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Das Ende der goldenen Zeiten – Unternehmen streichen europaweit Prognosen zusammen

Europas Unternehmen knüpften an die Rekordgewinne an. Doch das jüngste Quartal zeigt: Bald ist es mit der neuen Herrlichkeit schon wieder vorbei.

Es ist eine diplomatische Formulierung für eine besorgniserregende Entwicklung. „Das Wachstum liegt unter unseren Erwartungen“, sagte EZB-Präsident Mario Draghi kürzlich auf dem jährlichen Forum der Notenbanker im portugiesischen Sintra. Die Fakten sind deutlicher: Die Wirtschaft Europas wächst kaum noch – im ersten Quartal nur um 0,4 Prozent, nach 0,7 Prozent in den drei vorangegangenen Quartalen.

Die Finanznachrichten der Großkonzerne nehmen diese Entwicklung vorweg. Viele Unternehmen bilanzierten im Auftaktquartal Gewinneinbrüche, darunter die Ölriesen Total und Repsol in Frankreich und Spanien, der Getränkeproduzent Anheuser-Busch in den Niederlanden und das europäische Gemeinschaftsunternehmen Airbus.
Eine Besserung ist nicht in Sicht. Für die 500 größten europäischen Unternehmen rechnen Analysten mit stagnierenden Gewinnen. „Die Unternehmen stellen sich auf ein schwierigeres Umfeld ein“, urteilt der Chefvolkswirt der DZ Bank, Stefan Bielmeier. In Deutschland strichen zuletzt der Autobauer Daimler, der Zulieferer Continental und die Post ihre Jahresprognosen zusammen.

Hauptursache ist der von US-Präsident Donald Trump angezettelte weltweite Handelskonflikt mit Zöllen und Gegenzöllen. Chefvolkswirt Jörg Krämer von der Commerzbank warnt: „Das zunehmende Risiko eines Handelskriegs spricht dafür, dass die eingetrübte Stimmung bei den Unternehmen nicht nur eine kurze Wachstumsdelle signalisiert.“

Erst kürzlich lobte Clemens Fuest, Präsident des Münchner Ifo-Instituts, die jüngste Entscheidung der Europäischen Zentralbank (EZB), die Zukäufe von Staats- und Unternehmensanleihen im Volumen von monatlich 30 Milliarden Euro ab 2019 zu beenden. Die Inflation erscheint den Währungshütern hoch genug und die Konjunktur ausreichend gefestigt, um das umstrittene Programm zum Ankurbeln der Wirtschaft zu beenden.

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Doch mit ihrem Timing kommt die EZB vermutlich zu spät. Immer mehr Konjunkturindikatoren schwächen sich ab, und der Handelsstreit droht die boomende Wirtschaft abzuwürgen.

Stärkster Zuwachs seit 2010

Gut möglich, dass die Manager schon bald sehnsüchtig auf das abgelaufene Jahr zurückschauen werden. Da haben die nach Umsatz 500 größten börsennotierten Konzerne mit 519 Milliarden Euro unter dem Strich 52 Prozent mehr als im Jahr davor verdient. Das belegen die Bilanzen der 500 größten europäischen Unternehmen, die das Handelsblatt ausgewertet hat. Es war der stärkste Zuwachs seit 2010 – damals startete die Erholung nach der großen Krise von einem sehr niedrigen Niveau aus.

„Europa holt auf“, resümiert Mathieu Meyer, Mitglied der Geschäftsführung des Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsunternehmens EY mit Blick auf das vergangene Geschäftsjahr: „Beflügelt von der anziehenden Konjunktur haben sich Europas Top-Konzerne nach mehreren eher schwachen Jahren endlich wieder in Top-Form gezeigt.“

Unter den Top 500 erzielten die 69 deutschen Unternehmen große Gewinnzuwächse – im Schnitt waren es 89 Prozent. Noch stärker legten die britischen Unternehmen mit durchschnittlich 133 Prozent zu. Die lange Zeit geschwächten italienischen Konzerne um den Autobauer Fiat Chrysler, den Versorgern Enel und Eni schafften sogar ein Plus von 145 Prozent.

Der Aufschwung zog sich durch alle Branchen und Länder, angefangen von Rohstoff fördernden Unternehmen wie Royal Dutch Shell, weiter über die vielen Industriefirmen wie die Autobauer in Deutschland und den europäischen Flugzeugbauer Airbus bis hin zu den Marken-, Konsum- und Luxusfirmen wie Henkel, Ahold und LVMH.

Weil die Gewinne noch sehr viel stärker als die Umsätze zulegten, wirtschafteten die Unternehmen effizienter. Die wichtige Nettoumsatzrendite verbesserte sich europaweit binnen eines Jahres drastisch von 4,4 auf 6,3 Prozent. Vier von fünf Unternehmen steigerten ihre Profitabilität

Alle EU-Staaten profitierten

Die nach Umsatz größten Konzerne Europas – die Ölriesen Royal Dutsch Shell und BP, dazwischen auf Rang zwei Volkswagen und der verschwiegene Rohstoffriese Glencore – schafften es sogar, ihre Gewinne binnen eines Jahres mehr als zu verdoppeln. Die starken Unternehmensbilanzen spiegeln sich in einer robusten Gesamtwirtschaft wider: Mit 2,4 Prozent ist Europas Wirtschaft im abgelaufenen Jahr so stark wie seit zehn Jahren nicht mehr gewachsen. In allen Staaten legte die Konjunktur zu, am stärksten in Irland mit 7,8 Prozent, am schwächsten in Griechenland mit 1,4 Prozent.

Umso befremdlicher erscheint, dass die EZB nicht schon im vergangenen Jahr ihre Geldpolitik zu straffen begann. Frühestens 2019 will sie aus ihrer Nullzinspolitik aussteigen und so Kredite für Staaten und Unternehmen wieder verteuern. Doch bis dahin dürfte es mit der Wirtschaftsherrlichkeit in Europa längst wieder vorbei sein.

Im ersten Quartal des laufenden Jahres wuchs Europas Wirtschaft nur noch um 0,4 Prozent und damit um 0,3 Prozentpunkte weniger als in den drei Quartalen zuvor. Arbeitskämpfe, deutlich höhere Lohnabschlüsse als in der Vergangenheit, die stärkste Grippewelle seit mehr als zehn Jahren, anziehende Ölpreise und der gestiegene Eurokurs lasten auf den Firmengewinnen. Trumps Handelspolitik dämpft zudem die Erwartungen deutscher Unternehmen.

Das spiegelt der Index des europäischen Analyseinstituts Markit wider. Demnach beurteilen die Einkäufer und Firmenmanager ihre Auftragslage, Stimmung und Perspektiven so schlecht wie seit knapp zwei Jahren nicht mehr. Seit Jahresanfang fiel der Index vier Monate in Folge. In Deutschland gab der wichtige Ifo-Index – basierend auf der Befragung von 9000 Unternehmen – zuletzt in sechs der zurückliegenden sieben Monate nach.

Die Quartals-Bilanzen der 500 größten Unternehmen zeigen, dass die getrübten Erwartungen gut begründet sind. Europaweit stagnierten die Gewinne im ersten Quartal. Auch im Gesamtjahr zeichnet sich kein Wachstum ab – vor allem weil die größte Volkswirtschaft schwächelt.

„Die deutsche Industrie ist sehr schwach in das zweite Quartal gestartet“, urteilt Commerzbank-Volkswirt Ralph Solveen. Der Pharmariese Bayer, der Markenartikler Henkel, der Zulieferer Continental und die drei Autobauer BMW, Daimler und VW verzeichneten Gewinnrückgänge. Besonders stark fiel die Korrektur beim Chemie- und Pharmaspezialisten Merck mit 31 Prozent aus.

Frühindikator Deutsche Post

Vor allem aber die schwächeren Ergebnisse der Deutschen Post/DHL lassen aufhorchen. Der Logistikriese gilt als zuverlässiger Frühindikator für die Gesamtwirtschaft, weil die Post mit Unternehmen allen Branchen Geschäfte abwickelt. Das verheißt nichts Gutes für das zweite Halbjahr. „Die deutsche Konjunktur steht auf der Kippe“, warnt der Ökonom Ferdinand Fichtner vom Institut für Wirtschaftsforschung. Auch in vielen anderen Ländern stellen sich die Unternehmen auf schlechtere Zeiten ein.

Firmen kappen ihre Prognose

Mehr noch: In den vergangenen Wochen strichen viele Unternehmen ihre Prognosen zusammen – darunter der britische Immobilienmakler Countrywide, der französische Kabelhersteller Nexans, der weltgrößte Kreuzfahrtanbieter Carnival und der weltgrößte Kabelhersteller Prysmian aus Italien. In Deutschland schraubte der Lichttechnikkonzern Osram wegen der wachsenden Unsicherheit bei den Hauptkunden aus der Autoindustrie seine Ziele nach unten.

Grund dafür, dass die Zulieferer Continental und Elringklinger sowie der Autobauer Daimler ihre Ziele gekappt haben, sind teure Abgastests, Rückrufe nach dem Dieselskandal, weniger verkaufte Diesel-Autos und Schwierigkeiten durch den Handelskonflikt. Künftige Zölle verteuern Neuwagen. Das gilt vor allem dann, wenn sie, so wie von Daimler, in den USA produziert und in China verkauft werden.

EY-Experte Meyer warnt: „Es gibt zurzeit viele Baustellen: den Handel zwischen Europa und den USA, den Brexit, die Gefahr einer weiteren Eskalation im Nahen Osten oder auch die Beziehungen zu Russland.“ Keine guten Aussichten für eine Fortsetzung des Booms in Europa also.

Gut möglich, dass EZB-Chef Mario Draghi deshalb den geplanten Ausstieg aus der ultralockeren Geldpolitik wieder rückgängig macht. Die geplante Beendigung des Anleihekaufprogramms sei keineswegs selbstverständlich, sondern an weitere wirtschaftliche Fortschritte gebunden, machte er zuletzt deutlich. Doch genau davon entfernt sich Europa jeden Tag ein Stück weiter.