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Der Skandal um Wirecard bringt die gesamte Branche der Wirtschaftsprüfer in Misskredit

Der Fall Wirecard hat eine Diskussion über die Rolle und die Bedeutung der Arbeit der Wirtschaftsprüfer entfacht. Dabei geht es nicht nur um EY.

Marc Tüngler ist Hauptgeschäftsführer der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW). Der Jurist sitzt zudem in verschiedenen Aufsichtsräten, darunter Freenet und Innogy. Daneben ist er Mitglied der Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex und Vorstand des Arbeitskreises deutscher Aufsichtsrat (AdAR). Foto: dpa
Marc Tüngler ist Hauptgeschäftsführer der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW). Der Jurist sitzt zudem in verschiedenen Aufsichtsräten, darunter Freenet und Innogy. Daneben ist er Mitglied der Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex und Vorstand des Arbeitskreises deutscher Aufsichtsrat (AdAR). Foto: dpa

Man sieht sie selten bis gar nicht in freier Wildbahn. Manchmal, auf Hauptversammlungen sitzen sie in der zweiten oder dritten Reihe, meist dezent am Rand. Dauert die Hauptversammlung länger, sind sie dagegen deutlich einfacher auszumachen. Bleiben sie doch geduldig bis zum Schluss sitzen. Der Grund: Erst am Ende der Hauptversammlung wird verkündet, ob sie für das laufende Jahr gewählt wurden oder eben nicht. Gemeint sind natürlich die Wirtschaftsprüfer.

Dass Wirtschaftsprüfer während der Hauptversammlung irgendwo unter den Eigentümern und damit unter den Aktionären zu finden sind, zeichnet allerdings ein vollkommen falsches Bild. Denn die Aktionäre nehmen den Wirtschaftsprüfer und seine Arbeit eigentlich nur sehr punktuell wahr. Ein echtes, direktes Verhältnis zwischen dem Abschlussprüfer und den Aktionären existiert nicht, auch wenn die Aktionäre den Prüfer wählen. Eigentlich ein Fehler im System.

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Das Testat und seit einigen Jahren das erweiterte Testat mit den Key Audit Matters und damit mit den Prüfungsschwerpunkten, die einen wesentlichen Einfluss auf die Rechnungslegung hatten, ist eigentlich das Einzige, was die Eigentümer von dem Wirtschaftsprüfer vernehmen.

Und trotzdem – oder vielleicht gerade deswegen – war das Vertrauen, das die Eigentümer in die Arbeit und damit die Prüfungshandlungen der Wirtschaftsprüfer setzen, bisher – trotz einiger Skandale in der Vergangenheit – enorm. Dieses Vertrauen hat spätestens seit dem 18. Juni 2020 und damit dem Implodieren der Wirecard AG massiv gelitten.

Die für Wirecard zuständige Wirtschaftsprüfungsgesellschaft EY trägt – unabhängig von den nahezu täglich neu ans Licht kommenden Tatsachen – durch ihr Verhalten erheblich dazu bei, dass dieses Misstrauen nicht nur in Bezug auf EY wächst, sondern sich auch auf die gesamte Branche ausbreitet.

Insofern ist es erstaunlich, dass es keinen lauten Aufschrei in der Wirtschaftsprüferszene gibt, obwohl die „Kollegen von EY“ es nahezu perfekt beherrschen, die gesamte Branche in Misskredit zu bringen.

Klar ist: Wirecard ist nicht überall! Alle Marktteilnehmer müssen aufpassen, wie auch der Regulierer genau darauf achten muss, dass nicht im Zuge des Wirecard-Skandals alles und jeder unter Generalverdacht gestellt wird.

Wenn wir aber jetzt im Rahmen der Aufbereitung des Wirecard-Skandals lernen müssen, wie gering der Wert mancher Aussagen der Wirtschaftsprüfer und ihrer Testate tatsächlich sein können, dreht sich allerdings das Spiel.

Und wenn immer wieder darauf hingewiesen wird, welche Prüfungshandlungen von einem gewählten Wirtschaftsprüfer eigentlich gerade nicht vorgenommen werden müssen, dann mag das zwar formell sowie materiell richtig sein, offenbart aber, wie sehr sich die Wirtschaftsprüferbranche durch die Aussagen von EY selbst demontiert beziehungsweise durch die EY-Kollegen demontieren lässt.

Die Wirtschaftsprüfer sollten sich zur Sache äußern

Als Wirecard-Geschädigter und Anleger schüttelt man nur noch mit dem Kopf, wenn man sich insbesondere das Gebaren von EY im Zusammenhang mit dem Untersuchungsausschuss vor Augen führt. Dabei geht es nicht nur um den Aspekt der Verschwiegenheitspflicht.

