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Otmar Issings ‘unmöglicher Job’ - der erste Chefökonom zu 25 Jahren EZB

(Bloomberg) -- Als Otmar Issing vor einem Vierteljahrhundert Chefvolkswirt der jungen Europäischen Zentralbank wurde, erhielt er zur Begrüßung einen Brief von einem der führenden Skeptiker des Projekts.

Weitere Artikel von Bloomberg auf Deutsch:

Milton Friedman, der mit dem Nobelpreis ausgezeichnete Monetarist, hatte öffentlich vor den Gefahren des Versuchs gewarnt, die Währungen von elf souveränen Staaten zu einer einzigen zu verschmelzen.

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Issing, der langjährige Chefökonom der Bundesbank, hatte seine eigenen Zweifel. Dennoch schuf er eine Institution, die dafür sorgen sollte, dass der Euro solchen Unkenrufen trotzt und ein Erfolg wird.

“Wir waren schon seit Jahren Freunde und neben den vielen Glückwünschschreiben lag auf meinem Schreibtisch auch ein Brief von ihm”, sagte er in einem Interview mit Bloomberg TV.

“Ich öffnete den Brief, und Milton schrieb: ‘Lieber Otmar, herzlichen Glückwunsch zu diesem unmöglichen Job. Du weißt, ich bin davon überzeugt, dass der Euro scheitern wird, aber’ — und dann fügte er hinzu — ‘aber wegen Dir könnte sich der Kollaps um einige Jahre verzögern’”, erinnert sich Issing.

Die Währung hat weitaus länger überlebt, als Friedman es wohl erwartet hätte. Aber die inhärente Fragilität, vor der er gewarnt hatte, hat immer wieder für Schwierigkeiten gesorgt, wie die Staatsschuldenkrise des letzten Jahrzehnts und die jüngsten Turbulenzen gezeigt haben.

EZB-Präsidentin Christine Lagarde, unter deren Ägide die Institution am Donnerstag 25 Jahre alt wird, würdigte diese Spannungen bei einer Feier letzte Woche. Die Gründer der EZB “hätten sich nie vorstellen können, welche Krisen auf sie zukommen würden”, sagte sie.

Als einer der Geburtshelfer der EZB, der lange Zeit als Inbegriff des geldpolitischen Falken galt, hat der 87-jährige Issing viel über die Herausforderungen zu erzählen, die die Gründung einer Zentralbank in einer Währungsunion mit einer Vielzahl von Ländern mit sich bringt. Hier ist eine Auswahl seiner Kommentare.

Kohls Zweifel

Issing, der in seiner Heimatstadt Würzburg eine akademische Laufbahn eingeschlagen hatte, war Direktoriumsmitglied der Deutschen Bundesbank, die damals von Hans Tietmeyer geleitet wurde, als er als Vertreter Deutschlands in das EZB-Direktorium berufen wurde. Dort war er ihr erster Chefökonom und verantwortlich für den Aufbau und die Leitung der Generaldirektionen Forschung und Wirtschaft. Nach Issings Worten bedurfte Bundeskanzler Helmut Kohl damals einer gewissen Überzeugungsarbeit.

“Eines Tages fragte er Tietmeyer: Hat dieser Professor jemals etwas Positives zum Euro gesagt? Und Tietmeyer sagte, wie er mir später erzählte: ‘Wahrscheinlich nicht.’ Aber schließlich überzeugte Tietmeyer den Kanzler und den Finanzminister, dass meine Nominierung fürs Direktorium dieser Position viel Glaubwürdigkeit verleihen würde.”

Deutsche Bedenken

Viele Deutsche standen der Aufgabe der D-Mark, deren Stabilität viele mit dem Wohlstand des Landes in der Nachkriegszeit in Verbindung brachten, sehr skeptisch gegenüber.

