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Oliver Zipse: „Wandel stärkt unser Geschäftsmodell“

Seit dem 16. August ist Oliver Zipse im Amt und stellt die Weichen. Den Auto-Gipfel in Stuttgart nutzt der 55-Jährige, um seine Botschaften zu setzen.

Herr Zipse, Sie sind seit gut zwei Monaten nun BMW-Chef. Was sind Ihre Eindrücke an der Spitze?
Es gibt derzeit – vor allem in Deutschland – eine kritische Diskussion zum Auto. Dabei wird oft unterschätzt, welche zentrale Bedeutung es im Alltag für das Leben von Millionen Menschen weltweit hat. Deshalb haben wir als technologisch führender Hersteller eine gesellschaftliche Aufgabe: Das Auto fit für die Zukunft zu machen – da sehe ich uns in der Verantwortung. Diese Aufgabe wollen wir beherzt angehen und auf dem Weg auch genau erklären, was wir warum tun – der Öffentlichkeit und Politik ebenso wie unseren Kunden.

Was bedeutet das konkret für Ihr Unternehmen?
Auf der anderen Seite gibt es auch viele kritische Stimmen über die Zukunft unseres Geschäftsmodells als Automobilhersteller. Aber nicht mit jedem neuen technologischen Trend wird sich auch das Geschäftsmodell ändern. Darin liegt eine große Gefahr: Man darf die eigenen Stärken nicht aus den Augen verlieren. Ich bin überzeugt, dass unser Geschäftsmodell durch diesen weitreichenden technologischen Wandel sogar noch gestärkt wird. Denn das Auto der Zukunft ist ein Hochtechnologieprodukt, dessen Komplexität unterschätzt wird.

Was ist denn in den letzten Jahren nicht so optimal gelaufen bei BMW? Haben Sie sich verzettelt?
Zur Unternehmensführung gehört die Fähigkeit zur Selbstkritik, und das ist immer eine Teamaufgabe – völlig unerheblich, welche Person gerade an der Spitze steht. Ganz generell gesprochen: In einzelnen Feldern hätten wir präziser sein können. Wir erleben die Gleichzeitigkeit großer Herausforderungen: Emissionsreduzierung, Digitalisierung und autonomes Fahren – um nur einige zu nennen. Man muss all diese Felder sehr genau durchdringen und darf sich von der öffentlichen Debatte nicht in Ecken treiben lassen, deren Konsequenzen nicht zu Ende gedacht sind.

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Was heißt das genau? Sie bieten ja auch Mitfahrgelegenheiten an.
Wir haben unsere Mobilitätsdienstleistungen mit Daimler zusammengelegt, und zwar ganz bewusst als Beteiligungsmodell. Denn die Frage lautet: Ist das ein passendes Geschäftsmodell für uns als Automobilhersteller oder eher für Unternehmen mit anderen Kompetenzen. Mobilitätsdienste sind ein äußerst relevantes und zukunftsträchtiges Feld, keine Frage. Aber es braucht ganz spezifische Strukturen und Prozesse – beispielsweise um die Auslastung der Flotten zu optimieren. Wenn Sie darin nicht jahrelang Erfahrung gesammelt haben, ist das sehr herausfordernd. Außerdem müssen diese Flotten markenübergreifend strukturiert sein. Insofern haben wir offensichtlich den richtigen Schritt getan.

Wo sehen Sie weitere Herausforderungen?
Es wird viel über die Frage nach den Architekturen für Elektrofahrzeuge gesprochen und geschrieben. Entwickelt man eine rein batterieelektrische Plattform, oder liegt die Zukunft in einer intelligenten Gesamtstrategie, die durch Flexibilität erhebliche Wettbewerbsvorteile mit sich bringt. Für den Kunden geht es aber gar nicht darum, was für eine Architektur die Basis für sein Fahrzeug ist. Die angeblichen Vorteile einer reinen batterieelektrischen Architektur sind für ihn kaum wahrnehmbar. Er will von uns einen echten BMW, unabhängig von der Antriebstechnologie. Und diese Auswahl – wir nennen das „Power of Choice“ – bieten wir ihm mit unserem Ansatz.

Mit den I-Modellen waren Sie sehr früh am Markt. Dennoch sind andere in der Elektromobilität jetzt vorn. Ärgert Sie das?
Diese Wahrnehmung ist ganz einfach falsch. Tatsache ist, dass wir in der Elektromobilität mit mehr als zehn elektrischen und elektrifizierten Modellen in Deutschland Marktführer sind – europaweit liegen wir auf Rang zwei. Deswegen sind wir auch überzeugt, dass wir die CO2-Vorgaben im Jahr 2020 und 2021 erfüllen werden. Allein der BMW i3 wächst dieses Jahr in Europa um 20 Prozent, obwohl das Fahrzeug bereits seit sechs Jahren im Markt ist. Die Behauptung, wir hätten da etwas verschlafen, stimmt also nicht, wie sich mit einem Blick auf die Zahlen einfach erkennen lässt.

