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Die Politik verläuft sich auf der Suche nach mehr Klimaschutz

Junge Demonstranten gehen weltweit auf die Straße und fordern mehr Engagement der Politik in Sachen Klimaschutz. Die reagiert allerdings nur gestresst.

Es ist schwierig, diesem Ansturm argumentativ etwas entgegen zu setzen, denn die Jugend ist sauer. Was mit einem einsamen Protest der schwedischen Schülerin Greta Thunberg in Stockholm im August begann, ist zu einer Bewegung geworden. Tausende Jugendliche gehen seitdem regelmäßig freitags auf die Straße und demonstrieren für mehr Klimaschutz. Und es werden immer mehr: Weltweit gab es Streiks in mehr als 2.000 Städten und 120 Ländern. Allein in Berlin sind es an diesem Freitag 20.000 Jugendliche.

Ob in Berlin, in Sydney, Warschau oder Madrid, überall ist die Botschaft der Protestbewegung „Fridays for Future“ dieselbe: „Gemeinsam fordern wir von den Regierungen unserer Länder und der internationalen Staatengemeinschaft, unsere Zukunft nicht weiter kurzfristigen Interessen zu opfern.“

Manchen Politikern imponiert das, fordern ebenfalls mehr Engagement, andere verweisen auf die Schulpflicht, die missachtet werde - und sie wirken damit ziemlich hilflos. Thomas Oppermann, SPD-Abgeordneter und Vizepräsident des Bundestages, freut sich zu Beginn der Bundestagsdebatte, die am Freitag auf Antrag der Grünen einberufen worden war, über diese „höchst aktuelle Stunde“. Wenn Schüler wie in Berlin mit Ernsthaftigkeit und einer „fröhlichen Grundhaltung“ für den Klimaschutz demonstrieren würden, dann sei dies ein Beitrag zur „demokratischen Willensbildung“.

Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter spricht von einem „unglaublich starken Signal“. Um verpasste Stunden müsse man sich bei diesen Schülern keine Sorgen machen.

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Wie schon bisher sind es vor allem Politiker der Union und der FDP, die immer wieder auf die Schulpflicht zu sprechen kommen - ganz so, als würden Streiks immer dann stattfinden, wenn sie am wenigsten stören. In der Schule lernten die Schüler, warum das Klima gefährdet ist, meint Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU), und sie lernten die Grundlagen dafür, „dass sie selbst Lösungen entwickeln, um die gewaltigen Herausforderungen, vor denen die Menschheit steht, zu bewältigen“.

FDP-Klimapolitiker Lukas Köhler findet einen anderen Dreh, sich nicht vollends von der Linie seines Parteivorsitzenden Christian Lindner zu distanzieren. Natürlich könne man darüber diskutieren, ob es okay sei, die Schule zu schwänzen, sagt Köhler, er halte das jedoch für langweilig. Er warnt davor, die Schüler für politische Zwecke zu instrumentalisieren. Man solle sie ernst nehmen und müsse gerade deshalb auch ihre Argumente hinterfragen und sich mit ihnen auseinandersetzen.

Die AfD, die den menschengemachten Klimawandel bezweifelt, fordert die Einhaltung der Schulpflicht. „Sie scheren sich einen Kehricht um Recht und Gesetz, wenn nur die Gesinnung stimmt“, sagt der Abgeordnete Götz Frömming an die Adresse derjenigen Abgeordneten gerichtet, die die Proteste begrüßen. Der AfD-Abgeordnete Marc Jongen sprach von einer „wahnhaften, infantilen Klimapolitik“ in Deutschland, die jungen Leute sollten nicht in eine Hysterie hineingetragen werden.

Anja Weisgerber, Klimaschutzbeauftragte der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, spricht sich erneut für Demonstrationen nach Schulschluss aus. Sie allerdings ist eine derjenigen, die langsam einen Schwenk in der Unionspolitik vollziehen. Weg von der ständigen Kritik, der ständigen Verschleppung - das ist der neue Kurs.

Ein Klimakabinett soll den Vorstoß bringen

Die geplante Einsetzung eines Klimakabinetts, von dem nicht bekannt ist, wann es erstmals zusammentreten wird, das aber die rechtlich verbindliche Umsetzung der Klimaschutzziele 2030 vorbereiten soll, stößt auf Weisgerbers volle Unterstützung. Die zuständigen Fachminister müssten jetzt Teamgeist beweisen und gemeinsame Lösungen finden, fordert sie. Ein Maßnahmenkatalog solle „möglichst schnell“ erarbeitet werden. Beste Umweltinnovationen seien notwendig, um der großen Herausforderung Klimawandel zu begegnen. Auch die Automobilindustrie müsse dafür die Technologieführerschaft übernehmen. „Es ist höchste Zeit.“

Die Union hat lange geglaubt, sie könne das Thema wie bislang nur halbherzig angehen. Allerdings wurde im Koalitionsvertrag vereinbart, bis Ende 2019 ein Gesetz zu verabschieden, mit dem die Klimaschutzziele 2030 erreicht werden sollen, nachdem schon die Ziele für 2020 verfehlt werden.

Doch vollends als Blockierer dastehen will die Union nicht. Seit Tagen fordert sie darum vehement einen Neuanlauf bei der Förderung der energetischen Gebäudesanierung. Die Kanzlerin lädt zum Mobilitätsgipfel - ein Zeichen, dass sie nicht mehr gewillt ist, Stillstand hinzunehmen. Und die Spitzen der Koalition einigen sich auf ein Klimakabinett, das jetzt den Durchbruch für das geplante Klimaschutzgesetz bringen soll.

