Werbung
Deutsche Märkte öffnen in 8 Minuten
  • Nikkei 225

    38.835,10
    +599,03 (+1,57%)
     
  • Dow Jones 30

    38.852,27
    +176,59 (+0,46%)
     
  • Bitcoin EUR

    59.135,18
    -603,06 (-1,01%)
     
  • CMC Crypto 200

    1.364,90
    -0,23 (-0,02%)
     
  • Nasdaq Compositive

    16.349,25
    +192,92 (+1,19%)
     
  • S&P 500

    5.180,74
    +52,95 (+1,03%)
     

Plan der EU-Kommission: So soll Europa binnen fünf Jahren zur Digitalmacht aufsteigen

Laut EU-Kommission müssen die EU-Länder jährlich 190 Milliarden Euro investieren, um digital aufzuholen. Der BDI fordert den Abbau kartellrechtlicher Hürden.

Die bürgerliche Revolution in Frankreich, die industrielle Revolution in England und die proletarische Revolution in Russland: Europa stand bei weltumstürzenden Veränderungen stets im Mittelpunkt. Bis die digitale Revolution ausbrach und die Europäer immer mehr an den Rand drückte. „Europa konsumiert meist Technologien, die von außerhalb kommen“, konstatiert die EU-Kommission in einem neuen Grundsatzpapier zur Digitalisierung. So dürfe es nicht weitergehen.

Die Europäer müssten es endlich selbst schaffen, „diese Technologien zu entwickeln, entsprechend unserer Bedürfnisse und Prinzipien“, heißt es in der Mitteilung „Europe Fit for the Digital Age“, die EU-Kommissionsvizin Margrethe Vestager und Industriekommissar Thierry Breton kommende Woche vorstellen. Das Papier liegt dem Handelsblatt vor.

Darin formuliert die Kommission eine anspruchsvolle Vision: Die EU soll binnen weniger Jahre vom digitalen Nachzügler zu einer „globalen digitalen Schlüsselfigur“ aufsteigen. Um das zu schaffen, müsse die europäische Staatengemeinschaft bis 2025 Folgendes erreichen:

WERBUNG
  • schnelles Internet mit einer Datenübertragungsgeschwindigkeit von mindestens 100 Megabits pro Sekunde für alle europäischen Haushalte

  • noch schnelleres Internet (Gigabit) für Unternehmen, Schulen, Krankenhäuser und andere Institutionen

  • 70 Prozent der Bevölkerung haben digitales Basiswissen (heute 57 Prozent)

  • Fortbildung von einer halben Million Arbeitnehmern zu IT-Experten

  • Zugängliche elektronische Gesundheitsdaten für alle Europäer

  • Senkung der CO2-Emissionen um zehn Prozent mithilfe von Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT)

  • Klimaneutrale Datenzentren, IKT-Infrastrukturen und Tech-Unternehmen

Die Kommission werde „alle ihr zur Verfügung stehenden legislativen und nicht-legislativen Instrumente nutzen“, um diese Ziele zu erreichen, heißt es in dem Text.

Der nötige Digitalisierungsschub kostet eine Menge Geld. In Europa belaufe sich die Investitionslücke im Vergleich zu den USA und China auf 190 Milliarden Euro pro Jahr, heißt es in dem Papier. Wie viel die Kommission selbst zu dieser Summe beitragen kann, entscheiden die EU-Mitgliedstaaten. Sie verhandeln in Brüssel gerade über die finanzielle Ausstattung der Brüsseler Behörde in den kommenden sieben Jahren, im Fachjargon Mehrjähriger Finanzrahmen (MFR) genannt.

„Eine Strategie für das digitale Zeitalter muss die EU entsprechend auch mit finanziellen Mitteln unterlegen“, mahnt der CSU-Europaparlamentarier Markus Ferber. „Darüber sollten sich die Mitgliedstaaten in den Verhandlungen über den MFR im Klaren sein und nicht an der falschen Stelle knausern.“ Für die digitale Infrastruktur vom Cloud-Computing bis hin zum Netzausbau brauche die EU nun einmal viel Geld.

Der finanzielle Kraftakt für die Digitalisierung werde sich am Ende für alle lohnen, verspricht die Kommission in ihrem Papier. Die EU könne ihr Wirtschaftswachstum so jährlich um 1,1 Prozentpunkte steigern. Der Wohlstand könne so bis 2030 um 14 Prozentpunkte zunehmen.

Für die EU gehe es nicht nur um wirtschaftliche Aspekte, sondern auch um ihre Grundwerte, heißt es in dem Kommissionspapier. Bei der Digitalisierung stehe viel mehr auf dem Spiel: „Demokratie, Fairness und das europäische Sozialmodell.“

Erfolgreiche Internetplattformen würden inzwischen eine „systemische Rolle für unsere Wirtschaft und Gesellschaft“ spielen. Das werfe zahlreiche neue Probleme auf: mangelhafter Datenschutz, Hassreden und Desinformation im Internet, Einflussnahme unerwünschter ausländischer Kräfte auf unser politisches System, unzureichender Arbeitnehmerschutz bei IT-Firmen und Steuervermeidung durch Internetkonzerne.

