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Von Solingen ins Silicon Valley – WebID Solutions soll in den USA groß rauskommen

Mit Videolegitimation made in Germany wollen Frank Jorga und Thomas Fürst ihr Unternehmen WebID Solutions jetzt auch in den USA groß rausbringen. Dafür haben sie eine wichtige Hürde genommen: Das US-amerikanische Patentamt stellte den Deutschen ein ersehntes Patent aus.

„Patente haben in den USA einen noch höheren Stellenwert als in Europa“, sagt der 49-jährige Jorga – auch weil Verletzungen des Urheberrechts dort schnell sehr teuer werden können. „Wir hören mindestens von jedem zweiten Interessenten, dass das Patent die Grundvoraussetzung für die Zusammenarbeit ist“, so der Rechtsanwalt und Betriebswirt.

Seinen Hauptsitz hat WebID in Berlin, außerdem Standorte in Solingen und Hamburg – wo die beiden Chefs wohnen. Schon heute ist die Firma für Kunden in 20 Ländern aktiv. Für die Expansion in die USA wollen Jorga und Fürst Büros im Silicon Valley und in New York eröffnen. „Momentan suchen wir noch passende Immobilien, die Topmanager für die Standorte haben bereits zugesagt“, erklärt der 48-jährige Fürst, der aus einer Solinger Besteckdynastie stammt und BWL studiert hat.

Zunächst sollen je drei bis fünf Mitarbeiter vor Ort ihr Angebot vermarkten, weitere sollen folgen. Insgesamt liege die Zahl der Mitarbeiter dann über 500.

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Videoidentifizierung kommt beispielsweise bei der Online-Kontoeröffnung zum Einsatz. Zur Vermeidung von Geldwäsche müssen Banken die Identität ihrer Kunden prüfen. Früher mussten Verbraucher sich in der Bankfiliale ausweisen oder zur Post gehen. Beim Post-Ident-Verfahren prüft ein Post-Mitarbeiter den Ausweis.

Der Markt in Deutschland ist umkämpft

Video-Ident können Kunden zu Hause erledigen: In einem Videochat müssen sie den Ausweis in die Kamera halten und Fragen beantworten. Seit vergangenem Juli gilt dies auch für Kunden, die eine Prepaid-Karte für das Mobiltelefon freischalten wollen.

In Deutschland ist der Markt für Videoidentifizierung hart umkämpft. Zu den größten Anbietern gehören neben WebID Solutions, das 2012 gegründet wurde, auch die 2014 gegründete IDnow sowie die Deutsche Post. WebID machte nach eigenen Angaben seit Firmengründung 3,5 Millionen Identifikationen.

IDnow spricht von insgesamt „einigen Millionen“ Identifizierungen, seit die Firma ihre Dienste anbietet. Sie veröffentlicht aber keine konkreten Zahlen. Auch die Post schweigt dazu. Seinen Umsatz für 2017 beziffert WebID auf 7,5 Millionen Euro, IDnow will „knapp unter dem zweistelligen Millionenbereich“ gelegen haben.

Zwischen den Konkurrenten herrscht ein rauer Ton. Zuletzt hatten sich WebID und IDnow wegen eines Patentstreits vor dem Düsseldorfer Landgericht getroffen. In der ersten Instanz fiel das Urteil zugunsten des Klägers IDnow aus. In der zweiten Instanz hat das Oberlandesgericht einen Beweisbeschluss erlassen. Ein Sachverständiger soll nun klären, was genau vom IDnow-Patent erfasst wird. Jorga ist weiter siegessicher. „Wir hatten vor dem Landgericht einfach Pech, doch letztlich ist an dem Patent des Klägers nichts dran, was unsere Erfindungen betrifft.“

Zu weit darf er sich aber nicht aus dem Fenster lehnen, die Firmen stoppen sich gegenseitig auch gerne mal mit einstweiligen Verfügungen. Außenstehende mischen sich da ungern ein, erklären den Ton aber damit, dass Video-Ident tatsächlich ein „einträgliches Geschäft“ sei.

