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Opposition wirft Finanzministerium Versäumnisse im Fall Wirecard vor

Nach dem Rückzug der Bafin-Spitze rückt die Rolle der Politik in den Fokus. Hätte das Finanzministerium beim umstrittenen Leerverkaufsverbot intervenieren müssen?

Die Absetzbewegungen sind nicht zu übersehen. Seitdem Bafin-Chef Felix Hufeld Ende Januar seinen Rücktritt angekündigt hat, fallen die Äußerungen aus dem Bundesfinanzministerium zum Verhalten der Finanzaufsicht im Wirecard-Skandal deutlich kritischer aus als zuvor.

Die Bafin brauche mehr Biss und einen grundlegenden Kulturwandel, heißt es aus der Berliner Wilhelmstraße. Von einer der umstrittensten Bafin-Maßnahmen im Fall Wirecard, dem Verbot von Wetten auf fallende Kurse des Zahlungsdienstleisters im Februar 2019, hat sich das Haus von SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz mittlerweile distanziert.

Die Opposition findet dieses Verhalten scheinheilig, schließlich ist das Finanzministerium für die Rechts- und Fachaufsicht über die Bafin zuständig und ließ sich im Fall Wirecard über jeden Schritt genauestens informieren. Grüne, FDP und Linkspartei sehen deshalb eine Mitschuld in Berlin. „Das Finanzministerium hätte beim Leerverkaufsverbot intervenieren müssen“, sagt der Grünen-Abgeordnete Danyal Bayaz. „Damals lag keine offizielle Stellungnahme der Bundesbank vor, die im Rahmen des internen Ablaufschemas bei solchen Maßnahmen eingeholt werden soll.“

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Die Bafin hatte am 18. Februar 2019 Wetten auf fallende Kurse von Wirecard für zwei Monate verboten und dies „mit einer ernst zu nehmenden Bedrohung des Marktvertrauens“ begründet. Sie verwies darauf, dass Wirecard-Aktien nach kritischen Presseberichten mehrfach stark eingebrochen waren und dass viele Leerverkäufer parallel auf fallende Kurse wetteten.

Die Ausschläge der Wirecard-Aktie könnten „durch ihre trendverstärkende Wirkung den Verlust des Marktvertrauens in Deutschland bewirken“, schrieb die Bafin. Viele Investoren werteten das Leerverkaufsverbot als staatlichen Vertrauensbeweis für Wirecard – und verloren viel Geld, als der Konzern dann im vergangenen Sommer zusammenbrach.

Widerstand vonseiten der Bundesbank

Brisant ist das Leerverkaufsverbot auch deshalb, weil die Bundesbank damals keinen Grund zum Eingreifen sah. Sie wurde von der Bafin am 15. Februar 2019 „im Einklang mit einem für diese Fälle zwischen Bafin und Bundesbank abgestimmten Ablauf- und Kommunikationsschema“ über das geplante Leerverkaufsverbot informiert.

Das geht aus einem internen Aktenvermerk der Bundesbank hervor, der dem Handelsblatt vorliegt. Die Bundesbank beschreibt darin, dass sie nach der Anfrage aus Bonn verschiedene Analysen zur Wirecard-Aktie durchgeführt hat. Im Anschluss informierte sie die Bafin, dass sie deren Einschätzungen „nicht teile und die damalige Kursentwicklung der Wirecard-Aktie keine Ausstrahlungseffekte auf andere in Deutschland börsennotierte Finanztitel hätte“.

Eine offizielle Stellungnahme der Frankfurter Kollegen holte die Bafin im Anschluss nicht ein. Sie begründet dies damit, dass die Bundesbank lediglich eine mögliche Gefährdung der Finanzstabilität geprüft habe. Für Fragen zum Marktvertrauen sei sie dagegen nicht zuständig.

Viele Abgeordnete überzeugt diese Erklärung nicht. Die Bafin habe bewusst keine offizielle Einschätzung eingeholt, „weil ihr nach dem mündlichen Austausch mit der Bundesbank klar war, dass die Stellungnahme negativ ausfallen würde“, sagt Grünen-Politiker Bayaz. „Das hätte dem Finanzministerium im Rahmen seiner Rechts- und Fachaufsicht auffallen und zu Konsequenzen führen müssen.“

Die „Grundsätze für die Ausübung der Rechts- und Fachaufsicht“ legen nahe, dass das Finanzministerium grundsätzlich die Möglichkeit gehabt hätte, beim Wirecard-Leerverkaufsverbot zu intervenieren. Dort ist festgeschrieben, dass es bei einigen Bafin-Entscheidungen sogenannte „Erlaubnisvorbehalte“ gibt – unter anderem beim Erlass von „bedeutenden Allgemeinverfügungen“. Diese müssen dem Finanzministerium deshalb „vorab zur Kenntnis vorgelegt“ werden.

Die Bafin wollte die Frage, ob das Finanzministerium (BMF) hätte intervenieren können, nicht beantworten. Sie erklärte nur, das Ministerium am 15. Februar über das geplante Leerverkaufsverbot informiert zu haben. „Eine Rückmeldung des BMF liegt der Bafin nicht vor“, teilte die Behörde mit. Das Finanzministerium habe „unter Berücksichtigung der operativen Unabhängigkeit der Bafin keinen Einfluss auf den Erlass der Allgemeinverfügung zum Leerverkaufsverbot genommen“.

Ähnlich hatte sich kürzlich auch Finanzstaatssekretär Jörg Kukies geäußert. „Das sind eigenständige Entscheidungen der Aufsicht“, sagte er im Handelsblatt-Interview.

FDP fordert Rücktritt von Kukies

Die Opposition hat an dieser Darstellung große Zweifel. Sie geht davon aus, dass es aus Berlin zumindest informell grünes Licht für das Vorgehen der Bafin gab. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass Herr Scholz beziehungsweise Herr Kukies nicht über eine solche außergewöhnliche Maßnahme unterrichtet wurden“, sagt der Linken-Abgeordnete Fabio De Masi. „Sie müssen erklären, warum sie das Verbot abgenickt haben!“

Mit dem Rücktritt der Bafin-Führung sei Scholz noch lange „nicht aus dem Schneider“, sagt sein Parlamentskollege Bayaz. „Die zentrale politische Frage, welche Rolle das Finanzministerium beim Leerverkaufsverbot gespielt hat, ist nach wie vor nicht beantwortet.“ Dieses Thema werde er zusammen mit seinen Kollegen im März und April im Untersuchungsausschuss ausführlich beleuchten.

Nach dem Rücktritt von Hufeld lade Scholz „plötzlich alle Schuld bei der Bafin ab, obwohl völlig klar ist, dass die Bafin niemals ein Leerverkaufsverbot erlassen hätte, wenn das Bundesfinanzministerium dagegen gewesen wäre“, sagt auch der FDP-Abgeordnete Florian Toncar. Das sei ziemlich unverfroren.

„Wenn Scholz sich im Kontext Wirecard für mehr interessiert als seinen politischen Selbstschutz, muss er sich auch von seinem Staatssekretär Jörg Kukies trennen“, fordert Toncar. „Der hatte in Sachen Wirecard nämlich eine Standleitung zur Bafin und hat alle wesentlichen Schritte mitgetragen.“