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Der Osten zieht die deutsche Wirtschaft aus der Krise, sagt Robert Habeck – stimmt das wirklich? Ein Faktencheck

Robert Habeck: Der Osten zieht die deutsche Wirtschaft auf der Krise.  - Copyright: Picture Alliance
Robert Habeck: Der Osten zieht die deutsche Wirtschaft auf der Krise. - Copyright: Picture Alliance

Wirtschaftsminister Robert Habeck geht davon aus, dass die deutschen Wirtschaft das tiefste Tal hinter sich hat und sich erholt. Dabei setzt Habeck auf ein besonders starkes Wachstum durch Unternehmen in Ostdeutschland. „Das Wirtschaftswachstum kommt langsam aus der Krise – gezogen derzeit vom Osten“, sagte der Minister der Funke-Mediengruppe. Im Osten würden viele Menschen neue Wege gehen. „In der Lausitz, in Schwedt, in Leuna und an etlichen anderen Orten“, sagte Habeck. Wächst die deutsche Wirtschaft im Osten wirklich schneller als im Rest der Republik?

Aktuelle Zahlen geben Habeck gleich doppelt Recht. Alle Konjunkturforscher erwarten, dass die deutsche Wirtschaft die Rezession und Stagnation in diesem Jahr überwindet - wann auch mühsam. Ohne Ausnahme erhöhten sie ihre Konjunkturprognosen. Im Mittel trauen sie der gesamtdeutschen Wirtschaft dieses Jahr jetzt 0,3 Prozent Wachstum zu - mit zunehmendem Schwung im Jahresverlauf.

Und tatsächlich gehen Ökonomen auch davon aus, dass der Osten dabei die Nase deutlich vorn hat. 2024 wachse die Wirtschaft in den ostdeutschen Bundesländern doppelt so stark wie in Deutschland insgesamt, erwartet das Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH). Mehr noch: Dies bekräftige den Trend der vergangenen Jahre. „Es ist gut möglich, dass sich eine Wende abzeichnet", sagt IWH-Ökonom Axel Lindner zu Business Insider.

Was steckt hinter dem zarten Aufschwung Ost?

Zunächst zu den Zahlen. 2023 war Deutschland in die Rezession gerutscht. Das Bruttoinlandsprodukt schrumpfte um 0,3 Prozent. Gleichzeitig legt die ostdeutsche Wirtschaft aber um 0,7 Prozent zu. Ein Wachstumsunterschied von einem Prozentpunkt ist eine Menge. „Es ist passiert, was sich pauschal keiner vorstellen kann: Wir sind besser“, jubelte der Ostbeauftragte der Bundesregierung, Carsten Schneider.

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Und das nicht zum ersten Mal. Seit Jahren weist Ostdeutschland höhere Wachstumsraten auf, als der Rest der Republik. Nicht Bayern oder Baden-Württemberg führen die Rangliste der dynamischsten Bundesländer an, sondern Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern. Das ist neu.

Bemerkenswert ist, dass ein erheblicher Teil dieses Wachstums aus dem verarbeitenden Gewerbe stammt. Während in vielen Regionen das Gespenst einer Deindustrialisierung umgeht, wächst die Industrie im Osten teilweise mit zweistelligen Raten.

Unternehmen investierten dort, wo die Bedingungen gut seien, sagte Habeck. Ostdeutschland sei zunehmend breiter aufgestellt. Er verwies auf zahlreicher Großinvestitionen wie von Intel in Magdeburg, die Signalwirkung hätten und anderer Firmen anzögen. Die Ansiedlung von Intel unterstützt der Bund mit 10 Milliarden Euro. Von 2027 an will der US-Konzern in Magdeburg Computerchips produzieren.

Aufschwung Ost: Die Macht der Einzelfälle

Hinter der Dynamik in Osten stehen oft einzelne Ansiedlungen oder Erfolge bestehender Firmen. Das Hochlaufen der Fabrik des E-Auto-Bauers Tesla hat Brandenburg 2023 an die Spitze des Wachstums gepusht. In Mecklenburg-Vorpommern legte das verarbeitende Gewerbe um 19 Prozent zu. Doch dahinter stand vor allem ein einzelner Großauftrag. Das zeigt, wie klein die Industrie in vielen Regionen im Osten immer noch ist.

