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Tokio lockt Firmen aus China heim

Schon vor der Pandemie zogen japanische Unternehmen aus der Volksrepublik ab. Japans Regierung nutzt in der Coronakrise nun ihre Chance.

Japans Ministerpräsident Shinzo Abe hat im März unter den China-Falken in der Welt für Aufregung gesorgt. Fast zwei Milliarden Dollar an Subventionen stellte er japanischen Unternehmen in Aussicht, die ihre Fabriken aus dem Reich der Mitte in andere Länder Asiens oder nach Japan verlegen würden. Und es gibt erste Ergebnisse.

87 Unternehmen erhalten inzwischen 653 Millionen Dollar an Hilfe für ihren Rückzug aus China. Die Wirklichkeit sieht jedoch anders aus, urteilen Scott Kennedy und Matthew Goodman von der amerikanischen Denkfabrik Center for Strategic and International Studies (CSIS): „Obwohl der Schritt enorm symbolisch ist, wäre es ein Fehler zu glauben, dass Japan eine Kampagne zur wirtschaftlichen Abkopplung von China unterzeichnet hat.“

Abe sucht Nähe und Distanz zur gleichen Zeit

Stattdessen vergleichen die Experten die medienwirksame Maßnahme des japanischen Ministerpräsidenten mit einem traditionellen japanischen Theater: Die Umsiedlungshilfe ähnele „dem Hochziehen einer Augenbraue eines Kabuki-Schauspielers“, das einen großen dramatische Effekt erziele, aber keinen Szenenwechsel darstelle. Es handele sich nur um eine kleine Kurskorrektur einer langjährigen Doppel-Strategie aus Gegenmaßnahmen und Engagement.

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Schon lange sieht Japans Regierung die wachsenden wirtschaftlichen, technologischen und militärischen Ambitionen Chinas extrem kritisch und versucht, sie wirtschaftspolitisch und diplomatisch einzudämmen.

So hat Japan nach dem Austritt der USA die transpazifische Freihandelszone TPP gerettet, bei der China nur Zuschauer ist. Gleichzeitig führt Japan mit Indien, Australien und den USA gemeinsame Militärmanöver durch.

Und wirtschaftlich zogen bereits vor der Coronakrise immer mehr Firmen arbeitsintensive Prozesse für die Exportproduktion aus China ab, zum Teil, weil dort die Löhne zu hoch wurden, zum Teil aus Sorge vor der hohen Abhängigkeit vom Standort China.

In den Plänen für künftige Investitionen hatte laut einer Studie von Japans Bank für wirtschaftliche Zusammenarbeit (JBIC) Indien das Reich der Mitte schon vor der Coronakrise als beliebtestes Ziel abgelöst.

Die Werke japanischer Hersteller in China produzieren stattdessen immer öfter nur für den chinesischen Markt. Doch selbst der Nationalist Abe will die Chancen in dem Riesenmarkt nicht verspielen. Als versöhnliche Geste an Peking hielt Japan beispielsweise zu Beginn der Pandemie die Grenzen länger für chinesische Touristen offen als andere Länder, zu wichtig sind die wirtschaftlichen Beziehungen.

China bleibt ein wirtschaftlicher Magnet

China ist mit einem bilateralen Handel von 300 Milliarden Dollar pro Jahr für Japan nicht nur ein ebenso wichtiger Partner wie die Schutzmacht USA. Außerdem haben gerade Japans Großkonzerne 130 Milliarden Dollar in China investiert. Und einige steigern ihr Engagement weiter.

Nidec, der größte Elektromotorenhersteller der Welt, hat gerade den Bau neuer Motorenwerke für chinesische Elektroautohersteller in China begonnen. Toyota hat ein Gemeinschaftsunternehmen mit fünf chinesischen Partnern für die Herstellung von Brennstoffzellenlastern für den dortigen Markt begonnen.

Die Krise habe lediglich in Teilbereichen die Abhängigkeit Japans von China in den Fokus der Regierung gerückt, erklären die CSIS-Experten: „Statt die Verbindungen zu kappen, will Tokio seine Lieferketten diversifizieren, sie widerstandsfähiger machen und weniger abhängig von China sein.“ Gleichzeitig gehe es darum, ein wenig die Industrie im eigenen Lande zu fördern.

Ein Blick auf die Liste der Unternehmen untermauert das Fazit der US-Experten. Von den 87 Unternehmen, die staatliche Hilfe erhalten, wollen 30 Unternehmen ihre Fabriken nach Südostasien verlegen, 50 nach Japan. Aber es handelt sich meist um mittelgroße Unternehmen wie den Haushaltswarenhersteller Iris Ohyama sowie medizintechnische Unternehmen von Schlage Shionogi, Terumo oder Kaneka.

Vorbild auch für deutsche Unternehmen

Dennoch schindet Japans kritische China-Politik durchaus Eindruck: „Aus unserer Sicht sind diese Entwicklungen auch für die deutsche Wirtschaft von großer Bedeutung, insbesondere im Zusammenhang mit der laufenden Diskussion um den ‚richtigen Umgang‘ mit China“, sagt Markus Schürmann, Chef der deutschen Auslandshandelskammer in Japan.

Die Führung in Peking reagiert bislang gelassen auf Abes Doppelstrategie. Noch hat China den geplanten Besuch von Staatspräsident Xi Jinping in Japan nicht abgesagt, der wegen der Coronakrise verschoben werden musste.

Das Reich der Mitte weiß, dass es gerade im Konflikt mit den USA vorerst die Technologien der Nachbarn Japan und Südkorea braucht. Das hält Xi jedoch nicht davon ab, weiterhin Schiffe zu einem Felsarchipel zu senden, das Japan kontrolliert, aber China beansprucht.

Global reagieren Unternehmen ähnlich wie die japanischen auf den eskalierenden Streit zwischen den USA und China. Chinesische Exportunternehmen investieren immer mehr in Südostasien, um amerikanische Importzölle zu umgehen.

Auch der Rest der Welt positioniert Lieferketten neu. So hat der taiwanische Auftragsfertiger Wistron mehrere iPhone-Werke an den chinesischen Elektronikhersteller Luxshare verkauft.

Die taiwanische „China Times“ erklärte diesen Schritt damit, „dass sich in Apples Konzeption eine „rote Lieferkette“ auf die Produktion und den Verkauf von Produkten für den Festlandsmarkt spezialisiert“. Auf der anderen Seite investierten taiwanische Unternehmen nun in Indien, um eine neue Produktionsbasis für die Herstellung von Produkten für andere Märkte zu schaffen. Im Unterschied zu ihnen haben die japanischen Hersteller nun einen Vorteil: Der Staat greift ihnen dank der Coronakrise beim Umbau finanziell unter die Arme.

Mehr: Die Beziehungen zwischen Amerika und China verschlechtern sich rapide.