeite hart daran alle technischen Probleme zu lösen. Sobald dies erfolgt sei und die ersten Robotaxis als Prototypen auf der Straße sind, würden sich auch die regulatorischen Fragen leichter klären lassen.

Das vielleicht größte Problem von Iagnemma und seinen Konkurrenten ist aber der gigantische Kapitaleinsatz am Weg zu vollautonomen Fahrsystemen. „Wenn man vorne mitspielen will, muss man Milliarden investieren“, bekundet Stefan Bratzel, Direktor des Center of Automotive Management (CAM). Der Branchenexperte ist sicher: Vielen Anbietern, die heute noch großes Marketing rund um Roboterautos betreiben, wird früher oder später das Geld ausgehen.

„Die Konsolidierung wird bereits in den nächsten drei bis vier Jahren sehr stark zunehmen“, prophezeit Bratzel: „Am Ende wird es wahrscheinlich nur eine Handvoll Konsortien geben“. Das wäre ganz im Sinne von BMW-Entwicklungschef Klaus Fröhlich, der das Unterfangen, Roboterautos serienreif auf die Straße zu bringen, gerne mit einer „Marsmission“ vergleicht und seinen Konzern gut dafür gerüstet sieht, als einer der wenigen Gewinner aus dem Rennen ums autonome Fahren hervorzugehen.

Zu siegessicher sollten sich die deutschen Autobauer aber nicht geben, mahnt Bratzel. Derzeit hinken BMW, Daimler und VW etwa der GM-Tochter Cruise beim Sammeln autonomer Kilometer hinterher. Und gegen die Finanzkraft von Waymo kommen die heimischen Fahrzeughersteller selbst im Schulterschluss nur schwerlich an. „Die Deutschen brauchen eine stringente Strategie“, sagt Bratzel: „Nur abwarten, ist gefährlich“.