Am anderen Ende der Skala fiel bei Rheinland-Pfalz 2023 der Rückgang der Impfstoff-Produktion der Mainzer Biontech ins Gewicht. Im Vorjahr hatte Biontech noch Rheinland-Pfalz an die Wachstumsspitze katapultiert. Dennoch lässt sich auch abseits solcher Sondereffekte festhalten, dass etablierte Industrieregionen im Westen mit ihrem höheren Anteil exportorientierter und energieintensiver Unternehmen schwerer von den Folgen des Ukraine-Krieges getroffen wurden als der Osten.

Auch in einem anderen Teil hat Habeck Recht: Der Aufschwung Ost ist breiter geworden. Mittendrin sorgt die wachsende Metropole Berlin für Aufträge und steigende Einkommen in umliegenden Regionen. Berlin steht auch exemplarisch für den Aufholbedarf Ost. Im Vergleich zu anderen europäischen Metropolen sind die Einkommen in Berlin immer noch gering, sagt IWH-Ökonom Lindner. Ihn stimmt das zuversichtlich, dass der Aufholprozess weitergeht.

Robert Habeck: Osten breiter aufgestellt

In neuen Bundesländern etablierten sich zudem viele Zentren für konsumnahe Dienstleistungen, zum Beispiel für Lager und Logistik. Es beginnen sich Cluster zu bilden, das heißt, dass erfolgreiche Unternehmen Zulieferer anziehen, die selbst wieder wachsen. Auch hierin stützen Ökonomen wie IWH-Forscher Lindner Habeck. Standorte werden für Firmen aus verwandten Branchen attraktiver.

Für den Osten erwartet das IWH 2023 mit 0,6 Prozent ein doppelt so hohes Wachstum wie die 0,3 Prozent in Deutschland insgesamt.„Doppelt so viel, ist natürlich relativ", weiß Lindner angesichts der kleinen Zahlen. „Aber in den vergangenen zehn Jahren war das Wachstum im Osten immer drüber".

Im kommenden Jahr würden sich die Wachstumsraten dann wieder stärker angleichen, erwartet Lindner. Das IWH geht davon aus, dass die Wirtschaft in West und Ost dann etwa gleichstark um 1,4 bis 1,5 Prozent zulegt. Lindner ist aber optimistisch, dass der Osten beim Wachstum auch Dauerhaft die Nase vorn haben kann. „Es ist gut möglich, dass sich eine Wende abzeichnet."

Dabei helfe eine Besonderheit. Im Osten machen Löhne und Gehälter einen größeren Anteil der Einkommen aus als im Westen. Einkünfte aus Vermögen und Unternehmensgewinnen fallen weniger stark ins Gewicht. Die Löhne und Gehälter sind zuletzt aber kräftiger gestiegen als Kapitaleinkommen. Das hat den Konsum im Osten stabilisiert. Verstärkt wird dies dadurch, dass die Anhebungen des gesetzlichen Mindestlohnes die unteren Löhne und Gehälter seit 2022 besonders stark hochgezogen haben. Auch davon profitiert der Osten aufgrund der Lohnstruktur überproportional.

Ein weiterer Vorteil ist die Nähe zu Mittel- und Osteuropa. Besonders Polen gehört zu den wachstumsstärksten Ländern in Europa. Für Deutschlands Exporteure sind die Märkte in die Länder Polen, Tschechien und Ungarn zusammen bereits ebenso wichtig wie China. Auch davon profitieren Betriebe im Osten Deutschlands überdurchschnittlich.

Risiko: Gerade der Osten braucht Zuwanderung

Es gibt aber auch ein Risiko für den Osten: Es liegt in der Demografie. Die Nettoabwanderung in den Westen vor zwar bereits vor einem Jahrzehnt gestoppt. Vor allem die Metropolen Berlin, Leipzig und Dresden wachsen und sind auch für jüngere Menschen attraktiv. Insgesamt aber trifft die Alterung der Bevölkerung den Osten noch stärker an den Westen. In der Folge fehlen die Arbeitskräfte, um das Wachstum am Laufen zu halten.

Was für Deutschland insgesamt gilt, gilt im Osten noch viel mehr: Um Wachstum zu ermöglichen, um den Wohlstand zu sichern und um die soziale Sicherheit zu gewährleisten, bedarf es einer hohen Zuwanderung in den Arbeitsmarkt. Die Zuwanderung von Ausländern ist gerade im Osten besonders wichtig, wo auch der Anteil der Menschen besonders hoch ist, die einer stärkeren Zuwanderung kritisch gegenüber stehen. Im September sind Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg.