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Umziehen statt bezahlen – wie der Gründer von Flexstrom seinen Gläubigern entkam

Als Robert Mundt noch Vorstandschef des Berliner Energieanbieters Flexstrom war, glich der Fuhrpark seines Unternehmens einem Traum für Autoliebhaber. Ein Audi R8 stand dort zur Auswahl, eine Mercedes-S-Klasse mit AMG-Motor, ein BMW X6 und ein Bentley Cabrio. Das war 2013. Dann meldete Flexstrom Insolvenz an und hinterließ Schulden von insgesamt 511 Millionen Euro.

Geschädigte zeigten Mundt an, die Staatsanwaltschaft ermittelte jahrelang. Der Insolvenzverwalter von Flexstrom forderte sechs Millionen Euro von Mundt. Es war der Betrag, der im November 2012 von einem Unternehmenskonto auf ein privates Konto des Vorstandschefs floss. Die Überweisung war verdächtig – zu diesem Zeitpunkt beklagten sich schon zahllose Geschäftspartner über Zahlungsrückstände von Flexstrom.

Im Januar 2013 leitete die Bundesnetzagentur als Aufsichtsbehörde ein Verfahren zur Untersagung des Geschäftsbetriebs ein, im April 2013 meldete Flexstrom Insolvenz an. Vor Gericht wehrte sich Mundt gegen die Rückzahlung der sechs Millionen Euro. Dann geschah etwas Seltsames. Im Juni 2015 urteilte das Landgericht Berlin, Mundt müsse 2,1 Millionen Euro zahlen. Der Insolvenzverwalter ging in Berufung und forderte die übrigen 3,9 Millionen.

Plötzlich lenkte Mundt ein. Er wollte die ganzen sechs Millionen Euro zahlen, plus Zinsen und Anwaltskosten. Doch es kam anders. „Freiwillige Zahlungen leistete Herr Mundt in der Folge nicht, weshalb ich die Zwangsvollstreckung einleitete“, heißt es dazu in einem Schreiben des Insolvenzverwalters Christoph Schulte-Kaubrügger von der Kanzlei White & Case an die Gläubiger.

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„Mit Schreiben vom 28.9.2015 teilte das für die Zwangsvollstreckung zuständige Amtsgericht Schöneberg mit, dass die Zwangsvollstreckung nicht möglich sei, da Herr Mundt nach Großbritannien verzogen sei. Im weiteren Verlauf des Zwangsvollstreckungsverfahrens stellte ich fest, dass Herr Mundt ein Verbraucherinsolvenzverfahren in Großbritannien beantragt hatte.“

Mundt hatte den Insolvenzverwalter ausgetrickst. Privatinsolvenzen in Großbritannien sind unter gescheiterten deutschen Geschäftsleuten beliebt. Dauert es in Deutschland mindestens sieben Jahre, bis Ansprüche von Gläubigern verfallen, sind es auf der Insel nur zwölf Monate. Unter Stichworten wie „Insolvenztourismus“ werben Anwälte ganz offen für einen Umzug. Der Rat auf einschlägigen Internetseiten: „Ein Insolvenzverfahren ist oft billiger, als die Schulden zu bezahlen.“

Laut Gesetzbuch muss der Insolvenzflüchtling tatsächlich in Großbritannien leben, darf also dort nicht nur einen Briefkasten einrichten, um seine Gläubiger loszuwerden. Auffällig oft allerdings melden Betroffene ihren Wohnsitz in der Nähe von Flughäfen an. Auch Robert Mundt hätte mit dem Fahrrad keine fünf Minuten gebraucht, um von seiner neuen Adresse den Londoner City Airport zu erreichen.

Der Insolvenzverwalter schrieb im März 2018 an die Gläubiger: „Ich gehe davon aus, dass Herr Mundt seinen tatsächlichen Aufenthalt weiterhin in Deutschland hat. Ich werde zum Fortgang meiner Bemühungen, Zahlungen von Herrn Mundt zu erhalten, demnächst weiter berichten.“

Bisher gibt es nichts zu sagen. Mundt hat in Großbritannien tatsächlich eine sogenannte Restschuldbefreiung erhalten – in Sachen Flexstrom wäre er damit fein raus. Doch der Insolvenzverwalter will nicht aufgeben. Er prüft, das ganze britische Insolvenzverfahren annullieren zu lassen. Das ist möglich, wenn ein Schuldner falsche Angaben über seine Vermögensverhältnisse oder seinen Lebensmittelpunkt macht.