Maßnahmen gegen „Fake News“

Die EU müsse gegen all das ankämpfen und komme daher nicht umhin, Internet-Plattformen stärker als bisher zu regulieren. „Wir können (...) den Onlineverkauf gefährlicher Güter und illegaler Inhalte (....) nicht tolerieren“, heißt es in der Mitteilung. Um die Verbreitung von „Fake News“ zu stoppen, müsse „die Medienbranche insgesamt gestärkt werden mit einem besonderen Schwerpunkt auf audiovisuellen Unternehmen und Nachrichten-Medien“. Bis 2025 müsse zudem garantiert werden, dass „Bürger ihre persönlichen Daten und ihre Onlineidentität kontrollieren“ können.

Die neuen Pflichten für Onlineplattformen sollten in einem „Gesetzespaket zu digitalen Dienstleistungen“ geregelt werden, heißt es weiter in der Mitteilung. Die Kommission will den Entwurf dafür spätestens im vierten Quartal dieses Jahres vorlegen.

Auch über die Wettbewerbskontrolle will die Behörde den Plattformen noch stärker zu Leibe rücken. Vestager kündigt in dem Dokument eine breit angelegte Untersuchung des Technologiesektors an. In der Vergangenheit hatten solche Untersuchungen etwa im Onlinehandel Verfahren und Strafen gegen einzelne Unternehmen nach sich gezogen. Zudem prüft die Kommission derzeit, wie das europäische Wettbewerbsrecht mit Blick auf die Digitalisierung reformiert werden sollte. Dies hatte auch Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier gefordert.

Ende des Jahres will die Kommission zudem eine „Verordnung zur europäischen Digitalkapazität“ vorschlagen. Dabei handelt es sich um einen Rechtsrahmen für die gewerbliche Generierung, Bündelung und Nutzung von Daten. Die in der Industrie anfallenden enormen Datenmengen sollen künftig auch IT-Entwicklern zur Verfügung stehen, damit sie ihre Algorithmen trainieren können. Unternehmen und Behörden sollen ihre Daten deshalb mit anderen teilen. Dafür sollen die Nutzung und Weitergabe rechtlich vereinfacht werden. Auch sollen unterschiedliche Datenformate besser miteinander verknüpft werden.

Neben der Mitteilung „Fit for the Digital Age“ will die Kommission am kommenden Mittwoch auch ein Weißbuch zur Künstlichen Intelligenz und eine Datenstrategie vorschlagen. Hier hat der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) seine Erwartungen in einem Zehn-Punkte-Plan formuliert, der dem Handelsblatt vorliegt.

Der Verband fordert unter anderem den Abbau von Wettbewerbs- und kartellrechtlichen Hürden, damit Unternehmen europaweit kooperieren und datenbasierte Geschäftsmodelle entwickeln können. Aktuell sähen sich Firmen großen Rechtsunsicherheiten ausgesetzt, sagt Iris Plöger, Mitglied der BDI-Hauptgeschäftsführung: „Häufig ist nicht klar, wann ein Datenaustausch mit Wettbewerbern zulässig ist oder welche datenschutzrechtlichen Anforderungen an eine Anonymisierung von personenbezogenen Daten bestehen.“
Datenschutzregeln sollten europaweit so gehandhabt werden, dass sie innovationsfördernd wirken, mahnt der BDI. Der Verband fordert zudem, die Frequenzvergabe für den Mobilfunk EU-weit zu harmonisieren und eigene europäische Hochleistungsrechenkapazitäten aufzubauen.

BDI sieht keinen Bedarf für neue KI-Regulierung

Die Industrie unterstützt Wirtschaftsminister Altmaier auch beim Bemühen, eine europäische Cloud-Architektur zu schaffen, um die Speicherung sensibler Firmendaten nicht länger vor allem amerikanischen Anbietern zu überlassen. Der BDI rät, auf der Technologieführerschaft europäischer Unternehmen aufzubauen, um Europa zum führenden Standort für industrielle digitale Geschäftsmodelle zu machen. Wie die EU-Kommission macht sich der Verband zudem dafür stark, die Digitalisierung als Katalysator zur Erreichung der Klimaziele zu nutzen.

Skeptisch sieht der BDI die Regulierungsbemühungen der EU beim Thema Künstliche Intelligenz: „Es gibt zurzeit keine Notwendigkeit für eine zusätzliche Regulierung von KI-Anwendungen“, betonte Plöger. Bisher bekannte kritische KI-Anwendungen ließen sich bereits über bestehendes europäisches Recht wirksam regeln. „Europa kann im internationalen Wettbewerb um Künstliche Intelligenz nur bestehen, wenn die nationalen Anstrengungen zur Förderung von KI ausgeweitet und europaweit gebündelt werden“, heißt es im Zehn-Punkte-Papier.