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Warum Sebastian Kurz wieder mit der Skandalpartei FPÖ regieren will

Das Ibiza-Video hat endgültig das korrupte Wesen der FPÖ entblößt. Dennoch werden die Wähler der Partei am Sonntag wohl erneut den Weg zur Macht bereiten.

Sebastian Kurz und Norbert Hofer stehen sich im TV-Duell gegenüber. Foto: dpa
Sebastian Kurz und Norbert Hofer stehen sich im TV-Duell gegenüber. Foto: dpa

Die Ibiza-Affäre um ihren früheren Parteichef und ehemaligen Vizekanzler Heinz-Christian Strache lässt die FPÖ auch kurz vor den Wahlen in Österreich am Sonntag nicht los. Ein früherer Leibwächter Straches soll über Jahre belastendes Material über den Ex-FPÖ-Chef gesammelt haben. Nach einer Hausdurchsuchung wurde der Bodyguard und ehemalige Wiener FPÖ-Kommunalpolitiker vorübergehend festgenommen und vernommen.

Der Leibwächter soll eng mit den Drahtziehern des Ibiza-Videos kooperiert haben. Auch Straches ehemalige Assistentin wurde vernommen.

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Die Aufnahmen in einer Ferienvilla auf der spanischen Ferieninsel haben nach der Veröffentlichung im Mai zum Bruch der Regierungskoalition aus ÖVP und FPÖ unter Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) geführt. Seit Juni regiert eine Übergangsregierung. Die frühere Verfassungsgerichtspräsidentin Brigitte Bierlein fungiert als Bundeskanzlerin. Die FPÖ hat nach der Affäre den früheren Verkehrsminister Norbert Hofer als Parteichef gewählt.

Obwohl die Spekulationen rund um die Ibiza-Affäre das große Wahlkampfthema sind, hat der größte Politikskandal der vergangenen Jahrzehnte auf das Wahlverhalten offenbar kaum Auswirkungen. Das zumindest legen die Umfragewerte nah.

Nach einer aktuellen Meinungsumfrage des österreichischen Privatsender Puls kommt die FPÖ weiterhin auf 20 Prozent und wird die drittstärkste Partei. Als klarer Wahlsieger zeichnet sich die konservative ÖVP unter Kurz mit 34 Prozent ab. Die sozialdemokratische SPÖ mit ihrer Kanzlerkandidatin und Parteichefin Pamela Rendi-Wagner kommt auf 22 Prozent.

Den Einzug in das österreichische Parlament schaffen die Grünen nach den letzten Vorhersagen mit 13 Prozent spielend. Die liberalen Neos, die seit Jahren vom Strabag-Gründer Hans Peter Haselsteiner finanziell gefördert werden, kommen laut Demoskopen auf acht Prozent

Strache wird Untreue vorgeworfen

Noch immer ist ungeklärt, wer hinter dem im Sommer 2017 heimlich gedrehten Video steckt. Ob ein Zusammenhang mit dem ehemaligen Leibwächter Straches besteht, ist ebenfalls noch unklar. Der 49-Jährige soll angeblich aus Rache und persönlicher Enttäuschung belastendes Material über Strache gesammelt haben.

Gegen Strache wird wegen des Verdachts auf Untreue ermittelt. Der bei seinen Anhängern einst so populäre FPÖ-Chef soll bei seiner Spesenabrechnung betrogen haben. Über sein Spesenkonto, auf dem ihm monatlich 10.000 Euro zur Verfügung standen, soll er zwischen 2014 und 2018 auch Privatrechnungen beglichen haben.

Strache bestreitet den Vorwurf der Untreue und sieht seinen früheren Leibwächter als Teil eines „kriminellen Netzwerkes“. Der Rechtspolitiker sieht sich als Opfer einer „Schmutzkübelkampagne“.

Den Praxistest zur Wirkung der Veröffentlichung des Ibiza-Videos gab es bereits Ende Mai bei den Europawahlen. Damals büßte die FPÖ nur 2,5 Prozent der Stimmen ein und kam auf 17,2 Prozent.