Auch die Tatsache, dass mit Christian Orth und Stefan Heißner zwei ranghohe, aber mit der Wirecard-Prüfung nicht unmittelbar betraute EY-Mitarbeiter im Untersuchungsausschuss aussagen beziehungsweise eben nicht aussagen, spricht eine deutliche Sprache.

Natürlich müssen sich Martin Dahmen und auch Andreas Loetscher als verantwortliche Wirecard-Prüfer nicht zu den Vorgängen und Prüfungshandlungen, die sie bei Wirecard erlebt und vorgenommen haben, äußern. Das gilt sicher besonders, wenn ein Ermittlungsverfahren der Wirtschaftsprüferaufsicht APAS gegen sie läuft.

Diese Fragen aber nur auf den juristischen Aspekt zu beschränken geht fehl. Und so entsteht der Eindruck, dass EY etwas zu verschweigen, zu verbergen hat und dass eine Aussage selbstbelastend ausfallen könnte. Denn wenn, wie EY unterstreicht, alles ordnungsgemäß im Rahmen der Prüfungen der letzten Wirecard-Abschlüsse gelaufen ist und man selbst Opfer von Betrug und Schauspielern geworden ist, dann würde eine Aussage auch nicht zu einer Belastung führen. Hier beißt sich die Katze mächtig in den Schwanz.

Der Gesetzgeber hat bereits erste Konsequenzen gezogen und mit dem Finanzmarktintegritätsstärkungsgesetz (FISG) neue Regeln für Wirtschaftsprüfer vorgeschlagen. Die Unabhängigkeit des Wirtschaftsprüfers soll gestärkt werden, indem die Prüfung stärker von der Beratung getrennt wird. Die Haftungssummen werden (moderat) hochgesetzt und die Bestellungsdauer auf maximal zehn Jahre reduziert. Weitere regulatorische Vorgaben werden sicher folgen.

Die Branche muss sich neues Vertrauen erarbeiten

Das wäre genau der richtige Zeitpunkt für die Branche, sich aktiv einzubringen, sich zu erklären. Aber der laute Aufschrei oder ein Aufbäumen bleiben – bisher – aus. Dabei wäre es gerade jetzt besonders wichtig, dass die Wirtschaftsprüfer endlich aus ihrem Schatten treten.

Und das übrigens nicht nur in der aktuellen Diskussion über die Qualität von Wirtschaftsprüfungen und die Verlässlichkeit von Testaten, sondern auch weit darüber hinaus. So sollte der Wirtschaftsprüfer deutlich stärker in den Fokus der Aufmerksamkeit der Gruppe treten, die das wirtschaftliche Risiko einer Unternehmung trägt. Das sind die Eigentümer beziehungsweise die Aktionäre.

Dies ist möglich durch mehr Transparenz über die Art und Weise, wie ein Wirtschaftsprüfer agiert, und durch die Möglichkeit für die Eigentümer, dem Wirtschaftsprüfer in der Hauptversammlung Fragen zu stellen.

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Dies ist mit der übergeordneten Frage verknüpft, für wen der Wirtschaftsprüfer eigentlich gewählt und aktiv ist. Heute ist der Wirtschaftsprüfer allein der Partner und Erfüllungsgehilfe des Aufsichtsrats. Die Aktionäre bleiben außen vor.

Aber auch die Wirtschaftsprüfer selbst müssen sich fragen, wie sie aus dem derzeitigen Dilemma und dem enormen Reputationsverlust, der eben weit über EY hinausgeht, einen Ausweg finden wollen. Denn ein Mehr an Verantwortung und ein Mehr an Unabhängigkeit werden nur dann wieder Vertrauen wachsen lassen, wenn das alles auch von einem hohen Maß an Transparenz begleitet wird.

Derzeit wird die Frage laut gestellt, was ein Testat eigentlich wert ist. Diese Diskussion kann sich eigentlich kein Wirtschaftsprüfer ernsthaft wünschen und erst recht nicht leisten. Und dennoch bleiben sie weiterhin im Schatten wie in der Hauptversammlung, wodurch sich der Reputationsschaden für die gesamte Branche nochmals deutlich vertieft – ein Teufelskreis.


Wer noch auffiel: Angekratztes Image

Felix Hufeld

Normalerweise rügt Felix Hufeld Banken und Versicherer für deren Fehler. Doch seit dem Zusammenbruch von Wirecard steht der Chef der Finanzaufsicht Bafin selbst massiv in der Kritik.

