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Solarbranche trotzt dem Coronavirus – aber fürchtet ein Ende der staatlichen Förderung

Einer Branche kann das Coronavirus offenbar nichts anhaben: der Solarindustrie. Doch politische Entscheidungen könnten das Wachstum ausbremsen.

Die Nachfrage nach Solaranlagen ist rasant gewachsen. Foto: dpa
Die Nachfrage nach Solaranlagen ist rasant gewachsen. Foto: dpa

Während viele Branchen nach dem wochenlangen Kampf gegen die Folgen der Coronakrise in Existenznot geraten, kann sich die Solarindustrie vor Nachfrage kaum retten. Für den Dresdner Modulhersteller Solarwatt waren die vergangenen drei Monate gar die besten in der Geschichte des Unternehmens.

Von Januar bis März steigerte der Photovoltaik(PV)-Konzern seinen Umsatz um 60 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Der Auftragseingang erhöhte sich sogar um mehr als 140 Prozent. „Da reibt man sich schon ein bisschen die Augen“, frohlockt Solarwatt-Chef Detlef Neuhaus. Man sei zwar optimistisch gewesen, „aber mit so einem Ergebnis haben wir nicht gerechnet“. Und da ist der Mittelständler aus Sachsen nicht der Einzige.

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Egal, wen man in der Solarbranche fragt, überall bekommt man dasselbe zu hören. Das erste Quartal 2020 hat alle Erwartungen übertroffen. „Wir haben mit einem Rückgang der Nachfrage wegen der Corona-Maßnahmen gerechnet, aber das Gegenteil ist der Fall“, berichtet auch Tobias Schütt, Chef der Solarfirma DZ-4 in Hamburg. Nach anfänglichen Verunsicherungen bei den Kunden sei die Nachfrage so hoch wie nie zuvor, „es läuft bombastisch“.

20 Jahre nach Einführung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) gibt es auf Deutschlands Wiesen, Feldern und Dächern mehr als 1,8 Millionen Photovoltaikanlagen, die immerhin acht Prozent der deutschen Stromversorgung stellen.

Die ehemals teuerste der erneuerbaren Energien ist heute in manchen Ländern der Welt schon billiger als ein neues Kohle- oder Gaskraftwerk. So kostet eine Kilowattstunde Solarstrom in der Herstellung nur noch zwischen vier und fünf Cent, in manchen besonders sonnenreichen Regionen sogar noch weniger. Dazu kommen ein gestiegener Großhandelspreis und ein deutlich teurerer CO2-Preis auf europäischer Ebene.

„Corona wird, wenn überhaupt nur eine kleine Delle in der Solarbranche hinterlassen“, ist Carsten Körnig, Vorsitzender des Bundesverbandes der Solarwirtschaft (BSW), überzeugt. Ihm bereitet nicht das Virus Sorgenfalten, sondern etwas ganz anderes.

Staatliche Förderung läuft aus

Im Sommer wird die Solarindustrie voraussichtlich die magische Grenze von 52 Gigawatt überschreiten, die hierzulande installiert sind. Dann soll laut EEG Schluss sein mit den staatlichen Förderungen für kleine und mittelgroße Anlagen. Je mehr gebaut wird, desto schneller wäre der sogenannte Solardeckel erreicht. Für viele eine drohende Katastrophe. Körnig sieht Tausende Arbeitsplätze in Gefahr.

Denn obwohl großflächige Solarprojekte immer rentabler werden, gilt das für Aufdachanlagen noch nicht. Dort glauben Experten, dass es noch ein paar Jahre dauert, bis sich die Technologie auch ohne den entsprechenden Eigenverbrauch rechnet.

Laut einer aktuellen Umfrage im Auftrag des BSW spielt der Gedanke, von der staatlich garantierten Einspeisevergütung zu profitieren, aber immer noch bei 60 bis 70 Prozent der PV-interessierten Hausbesitzer eine wichtige bis sehr wichtige Rolle.

„Aber es geht nicht nur um die Förderung an sich, sondern vielmehr um die Frage, wie und mit was plane ich“, betont Michael Bönisch, Prokurist des Modulproduzenten Heckert Solar. Die fehlende Planungssicherheit verunsichere viele seiner Kunden. „Das Horrorszenario Deckel ist für uns schlimmer als Corona.“

Die Bundesregierung hatte zwar schon mehrfach angekündigt, den Solardeckel aufzuheben – passiert ist bislang jedoch nichts.