Ende Februar hatte Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) einen Entwurf für ein Klimaschutzgesetz vorgelegt, in dem Ziele für das Einsparen von Treibhausgasen für einzelne Bereiche wie Verkehr oder Gebäude formuliert waren. Wie diese Ziele erreicht werden, will Schulze den zuständigen Fachministern überlassen. Bei der Union stieß der Plan jedoch zunächst auf Widerstand.

Und es bleiben Zweifel, dass sie tatsächlich bereit ist für mehr Engagement beim Klimaschutz. Ein Interview von CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer mit RTL zeigt die ganze Zerrissenheit. Statt offensiv auf den Klimaschutz einzugehen, befasst auch sie sich lange mit den Themen Schuleschwänzen, Fehltagen und Eigenverantwortlichkeit von Schülern.

Die Ambitionslosigkeit der Politik stört die jungen Demonstranten

Doch die jungen Demonstranten werden nicht locker lassen, werden sie seit einigen Tagen doch auch von Tausenden von Wissenschaftlern unterstützt. Sie wissen, dass sie ein Versagen offen legen, was so imponierend schnell nicht einmal die klassische Umweltbewegung geschafft hat. „Die Schülerinnen und Schüler fordern ihre Grundrechte ein: Die Generation, die heute die Entscheidungen trifft, darf die Zukunft der kommenden Generationen nicht durch eine Eskalation der Klimakrise aufs Spiel setzen“, sagt Christoph Bals, Politischer Geschäftsführer der Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch.

„Wir fordern Bundes- und Landesregierungen in Deutschland auf, darauf nicht einfach mit netten Worten, sondern mit konkreten Schritten für ernsthaften Klimaschutz zu reagieren. Für die Bundesregierung bedeutet das: Wir brauchen ein ambitioniertes Kohleausstiegsgesetz, ein Klimaschutzgesetz für alle Sektoren und die Einführung eines CO2-Preises auch außerhalb des Emissionshandels“, so Bals.

Bals befürchtet, dass die Proteste der Beginn einer großen gesellschaftlichen Auseinandersetzung werden könnte. „Fridays for Future zeigt erstmals einen weltweiten Generationenkonflikt, der 1968 in den Schatten stellen könnte, wenn die Rechte der jungen und kommenden Generationen weiterhin ignoriert werden“, meint Bals. Niemand sollte sich darüber täuschen, dass massive wirtschaftliche Kurzfristinteressen sowie menschliche Trägheit und Fantasielosigkeit das notwendige Handeln zu blockieren drohen. Und mahnt: „Die Bundesregierung und die EU haben in den nächsten Monaten die Gelegenheit, ernsthafte Klimapolitik umzusetzen.“

Es ist vor allem diese Ambitionslosigkeit der Koalition, an der sich junge Leute zunehmend stören. Einerseits unterschreibt die Regierung das Pariser Klimaabkommen, demzufolge die Erderwärmung auf zwei Grad, besser 1,5 Grad im vorindustriellen Vergleich begrenzt werden soll. Andererseits scheut sie sich aber davor, konkrete Maßnahmen zu beschließen, wie die Ziele erreicht werden sollen. Mitunter will sie noch nicht einmal darüber diskutieren - wie über die Bepreisung des klimaschädlichen CO2 außerhalb des Emissionshandels.

Insofern ist ein Lob gerade von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) an die demonstrierenden Schüler ein vergiftetes - schließlich hatte sie, Kanzlerin seit 2005, ausreichend Zeit, beherzter gegenzusteuern und dem weit verbreiteten Irrglauben entgegenzutreten, mehr Ökologie sei zugleich weniger Ökonomie – der Klimaschutz koste zwangsläufig Wachstum und gefährde die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie und damit deutschen Wohlstand. Entsprechend groß sind die Beharrungskräfte.

„Kein Klimaschutz wird auf Dauer sehr teuer“, mahnt Umweltministerin Schulze zu Recht. Dafür sorgten schon allein die Strafzahlungen, die künftig fällig würden, wenn Deutschland seine innerhalb der EU vereinbarten Klimaziele nicht erreiche, so die SPD-Politikerin, die es ähnlich wie ihre Vorgängerin Barbara Hendricks nicht leicht hat, sich mit ihren Themen zu behaupten. Da sei es doch besser, aktiv in die ökologische Modernisierung der Wirtschaft einzugreifen als Strafzahlungen leisten zu müssen, sagt Schulze am Freitag.

Die Bundesregierung, meint SPD-Chefin Andrea Nahles, werde 2019 zum Klimajahr machen. Tatsächlich kann sich die Welt kein weiteres verschenktes Jahr beim Klimaschutz leisten. Erst in dieser Woche schlug ein Bericht der Vereinten Nationen Alarm, demzufolge ein Viertel der Erkrankungen und vorzeitigen Todesfälle weltweit durch Umweltverschmutzung und -zerstörung verursacht wird. Der Bericht führt auch Probleme auf wie die Vermüllung der Ozeane durch Plastik. Vor allem ein Aspekt sollte für Aufmerksamkeit sorgen: dass die zunehmende Umweltverschmutzung immer größere wirtschaftliche Schäden verursacht.