Die meisten Stimmen erhielt damals Strache, der für das Europaparlament kandidierte. Auf Druck seiner Partei nahm er das Mandat in Straßburg nicht an. Im Gegenzug erhielt seine Ehefrau Philippa bei den Nationalratswahlen einen sicheren FPÖ-Listenplatz. Der Einzug der 32-Jährigen in das nächste österreichische Parlament gilt als sicher.

Die paradoxe Situation zwischen öffentlicher Debatte und tatsächlichem Wahlverhalten im Fall der FPÖ hat Folgen. In etlichen TV-Debatten hat sich ÖVP-Chef Kurz die Neuauflage einer konservativ-rechtspopulistischen Regierung offengehalten.

Politische Beobachter in Wien halten diese Koalition für die wahrscheinlichste. In der Wirtschafts-, Finanz-, Sozial- und Migrationspolitik geben es zwischen den Positionen von Kurz und dem neuen FPÖ-Chef Hofer zahlreiche Schnittmengen.

Eine konservativ-liberale Regierung aus ÖVP und Neos wird nach den bisherigen Umfragen rein rechnerisch nicht möglich sein. Eine Große Koalition zwischen ÖVP und SPÖ nach deutschem Vorbild will Kurz vermeiden. Sein Verhältnis zu Pamela Rendi-Wagner, die ihn mit ihrem konstruktiven Misstrauensantrag als Kanzler im Frühjahr stürzte, gilt als schwierig.

Hinzu kommt, dass sich auch die österreichischen Wähler größtenteils keine Neuauflage der Großen Koalition wünschen. Die Erinnerung an den politischen Stillstand des rot-schwarzen Bündnisses in früheren Jahren ist dafür zu präsent in den Köpfen vieler Österreicher.

Die FPÖ lehnt eine Minderheitsregierung ab

Zuletzt hat Kurz – der Kanzler mit der bisher kürzesten Regierungszeit seit dem Zweiten Weltkrieg in Österreich – eine Minderheitsregierung unter seiner Führung ins Spiel gebracht. Die frühere Haider-Partei lehnt eine solche Variante aber ab.

„Die FPÖ spricht sich gegen Experimente aus. Eine Minderheitsregierung – egal von welcher Partei – wird von uns daher nicht unterstützt“, sagte FPÖ-Chef Hofer zuletzt bei einer Debatte der Spitzenkandidaten im österreichischen Fernsehen.

Kurz ist in Österreich weiter der mit Abstand populärste Politiker. Seine Partei hat der 33-Jährige zu einem Kanzlerwahlverein umfunktioniert. Der Wahlkampf, sowohl auf der Straße als auch in den sozialen Netzwerken, ist ganz auf ihn zugeschnitten. Mit großem persönlichem Einsatz tourt der frühere Jura-Student seit dem Sommer durch die Alpenrepublik. Unermüdlich steht er für Selfies bereit.

In dieser Woche präsentierte die ÖVP ihr Abschlussplakat für den Wahlkampf. Darauf heißt es unübersehbar: „Seine Gegner sagen: ,Kurz muss weg‘. Aber DU entscheidest.“ Kurz hatte zuletzt den Klimaschutz, den Kampf gegen illegale Einwanderung, eine steuerliche Entlastung und einen ausgeglichenen Staatshaushalt in den Mittelpunkt seiner Kampagne gestellt.

Zunehmend trübt sich auch die Konjunktur im exportabhängigen Österreich ein. Wirtschaftsforschungsinstitute wie das Wifo in Wien prognostizieren, dass die ökonomische Dynamik des Landes weiter an Fahrt verlieren wird. Das Wirtschaftswachstum soll demnach in diesem Jahr auf 1,7 Prozent und im Jahr 2020 auf 1,5 Prozent weiter sinken. Im vergangenen Jahr lag es bei einem Bruttoinlandsprodukt (BIP) von knapp 386 Milliarden Euro noch bei 2,4 Prozent.

Österreich verstößt mit einer Verschuldung von knapp 74 Prozent des BIP seit vielen Jahren gegen die Maastricht-Kriterien. Der Schuldenstand der Alpenrepublik betrug im vergangenen Jahr 287 Milliarden Euro. Egal, welche Parteien die künftige österreichische Regierung stellen: Sie werden mit einem schwierigeren ökonomischen Umfeld zu kämpfen haben.