“Die Mark aufzugeben und die neue gemeinsame Währung, den Euro, zu akzeptieren, war ein tiefer Einschnitt für die deutsche Geschichte — nicht nur für die Währungsgeschichte, sondern auch für die Gesellschaft.”

Der Start

Die Herausforderung, eine Zentralbank aus dem Nichts aufzubauen, war so groß, dass Issing sich anfangs selbst eingestand, dass das ganze Projekt vielleicht nicht funktionieren würde.

“Die internationale Presse, insbesondere die angelsächsische, war sehr kritisch. Stellen Sie sich vor, die EZB im Juni 1998 hatte 400 Mitarbeiter und die nationalen Zentralbanken — damals 11 davon — 55.000. So wurde unsere kleine Institution belächelt. Der Übergang von 11 Währungen zu einer hat es in der Geschichte noch nie gegeben. Das war wirklich ein einzigartiges Ereignis in der Geschichte.”

Kritik an der Politik

Issing betrachtet die Zeit der niedrigen Inflation nach der globalen Finanzkrise als eine verpasste Gelegenheit. Seiner Meinung nach nährten die Zentralbanken die weit verbreitete Erwartung, dass sie alle Probleme lösen könnten, obwohl sie die Grenzen ihrer Macht hätten betonen sollen.

“Es ist schwierig zu erklären, was Geldpolitik leisten kann und was nicht. Die Zentralbanken können die Arbeitslosigkeit nicht dauerhaft niedrig halten. Es ist eine Kombination aus Lohnpolitik, Regierungspolitik usw. Zentralbanken können dazu beitragen, den Wert des Geldes stabil zu halten, aber sie haben es meiner Meinung nach versäumt, die Lektion von den Grenzen ihrer Möglichkeiten zu verbreiten.”

Zinsansichten

Jetzt ist die Inflation wieder da, und auch wenn Issing einräumt, dass Sorgen um die Finanzstabilität den Kontext verändert haben, sagt er, dass die Zentralbanken es sich nicht leisten können, mit der Straffung der Geldpolitik aufzuhören, bis die Verbraucherpreise endgültig unter Kontrolle sind.

“Es wäre ein Fehler, die Inflationsbekämpfung zu früh einzustellen. Denn wenn die Inflation wieder steigen würde — und das Risiko besteht, denn die Kerninflation liegt immer noch bei 5,5% und sieht sehr hartnäckig aus — dann muss das Risiko einer erneut steigenden Inflation ernst genommen werden. Und es wäre sehr, sehr gefährlich für den Ruf der EZB und anderer Zentralbanken, wenn sie die Zinsen deshalb später noch einmal stärker anheben müssten.”

Deutsche Fragen

Issing sieht Deutschland an einem Wendepunkt. Die Pfeiler früheren Erfolgs — die Sicherheitsgarantie der USA, billige russische Energie und die chinesische Nachfrage nach deutschen Exporten — wanken, während sich die Globalisierung verlangsamt und die Bevölkerung altert.

“All diese Aspekte schaden Deutschland, insbesondere weil es eine exportorientierte Wirtschaft ist. Nehmen wir die deutsche Autoindustrie. Ich denke, Deutschland hat die besten Autos der Welt produziert und war ein wichtiger Protagonist auf den Automärkten der Welt. Aber jetzt, da die CO2-Zeit durch die Elektrifizierung zu Ende geht, ist Deutschland sicherlich nicht der Spitzenreiter. Und dies ist eine Branche, die so viele Arbeitsplätze geschaffen hat. Nicht nur die Automobilindustrie, sondern auch die längere Produktionslinie. Und das ist eine Branche, in der die höchsten Löhne gezahlt wurden. Schließlich hat Deutschland ein riesiges Problem mit der Demografie — es altert und schrumpft.”

Überschrift des Artikels im Original:

What Milton Friedman Wrote to Otmar Issing at Creation of ECB

--Mit Hilfe von Alexander Weber.

©2023 Bloomberg L.P.