Die Verunsicherung in der Branche ist groß. Zu tief sitzt das Trauma von 2012. Damals wurden die üppigen Subventionen für Solaranlagen in Deutschland massiv gekürzt. In der Folge herrschte auf dem Markt ein harter Preiskampf, von dem chinesische Unternehmen ganz besonders profitierten. Günstiger als die Konkurrenz aus Asien konnten deutsche Firmen ihre Produkte nicht herstellen. Der Markt kollabierte. Zehntausende Jobs gingen verloren.

Im Heimatland der Photovoltaik setzte das Massensterben der Solarfirmen ein. Heute gibt es nur noch wenige, meist spezialisierte Modulhersteller wie Heckert Solar aus Chemnitz oder Produzenten von Wechselrichtern wie SMA Solar aus Kassel, die den Kahlschlag überlebt haben.

Seit drei Jahren geht es für die gebeutelte Branche wieder aufwärts. Die Nachfrage wächst, selbst in Krisenzeiten. Die Gründe dafür sind vielfältig. Auch die Angst vor dem drohenden Ende der Förderung dürfte den derzeitigen Boom befeuern. Wer jetzt noch schnell seine Anlage baut, sichert sich die Fördergelder. Woanders berichten Unternehmen wie Q-Cells schon von größeren Projekten, die aufgrund der fehlenden Planungssicherheit abgeblasen werden, weil sie nicht mehr rechtzeitig realisiert werden können.

„Wenn man jetzt sehenden Auges eine der weltweit schnell wachsenden Branche gegen die Wand fahren lässt, und das zum zweiten Mal – da fehlen mir die Worte“, ärgert sich Solarwatt-Chef Neuhaus. Und das gerade zu Zeiten, wo die Solarbranche noch eine der wenigen Wirtschaftszweige sei, die weitgehend von Kurzarbeit verschont geblieben sind, betont er.

Warum der Solardeckel nicht schon längst wie angekündigt aufgehoben wurde, scheint selbst in Berlin niemand so recht zu wissen. Schließlich ist die Aufhebung der Förderungsgrenze Bestandteil des im vergangenen Jahr verabschiedeten „Klimaschutzprogramms 2030“ und damit im Prinzip beschlossene Sache. Allerdings ist die Umsetzung Teil eines Gesamtpakets, über dessen einzelne Bestandteile seit Monaten diskutiert wird.

Dazu zählt etwa die künftige Regelung des Mindestabstands von Windrädern zur Wohnbebauung. Im vergangenen Jahr hatte Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) einen Vorschlag vorgestellt, der beim Koalitionspartner auf Widerstand gestoßen war. Bemühungen, einen Kompromiss zu finden, waren bislang nicht von Erfolg gekrönt. Auch die Offshore-Windbranche wartet noch darauf, dass die Koalition die Ausbaugrenze für Windräder auf hoher See anhebt.

SPD wird ungeduldig

Offiziell heißt es im CDU-geführten Bundeswirtschaftsministerium, zu den im Klimaschutzprogramm 2030 vereinbarten gesetzlichen Änderungen, zu denen die Aufhebung des Photovoltaik-Deckels zählt, laufe weiter die Abstimmung. „Wir setzen uns hier für eine zügige Einigung ein“, sagte eine Ministeriumssprecherin.

In der SPD wächst währenddessen die Ungeduld. „Die Verunsicherung der Branche ist berechtigt“, sagte Johann Saathoff, energiepolitischer Koordinator der SPD-Bundestagsfraktion, dem Handelsblatt. Im Bundeswirtschaftsministerium gehe man anscheinend davon aus, dass Photovoltaikanlagen-Anlagen derzeit ohnehin nicht errichtet würden.

„Weit gefehlt! Module gab es noch auf Lager, und die Lieferung aus Asien steht schnell wieder“, sagte Saathoff. Der SPD-Politiker plädiert dafür, die Frage der Deckelung der Photovoltaik-Förderung von den anderen Fragen rund um die erneuerbaren Energien zu entkoppeln. Gleiches fordert er für den Offshore-Deckel und die von Altmaier bereits für Ende vergangenen Jahres zugesagte Reform des Mieterstrom-Gesetzes. „An uns liegt es nicht“, sagte Saathoff.

Für die Solarbranche bleibt derweil nur zu hoffen, dass Berlin sich rasch einigt. Aber das Vertrauen in die Politik ist begrenzt. Das gute Geschäft in Coronazeiten, es könnte für die Photovoltaikindustrie zu einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung werden. Dann nämlich, wenn die Ausbauzahlen schneller steigen, als der langsam mahlende Politikbetrieb der Hauptstadt arbeitet.