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So wehren sich PKV-Versicherte gegen höhere Beiträge

Beitragserhöhungen der PKV sind mitunter unwirksam. Versicherte können Geld zurückverlangen, wenn sie dem Krankenversicherer Fehler nachweisen.

Steigende Beiträge in der Krankenversicherung machen Steuerstrategien attraktiver. Foto: dpa
Steigende Beiträge in der Krankenversicherung machen Steuerstrategien attraktiver. Foto: dpa

Seit 2003 ist Stefan Harms, 47, bei der Barmenia krankenversichert. Anfangs war er froh über die Extras als Privatpatient, wie das Einbettzimmer im Krankenhaus. Inzwischen ist die Euphorie verflogen. Denn jetzt zahlt er drei Mal so viel an Beitrag wie 2003. Bevor er 55 Jahre alt werde, wolle er zurück zu den gesetzlichen Krankenkassen (GKV), sagt Harms.

So wie Harms traf zum Jahresanfang viele Privatversicherte eine kräftige Beitragserhöhung, wie die WirtschaftsWoche berichtet hat. Marktführer Debeka beispielsweise verlangte im Schnitt 17,6 Prozent mehr für seine PKV-Tarife. Dabei galt die Debeka lange als Garant für stabile Beiträge. Damit ist es nun vorbei.

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Versicherer wie die Barmenia oder die Debeka begründen steigende Beiträge mit höheren medizinischen Kosten und dem Niedrigzins. Versicherte wie Harms zweifeln jedoch daran, dass die Beitragserhöhungen im Einzelfall in der Höhe berechtigt sind. Sie wehren sich daher juristisch gegen höhere Beiträge.

Die Versicherten und ihre Anwälte haben mehrere verschiedene rechtliche Hebel, um gegen Beitragserhöhungen in der PKV vorzugehen. Allerdings sind die Erfolgsaussichten sehr unterschiedlich. Meist setzen die Anwälte bei formalen Fehlern an, weil diese sich leichter belegen lassen als eine falsche Berechnung. Für Klagen nutzen sie eine oder mehrere von vier verschiedenen Optionen.

Falsche Begründung

Zwar müssen Versicherer nicht die komplette Kalkulation ihrer Beitragserhöhung offenlegen. Sie sind jedoch verpflichtet, zumindest die wichtigsten Informationen über die Ursachen weiterzugeben. Tun sich das nicht, wackelt womöglich auch der Beitragsaufschlag. Wie viel die PKV-Anbieter den Versicherten tatsächlich an Daten liefern müssen, ist seit langem juristisch umstritten.

Im Dezember vergangenen Jahres hat der BGH erste Vorgaben gemacht. Danach muss der Versicherer angeben, auf welcher Rechtsgrundlage er die Beiträge erhöht. Das können steigende Kosten für medizinische Leistungen sein oder eine höhere Lebenserwartung der Versicherten. Nicht angeben muss der Versicherer wie stark sich die Kosten, die Lebenserwartung oder andere beitragstreibende Faktoren wie etwa Rechnungszins verändert haben.

In den beiden vom BGH entschiedenen Fällen (IV ZR 294/19, IV ZR 314/19) ging es um Beitragserhöhungen der Axa Krankenversicherung in den Jahren 2014 bis 2017. Der Versicherer habe die Erhöhungen nicht ausreichend begründet, so der BGH. Er müsse daher die in den Jahren 2014 bis 2017 zu Unrecht kassierten Beitragsaufschläge erstatten. Die Beitragserhöhung zum 1. Januar 2018 sei dagegen korrekt gewesen, weil der Versicherer eine zulässige Begründung nachgeliefert habe.

Dieser juristische Hebel funktioniert für Beitragserhöhungen in der Vergangenheit. Mögliche Erstattungen stehen in der Regel Versicherten zu, die ihre Policen vor 2017 abgeschlossen haben. Denn inzwischen haben die meisten Versicherer ihre Begründungen an die Vorgaben des BGH angepasst. Betroffene Versicherte können für die vergangenen drei Jahre zu viel gezahlte Beiträge zurückverlangen. Ob höhere Rückforderungen möglich sind, ist juristisch nicht geklärt.

Unzulässige Klauseln

Es gibt genaue gesetzliche Vorgaben, wann ein Krankenversicherer die Beiträge erhöhen darf. Meist müssen dafür die tatsächlichen Kosten für medizinische Leistungen in einem Tarif um mehr als zehn Prozent über den zuvor berechneten liegen. Ein weiterer zulässiger Grund ist, wenn die Versicherten länger leben als die bisher verwendeten Statistiken vorgeben.