Auch die Post hat mehrfach versucht, die jungen Konkurrenten auszubremsen. Gerne erzählt Jorga, wie die Post 2015 einen zweistelligen Millionenbetrag für das Unternehmen anbieten wollte. „Eine Beteiligung oder ein Verkauf kam für uns aber nicht infrage“, so Jorga. Bisher seien nur zehn Prozent der WebID in fremder Hand, der Rest gehöre den Gründern. 2015 investierten zwei Einzelinvestoren rund um die Hannover Finanz und bewerteten das Unternehmen mit 20 Millionen Euro.

Angesichts der harten Bandagen im Ident-Markt wundert es nicht, dass WebID auf das US-Patent pochte. Vor Ort wollen die Geschäftsmänner zunächst mit Finanzinstituten arbeiten, die schon in Europa zu ihren Kunden zählen, so etwa die Deutsche Bank, Barclays und American Express. Auch mit neuen Interessenten spreche er schon, sagt Jorga.

In Kooperation mit einem Zahlungsdienstleister soll insbesondere der Onlinehandel erobert werden, um diesen beim Kampf gegen Betrug zu unterstützen. Dabei gehe es beispielsweise um digitale Produkte wie Filme und Videospiele, bei denen das Alter der Käufer geprüft werden müsse.

Regulatorische Vorgaben in den USA sind laxer

Auch in den USA wird WebID nicht der einzige Spieler sein. Aktiv sind dort beispielsweise Jumio und Mitek Systems. Doch Jorga zeigt sich selbstbewusst: „An unser Sicherheitsniveau kommen die anderen nicht heran, wir liefern Qualität made in Germany.“ Tatsächlich sind die regulatorischen Vorgaben in den USA laxer.

„Für Banken in den USA sind die Vorgaben, die Identität ihrer Kunden auf Basis von Dokumenten zu prüfen nicht so streng wie in Europa. Es bestehen jedoch Anforderungen an die Identitätsprüfung“, bestätigt Nobert Gittfried, Compliance-Experte bei der Unternehmensberatung BCG. „Auch in den USA kann Video-Ident einen wichtigen Beitrag zur Betrugsprävention leisten und weitergehende Prüfungsschritte erübrigen – was im Eigeninteresse der Banken liegt.“ Insofern gebe es dort durchaus Potenzial für Anbieter, die EU-Anforderungen erfüllen und damit gegenüber der US-Konkurrenz zusätzliche Sicherheit bieten.

Trotzdem ist in den nächsten Wochen erst mal Klinkenputzen angesagt, so Fürst. Die Gepflogenheiten des amerikanischen Marktes kennen beide. Fürst hat in den USA zwei Highschool-Jahre absolviert, dort studiert und später erst als Unternehmensberater, dann als Investmentbanker Projekte abgewickelt. Jorga hat ein Zusatzstudium in den USA absolviert und war für die Deutsch-Amerikanische Handelskammer in Los Angeles tätig.

Ein Zentrum mit eigenen Mitarbeitern, die Kunden identifizieren, soll in den USA jedoch erst einmal nicht errichtet werden. Das Ident-Center in Solingen ist Fürsts und Jorgas ganzer Stolz, den sie gerne Besuchern zeigen. Wer hinein will, muss durch eine Schleuse. Darin werden die Handvenen gescannt und die Person gewogen. „Nicht, weil wir das Gewicht unserer Mitarbeiter kontrollieren wollen, aber wir müssen sicherstellen, dass sich nur eine Person in der Schleuse befindet“, erklärt Fürst.

Für die „weltweite Skalierung“ setzt das Unternehmen auf lokale Partner und Lizenzmodelle. In den USA wollen sie im Rahmen eines Joint Ventures mit einem „renommierten Callcenter“ und Softwareherstellern zusammenarbeiten, diesem die Software liefern und die Mitarbeiter schulen.

Bereits im Herbst wollen Jorga und Fürst mit den ersten Partnern in den USA starten. „10.000 Transaktionen sollten es bis Ende 2018 in den USA schon sein“, meint Jorga. Ende des Jahres sollen dann auch Gespräche mit Investoren geführt werden. Zwar peile WebID für 2018 einen Gewinn in Höhe von zwei Millionen Euro an, doch mithilfe einer Finanzierungsrunde will das Unternehmen noch schneller wachsen.