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„Spätestens 2022 reicht der Beitragssatz in der Pflege nicht mehr aus“

Die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) warnt vor massiven Finanzlöchern in der Pflege. Bis zu neun Milliarden Euro an Steuergeld seien nötig, so GKV-Vorstand Gernot Kiefer.

„Für viele Pflegebedürftige in stationären Einrichtungen ist der Eigenanteil kaum noch zu bewältigen.“ Foto: dpa
"Für viele Pflegebedürftige in stationären Einrichtungen ist der Eigenanteil kaum noch zu bewältigen." (Bild: dpa)

Der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) hat die Regierungskoalition aufgefordert, noch vor der Bundestagswahl die gravierenden Finanzierungsprobleme in der Pflege anzugehen. Ohne eine Reform müssten spätestens 2022 die Beiträge zur Pflegeversicherung steigen, sagte der für die Pflegekassen zuständige GKV-Vorstand Gernot Kiefer dem Handelsblatt. Nötig sei ein dauerhafter Steuerzuschuss von bis zu neun Milliarden Euro pro Jahr.

DAK-Studie: Geplante Reform würde Pflegebedürftige und Angehörige klar entlasten

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Auch die Bundesländer müssten ihrer Verantwortung nachkommen und die Investitionskosten in Pflegeheimen übernehmen. “Das wird bislang bei den Heimbewohnern abgeladen, die sich im Bundesdurchschnitt mit monatlich 450 Euro an Umbaumaßnahmen, Modernisierungsarbeiten und Instandhaltung beteiligen müssen”, kritisierte Kiefer mit Blick auf die seit Jahren steigenden finanziellen Belastungen von Pflegebedürftigen.

Lesen Sie hier das komplette Interview:

Herr Kiefer, die Pflege sollte 2020 ein zentrales Thema der Gesundheitspolitik werden. Dann kam Corona. Wie lange kann eine Reform noch warten?
Das Thema darf nicht mehr aufgeschoben werden. Ich habe Verständnis dafür, dass Reformen in der Pflege in der Pandemie nach hinten gerückt sind, aber der Pflege läuft die Zeit davon. Noch vor der Bundestagswahl müssen wesentliche Schritte gemacht werden.

Drohen sonst steigende Beiträge für Arbeitnehmer und Arbeitgeber?
Sofern sich die Konjunktur bis zur Jahresmitte erholt und keine unvorhergesehenen Ausgaben entstehen, werden wir 2021 ganz knapp an einer Beitragserhöhung vorbeischrammen. Doch spätestens Anfang 2022 reicht der aktuelle Beitragssatz nicht mehr aus.

“Wir brauchen einen dauerhaften Steuerzuschuss für die Pflegeversicherung”

Was muss denn sofort geschehen?
Wir brauchen einen nennenswerten und dauerhaften Steuerzuschuss für die Pflegeversicherung. Wenn die 40-Prozent-Grenze bei den Sozialabgaben die politische Maßgabe ist, werden wir daran nicht vorbeikommen. Außerdem müssen die Bundesländer endlich ausreichend in die Pflege-Infrastruktur investieren.

Beide Aspekte sind in einem Eckpunktepapier von Gesundheitsminister Jens Spahn enthalten …
… und das ist auch gut so. Diese Punkte sollten auf jeden Fall vor der Wahl geklärt werden. Weiter gehende Ideen bei der Pflegereform könnten dann in der nächsten Legislaturperiode umgesetzt werden.

Eigenanteile steigen enorm: Verbraucherschützer fordern Entlastung bei Pflegeheimkosten

Die steigenden finanziellen Belastungen der Bewohner von Pflegeheimen sind also ein Fall für die nächste Bundesregierung?
Für viele Pflegebedürftige in stationären Einrichtungen ist der Eigenanteil kaum noch zu bewältigen. Daher ist klar: Die Eigenanteile bei den Pflegekosten dürfen nicht immer weiter steigen. Eine kurzfristige und spürbare Entlastung gäbe es aber schon, wenn die Länder ihren Verpflichtungen bei den Investitionen nachkämen. Das wird bislang bei den Heimbewohnern abgeladen, die sich im Bundesdurchschnitt mit monatlich 450 Euro an Umbaumaßnahmen, Modernisierungsarbeiten und Instandhaltung beteiligen müssen. Und hier kann und sollte jedes Bundesland rasch eigenständig handeln!

Wie hoch sollte der Steuerzuschuss denn ausfallen?
Ein Minimum von drei Milliarden Euro pro Jahr, um die gesamtgesellschaftlichen Aufgaben abzudecken. Da geht es zum Beispiel darum, dass die Pflegeversicherung die Rentenbeiträge für pflegende Angehörige übernimmt. Weitere sechs Milliarden Euro jährlich wären nötig, wenn man die Reformvorschläge von Minister Spahn umsetzen würde. Davon allein drei Milliarden zur Deckelung der Eigenanteile.

“Für den Bedarf der nächsten Jahre reichen die 71.000 neuen Pflege-Azubis lange nicht”

Mehrausgaben sind auch durch einen flächendeckenden Tarifvertrag in der Altenpflege zu erwarten. Kann sich die Pflegeversicherung das leisten?
Die Idee einer stärkeren Tarifbindung ist ein richtiger Weg, um Pflegekräfte flächendeckend angemessen zu bezahlen. Im Kampf um knappe Arbeitskräfte muss die Pflege attraktiver werden, sonst werden wir in der alternden Gesellschaft nicht genügend Fachkräfte haben. Ich freue mich über die 71.000 neuen Pflege-Auszubildenden, aber für den Bedarf der nächsten Jahre reicht das noch lange nicht.

Gerade die Pandemie hat die Bedeutung der Pflegekräfte gezeigt. Gab es für sie nur Applaus vom Balkon?
Die Pflegeversicherung hat jedenfalls viel Geld bereitgestellt: 1,3 Milliarden Euro an Prämien für Pflegekräfte. Weitere 1,2 Milliarden Euro gingen an die ambulanten Pflegedienste und Heime, um zusätzliche Ausgaben in der Pandemie zu finanzieren, wie zum Beispiel Hygienemaßnahmen. Es ist gut und richtig, dass der Bund sich an der Finanzierung der Pandemiekosten mit 1,8 Milliarden Euro in Form eines Steuerzuschusses beteiligt hat.

Herr Kiefer, vielen Dank für das Gespräch.

VIDEO: Bundesregierung sieht Stärkung der Pflege auf gutem Weg