Denn statt den Betrugsskandal aufzudecken, hat seine Behörde Marktteilnehmer und Journalisten verklagt, die frühzeitig auf Missstände beim Zahlungsdienstleister hingewiesen hatten. Der Finanzplatz Deutschland und auch die Bafin haben dadurch einen großen Reputationsschaden erlitten.

Hufeld räumt ein, seine Behörde sei „nicht effektiv genug“ gewesen, um den Skandal zu verhindern. Dies ist aus Sicht des 59-jährigen Juristen jedoch in erster Linie auf fehlende Zuständigkeiten zurückzuführen – und nicht auf Fehler der Bafin.

Oppositionspolitiker sehen das anders und fordern seit Monaten Hufelds Rücktritt. Bisher steht Finanzminister Olaf Scholz (SPD) jedoch hinter Deutschlands oberstem Finanzaufseher. Andreas Kröner

Christian Lindner

Den richtigen Ton zu treffen: Für einen Spitzenpolitiker ist das entscheidend, besonders für einen in der Opposition. Christian Lindner hat den richtigen Ton in diesem Jahr des Öfteren nicht getroffen. Im ersten Lockdown klangen seine Äußerungen zu schrill, als er am ersten Tag des Lockdowns im Frühjahr eine Exit-Strategie einforderte und kurz darauf das Ende der Einmütigkeit im Krisenmanagement verkündete.

Die Bürger hatten sich da gerade erst eingeigelt, tief verunsichert durch die Bilder aus dem italienischen Bergamo. Da war es wieder, das Bild des kalten Liberalen. Wenige Wochen zuvor erst hatte sich FDP-Mann Thomas Kemmerich von der AfD zum Ministerpräsidenten Thüringens wählen lassen – ein Image-GAU, den Lindner nicht verhindert hatte.

Im Sommer vergriff sich der Parteichef gegenüber der geschassten Generalsekretärin Linda Teuteberg erneut im Ton. Immerhin: Zum Jahresende scheint Lindner sein Gespür wiederzufinden. Seine Kritik etwa an der Umgehung der Parlamente kommt bei bürgerlichen Wählern an, denen die aktuelle Corona-Politik zu weit geht. Till Hoppe

Kasper Rorsted

Drei Streifen und viele Probleme: Mitte März kündigte Kasper Rorsted noch neue Rekorde an für 2020. Mitte April war der Adidas-Chef schon der Buhmann der Nation. Der Däne hatte völlig unterschätzt, welch verheerende öffentliche Wirkung eine für den Sportkonzern an sich eher nebensächliche Entscheidung haben würde.

Rorsted wollte wegen der Coronakrise die Mieten für die Läden in Deutschland kürzen. Der 58-Jährige entfachte einen Sturm der Entrüstung, Politiker und Konsumenten fielen über Rorsted regelrecht her. Der Manager entschuldigte sich zwar schnell und zahlt seither vollständig seine Mieten. Aber das Image ist angekratzt.

Damit nicht genug des Ärgers: Im Sommer musste Rorsteds Personalchefin Karen Parkin gehen, weil sie beim sensiblen Thema Rassismus in Amerika nicht genügend Fingerspitzengefühl zeigte. Sie war die einzige Frau im Adidas-Vorstand. Immerhin, das Vertrauen des Aufsichtsrats genießt der Ex-Chef von Henkel. Sein Vertrag wurde vorzeitig bis 2026 verlängert. Joachim Hofer

Philipp Amthor

Er hätte der jüngste Ministerpräsident Deutschlands werden können, mindestens aber Vorsitzender der CDU in Mecklenburg-Vorpommern: Philipp Amthor, 28, galt als Hoffnungsträger der Konservativen – nicht nur in Mecklenburg-Vorpommern.

Doch dann wurde öffentlich, dass er für ein amerikanisches Unternehmen lobbyiert hatte und von eben jener „Augustus Intelligence“ auch noch als „Board Member“ mit Aktienoptionen ausgestattet worden war. Amthor räumte seinen Fehler ein, erklärte, er sei nicht käuflich – und tauchte ab.

Seine Kandidatur zum Landesvorsitzenden musste er begraben. Dabei gilt Amthor wie kaum einer im Politbetrieb als Marke. Jung und altklug, wohl aber mit dem Wissen um die Mechanismen des politischen Systems, tritt er stets adrett gekleidet und höflich im Umgang auf.

Bei seinem Fehltritt jedoch half dem Jurist und passionierten Jäger auch sein rhetorisches Geschick nicht. Dennoch bleibt Amthor für Konservative wichtig. CDU-Direktkandidat ist er jedenfalls wieder, sodass er um den erstmaligen Wiedereinzug in den Bundestag kämpfen kann. Daniel Delhaes

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