Werbung
Deutsche Märkte geschlossen
  • DAX

    18.161,01
    +243,73 (+1,36%)
     
  • Euro Stoxx 50

    5.006,85
    +67,84 (+1,37%)
     
  • Dow Jones 30

    38.239,66
    +153,86 (+0,40%)
     
  • Gold

    2.349,60
    +7,10 (+0,30%)
     
  • EUR/USD

    1,0699
    -0,0034 (-0,32%)
     
  • Bitcoin EUR

    58.890,88
    -1.192,39 (-1,98%)
     
  • CMC Crypto 200

    1.304,48
    -92,06 (-6,59%)
     
  • Öl (Brent)

    83,66
    +0,09 (+0,11%)
     
  • MDAX

    26.175,48
    +132,30 (+0,51%)
     
  • TecDAX

    3.322,49
    +55,73 (+1,71%)
     
  • SDAX

    14.256,34
    +260,57 (+1,86%)
     
  • Nikkei 225

    37.934,76
    +306,28 (+0,81%)
     
  • FTSE 100

    8.139,83
    +60,97 (+0,75%)
     
  • CAC 40

    8.088,24
    +71,59 (+0,89%)
     
  • Nasdaq Compositive

    15.927,90
    +316,14 (+2,03%)
     

Türken kaufen massiv US-Dollar - und schicken die eigene Lira auf Talfahrt

Die türkische Führung will das Ausland für den Währungsverfall verantwortlich machen. Daten der türkischen Zentralbank sprechen eine andere Sprache.

Für Bekir Bozdag ist die Welt ganz leicht zu erklären. Läuft die türkische Wirtschaft gut, redet der türkische Regierungssprecher aus Ankara gerne von der Stärke der Türken. Läuft die Wirtschaft schlecht, wollen „fremde Mächte“ der Türkei schaden.

Doch Daten der türkischen Zentralbank zeigen, dass die Urheber der Misere die Türkinnen und Türken selbst sind: Sie verlieren das Vertrauen in ihre Führung – und damit in die Stabilität der Wirtschaft.

Seit Jahresbeginn hat die Türkische Lira zum US-Dollar fast ein Viertel an Wert verloren, so viel wie kaum ein anderes Schwellenland weltweit. Gleichzeitig finden in der Türkei Ende Juni wegweisende Wahlen statt. Gewinnt Amtsinhaber Recep Tayyip Erdogan, werden zahlreiche Verfassungsänderungen in Kraft gesetzt, die ihm deutlich mehr Macht verleihen.

Viele in der Wirtschaft hoffen auf einen Sieg Erdogans und schnelle Reformen, während die Opposition die Ein-Mann-Herrschaft fürchtet. Erdogan selbst sagte in einem Interview, er wolle im Falle eines Wahlsieges auch die Geldpolitik bestimmen. Ein weltweiter Sonderfall, wo doch Notenbanken grundsätzlich unabhängig von der Politik arbeiten sollen. Und er glaubt, mit niedrigen Leitzinsen könne die Inflation gesenkt werden: ebenfalls sonderbar und weit weg von der ökonomischen Theorie.

WERBUNG

Und so nahm die Talfahrt der Lira ihren Lauf, und mit den Spekulationen am Markt begannen auch die Spekulationen darüber, wer verantwortlich ist. Normalerweise gilt für Schwellenländer, dass diese auf ausländische Investoren angewiesen sind. Bleiben die Gelder aus anderen Ländern aus, verliert die Währung schnell an Wert.

Doch entgegen der Äußerungen Bozdags und anderer Regierungsverantwortlicher halten Ausländer der Türkei weitestgehend die Stange. Daten der türkischen Zentralbank zeigen zum Beispiel, dass der Zustrom an ausländischem Geld an der Börse des Landes und bei Staatsanleihen nicht verantwortlich sein kann.

Kein Exodus erkennbar

Zwar gab es in diesem Jahr Wochen, in denen Geld abfloss. Doch das Minus wurde schnell wieder ausgeglichen. Bis Ende April steht ein Nettozufluss von knapp 1,1 Milliarden US-Dollar an ausländischen Geldern in den Büchern der Zentralbank.

Auch bei sogenannten Portfolio-Investitionen – damit ist zum Beispiel der Erwerb von Unternehmensanleihen oder -anteilen gemeint – ist kein Exodus erkennbar. Die verfügbaren Daten von Januar und Februar zeigen vielmehr einen Zufluss von 4,7 Milliarden US-Dollar. Weniger als im Jahr davor, aber immer noch zu viel, um den krassen Währungsverfall zu rechtfertigen.

Vielmehr sind Marktteilnehmer im eigenen Land dafür verantwortlich. Sprich: Kleinsparer, Mittelständler, Spekulanten und Großkonzerne. Die Daten der Notenbank stützen das Argument. So horteten Türkinnen und Türken zum letzten gemessenen Stand im April 202 Milliarden US-Dollar in Auslandswährung auf ihren türkischen Konten. Das ist fast die Hälfte aller Einlagen in dem Land. 2013 lag der Anteil noch bei 32 Prozent.

Auch türkische Konzerne haben ihren Anteil daran. Sie sitzen auf Schulden in Auslandswährung in Höhe von 223 Milliarden US-Dollar, die Schulden von Banken sind da noch nicht einmal eingerechnet. Jeder weitere Währungsverlust zwingt die Unternehmen dazu, noch mehr Türkische Lira zu horten. Das wiederum stört die Banken, die das Geld lieber verleihen würden. „Deswegen sammeln die Unternehmen immer häufiger ausländisches Geld, um ihre Verbindlichkeiten in US-Dollar bedienen zu können“, erklärt der Ökonom Mustafa Sönmez.

Türkinnen und Türken verlieren das Vertrauen in die Stabilität der Wirtschaft und glauben immer weniger daran, dass die Führung des Landes das Problem beheben kann. Auch das zeigt eine Erhebung der Zentralbank: Der wirtschaftliche Vertrauensindex – ein Wert, der Zufriedenheit und Erwartungen von Marktteilnehmern misst – verliert seit Jahresbeginn kontinuierlich an Wert und lag im April bei 98,3 Prozent, nach 104,9 Prozent im Januar und 106,4 Prozent im August 2017.

Vizepremier Mehmet Simsek, der für die Wirtschaft zuständige Superminister, scheint sich den Spekulationen seines Regierungskollegen Bozdag offenbar nicht anschließen zu wollen. Im Verlauf der türkischen Währungskrise vermutete er nicht eine Sekunde lang eine Verschwörung gegen sein Heimatland. Vielmehr schrieb er nach der jüngsten Zinserhöhung am Mittwochabend auf Twitter: „Es wird höchste Zeit, wieder Vertrauen in die türkische Wirtschaft herzustellen.“