Wo ist Mundt? Sein Anwalt Carsten Wegner möchte eine aktuelle Adresse seines Mandanten nicht nennen – zu dessen Schutz, wie er sagt. Auch eine Telefonnummer ist nicht zu finden. Wer in Berlin nach Mundt sucht, landet bei einer alten Adresse: einer Villa zwischen den Botschaften des Libanons und des Sultanats Oman gelegen. Das Klingelschild ist weiß.

Als sich die Tür öffnet, ist eine Frau mit einem Kleinkind zu sehen. „Das Haus gehört nicht Robert Mundt“, sagt sie. Ob sie ihn kennt? Keine Antwort. Auch eine Nachbarin knurrt: „Ich gebe zu Herrn Mundt keine Auskunft.“ Zwei Arbeiter von der Baustelle nebenan sind auskunftsfreudiger: Ja, Herrn Mundt würden sie hier hin und wieder sehen. „Er ist ein freundlicher Mensch.“

Gläubiger gehen leer aus

Seinen Gläubigern hilft das nicht. Mundt hat sie abgehängt. Und auch die Staatsanwaltschaft Berlin will ihm nichts wirklich Böses mehr. Der Insolvenzverwalter beschrieb detailliert, dass Flexstrom seiner Expertise nach schon seit Ende 2009 überschuldet war – mehr als drei Jahre vor dem Insolvenzantrag.

Trotzdem verzichtete die Staatsanwaltschaft gerade darauf, Mundt wegen Insolvenzverschleppung anzuklagen. Auch die Tatvorwürfe Bankrott und Betrug sind vom Tisch. Nur Untreue steht noch im Raum – und wird bestritten. Mundts Verteidiger Wegner sagt: „Wir gehen davon aus, auch die Untreuevorwürfe vor Gericht entkräften zu können.“

Robert Mundt schaut nach vorn. Die Forderung des Insolvenzverwalters liegt hinter ihm – ebenso die 700 000 Kunden, die er bei Flexstrom im Regen stehen ließ. Und wollte Mundt mit Flexstrom schon den ganzen Strommarkt aufmischen, so ist er danach ein noch größeres Projekt angegangen: die Revolution des Einkaufens, europaweit.

Weeconomy AG heißt das Vorhaben. Angepriesen wird ein Cash-Back-System, bei dem Kunden statt Bonuspunkten tatsächlich Geld erhalten. Initiator ist Cengiz Ehliz, der 2003 schon zu den Vätern von Flexstrom gehörte. Mundt hat kein Amt bei Weeconomy, spielt sich aber trotzdem in den Vordergrund. So stand er im November 2017 vor 2800 Gästen in Bad Tölz auf derselben Bühne wie der Hauptredner des Abends: Edmund Stoiber.

Ob der Ehrenvorsitzende der CSU wusste, worauf er sich einließ? Weeconomy startete als Vertriebsmaschine. Tausende waren unterwegs, um das System in den Markt zu drücken. Um mitzumachen, mussten sie aber erst mal fast 1000 Euro zahlen, um eine Software zu erhalten. 2016 kam so ein Umsatz von 60 Millionen Euro zustande. Dann brach er ein – wie schwer, will das Unternehmen auch auf Nachfrage nicht verraten.

Die Muttergesellschaft der Weeconomy heißt Swiss Fintec Invest AG. Im vergangenen Oktober lag ihr Aktienkurs bei fast zehn Euro, aktuell sind es 29 Cent. Die Gesellschaft schrieb 2017 einen Bilanzverlust von 9,7 Millionen Euro. Nun soll neues Kapital her. Ein ICO, ein sogenannter virtueller Börsengang, ist schon in Vorbereitung.

Mundt hat bei alledem offiziell keine Funktion. Das hätte einen Vorteil: Geht es wieder schief, müsste er nicht einmal umziehen.