Was sind die Dinge, die Sie jetzt anders machen?
Ich bin seit über vier Jahren Mitglied des Vorstands und habe auch davor schon an der Strategie mitgearbeitet. Rechnen Sie also nicht mit einer 180-Grad-Wende. Wir werden unsere Ausrichtung aber stetig und zügiger als in der Vergangenheit mit den globalen Rahmenbedingungen abgleichen und bei Bedarf nachjustieren. Strategiearbeit muss kontinuierlich erfolgen, statt auf einen großen Aufschlag hinzuarbeiten. Vieles hängt außerdem vom Thema Führung ab: Ich verstehe den Vorstand und die darunter liegende Managementebene als Kollektiv. Wir haben bereits einige Veränderungen in diesem Führungskreis vorgenommen. Die BMW Group ist eine stark auf die unternehmerische Verantwortung jedes Einzelnen ausgerichtete Firma, die sehr viele Freiräume lässt. Wenn dazu die geeigneten Personen an den richtigen Stellen sitzen, funktioniert das ganz hervorragend.

Wie Ihre Konkurrenten erhöhen Sie die Zahl der E-Modelle. Droht man die Komplexität der Herausforderung zu unterschätzen?
Nein, uns war vor sechs Jahren beim Start des i3 schon klar, wie die weitere Entwicklung aussehen dürfte. Deswegen haben wir die Zeit gut genutzt und unsere Entwicklung und unsere Werke so ausgerichtet, dass wir alle Modelle elektrifizieren können. Das heißt nicht, dass jedes Auto auch elektrisch werden muss. Aber die Befähigung dazu ist in den Architekturen angelegt. Und so sind wir auch auf diese Antriebsoption hervorragend vorbereitet. Was uns eher überrascht, ist die öffentliche Fokussierung auf eine einzige technische Lösung, nämlich die rein batterieelektrische E-Mobilität...

Es ist eben ein tief greifender Wandel für die Autoindustrie, da hängt viel dran…
…das ist richtig, aber die öffentliche Diskussion fokussiert sich nur auf diese eine Variante der Elektromobilität, und das ist zu kurz gedacht. Es gab immer wieder Anforderungen an die Industrie und technologische Antworten darauf. Aber dass eine Technologie so in den Vordergrund rückt, das ist erstaunlich. Uns war immer vollkommen klar, dass Elektromobilität spätestens ab 2020 eine wichtige Rolle auf immer mehr Märkten spielen wird. Das ist für uns keine Überraschung. Wir haben uns seit Jahren umfassend darauf vorbereitet, insofern bereitet uns das jetzt auch keine Sorgen. Keine Frage: Das Thema Profitabilität wird schwieriger aufgrund der Gleichzeitigkeit der Anforderungen an das Auto der Zukunft. Aber auch das kommt nicht überraschend, und wir stellen uns der Aufgabe schon seit Jahren.

Gelingt es denn, E-Mobile massentauglich und profitabel herzustellen? Tesla bekommt es ja nicht so leicht hin.
Und andere vermeintliche Newcomer tun sich sogar noch bedeutend schwerer. Wir sehen uns dabei in einer guten Ausgangsposition. Wir können in der Produktion leicht zwischen Verbrennern zu Elektroautos wechseln, und bei uns wird der Kunde das gleiche Modell mit unterschiedlichen Antrieben bekommen. Das wird ein entscheidender Vorteil für uns, denn nicht überall auf der Welt wird sich die Elektromobilität gleich schnell entwickeln.

Brauchen Sie als Bayerische Motorenwerke eine eigene Batteriezellenfertigung?
Das ist aus unserer Sicht nicht die entscheidende Frage. Vielmehr geht es darum, sehr genau zu verstehen, was in der Zellchemie und -physik passiert. Das ist hochrelevant, denn nur damit können Sie die funktionale Leistung und die Kosten der Batterie beeinflussen. Deswegen werden wir in zwei Wochen unser erweitertes Forschungszentrum für Batteriezellen eröffnen. Dafür haben wir mehr als 200 Millionen Euro investiert und bündeln dort unsere Forschung und Entwicklung. Dort werden wir auch die Fähigkeit haben, Batteriezellen in Kleinserien zu produzieren. Ob wir die Zellen zu einem späteren Zeitpunkt dann selbst auch in Großserie produzieren, hängt maßgeblich von der Entwicklung des Lieferantenmarktes ab. Und solange es einen globalen Wettbewerb unter genügend Lieferanten gibt, entsteht auch keine nennenswerte Abhängigkeit.

Im Raum steht auch die Frage, wie viele Autos wir in den Städten brauchen. Warum gibt es so wenig Diskussion über Smart-City-Lösungen?
Da mache ich sehr unterschiedliche Erfahrungen. Ich war vor Kurzem in Peking und habe ausführlich mit Bürgermeister Chen gesprochen. Er ist Ingenieur und war zum Beispiel im Detail informiert, welche Mobilfunkstandards und welche Latenzzeiten notwendig sind, damit autonomes Fahren funktionieren kann. Deswegen wurde für Peking entschieden, rund einhundert Kilometer Straßen freizustellen, um die Technik besser erproben zu können. Smart City ist immer ein Kooperationsmodell – das funktioniert nur im Zusammenspiel zwischen Industrie und Politik. In Deutschland erlebe ich weniger Offenheit in diesem Punkt. Ich würde mich freuen, wenn wir hier mehr engagierte Partner hätten. Wir stellen die Autos mit ihren Technologien und Vernetzungsmöglichkeiten, aber wir werden keine Städteplaner.
Herr Zipse, vielen Dank für das Interview.