Allerdings nutzen einige Versicherer Klauseln für Beitragserhöhungen, die von den gesetzlichen Vorschriften abweichen. Sind diese Klauseln unzulässig, dann ist auch die Beitragserhöhung mit hoher Wahrscheinlichkeit unwirksam. So war es beispielsweise in einem Fall bei der DKV. Das Landgericht Bonn entschied, dass die Anpassungsklauseln unwirksam sind, weil der Versicherer auch unabhängig von gesetzlichen Vorgaben die Beiträge erhöhen darf (9 O 396/17, nicht rechtskräftig).

Auch das Oberlandesgericht Köln (9 U 237/19) habe ähnliche Anpassungsklauseln für unzulässig erklärt, sagt Anwalt Pilz: „Kippen die Gerichte diese Klauseln, hätte das auch Folgen für künftige Beitragserhöhungen.“ Noch allerdings stehen die Erfolge vor Gericht unter Vorbehalt. Denn bisher hat der BGH noch nicht über diese Klauseln entschieden.

Abhängiger Treuhänder

Sachverständige prüfen als Treuhänder im Auftrag des Krankenversicherers, ob die Beitragserhöhung inhaltlich korrekt ist. Die Finanzaufsicht BaFin kontrolliert, ob die Sachverständigen fachlich geeignet sind. Da die Treuhänder von den Krankenversicherern bezahlt werden, gibt es Zweifel an ihrer Unabhängigkeit. Anwalt Pilz glaubt, dass der Treuhänder bei der Barmenia nicht objektiv geprüft habe.

Allerdings sind Klagen wegen eines wirtschaftlich abhängigen Treuhänders bisher eine juristische Sackgasse. Denn der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass es nicht die Sache von Gerichten ist, zu überprüfen, ob ein Treuhänder von einem Krankenversicherer wirtschaftlich abhängig sei (IV ZR 255/17). Die BaFin habe sicherzustellen, dass der Treuhänder bei seiner Bestellung unabhängig sei. Die Aufseher müssen laut BGH dagegen nicht regelmäßig prüfen, ob der Sachverständige bei einem konkreten Auftrag wirtschaftlich abhängig gewesen sei oder nicht. Eine inhaltlich korrekte Beitragserhöhung dürfe nicht daran scheitern, dass der Sachverständige möglicherweise nicht objektiv gewesen sei, so der BGH.

Trotz des BGH-Urteils könnten die Aufseher eingreifen. „Die BaFin kann die wirtschaftliche Abhängigkeit eines Treuhänders prüfen, wenn sie Indizien für einen Missbrauch hat. Soweit das öffentlich bekannt ist, hat sie dies bisher aber nicht getan“, sagt Jurist Pilz. Es bleibt abzuwarten, ob die BaFin mit einem neuen Chef an der Spitze ihre bisherige Politik ändern wird.

Allerdings ist das BGH-Urteil zu den Treuhändern kein totaler Reinfall. Denn die Richter haben den Versicherten noch eine Hintertür offen gelassen.

Fehlerhafte Kalkulation

So wies der BGH im gleichen Urteil daraufhin, dass Gerichte weiterhin prüfen dürfen, ob die Kalkulation der Beitragserhöhung korrekt gewesen sei. Auch Anwalt Pilz setzt darauf seine Hoffnung. Der vom BGH zurückverwiesene Fall liegt derzeit beim Landgericht Potsdam. Ein Sachverständiger muss nun die Kalkulation des Krankenversicherers unter die Lupe nehmen.

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Wie Versicherte möglicherweise von einem Urteil profitieren, hängt vom möglichen Kalkulationsfehler ab. Geht es um die Rechnungsgrundlagen für den Tarif insgesamt, hätten alle Versicherte im Tarif einen Rückzahlungsanspruch. Ist nur eine bestimmte Beitragserhöhung fehlerhaft, wären auch nur diese zu viel gezahlten Beiträge erstattungsfähig. Noch allerdings haben die Potsdamer Richter nicht entschieden.

Gut für die Versicherten ist, dass die Gerichte grundsätzlich die Erhöhungen in der PKV stärker hinterfragen. Bevor Versicherte klagen, sollten sie jedoch mithilfe eines Anwalts versuchen, einen Vergleich mit dem Versicherer auszuhandeln. Auch der Barmenia-Versicherte Stefan Harms setzt auf Verhandlungen. Derzeit wartet er auf einen Gütertermin beim Landgericht Berlin.

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