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Olaf Scholz auf heikler Mission in Peking: So viel Wohlstand würde es Deutschland kosten, sich von China abzukoppeln

Bundeskanzler Olaf Scholz besucht Chinas Machthaber Xi Jinping  - als erster G-7-Regierungschef nach dem Kongress der Kommunistischen Partei.  - Copyright: JENS SCHLUETER,NOEL CELIS/AFP via Getty Images)
Bundeskanzler Olaf Scholz besucht Chinas Machthaber Xi Jinping - als erster G-7-Regierungschef nach dem Kongress der Kommunistischen Partei. - Copyright: JENS SCHLUETER,NOEL CELIS/AFP via Getty Images)

Wenn Olaf Scholz (SPD) an diesem Freitag für ganze elf Stunden in Peking ist, dann weiß der Kanzler, wie heikel dieser Kurztrip ist. Auf der einen Seite ist China ein wichtiger Wirtschaftspartner der Exportnation Deutschland. Auf der anderen Seite führt Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping das Land zurück in Richtung einer kommunistischen Diktatur. Nach innen regiert Xi rigoros, nach außen nationalistisch, einschließlich der offenen militärischen Bedrohung Taiwans.

Im Gepäck hat Scholz die bittere Erfahrung der deutschen Abhängigkeit von russischer Energie. Doch nicht nur in Deutschland wird jedes Scholz-Wort in China genauestens abgewogen werden: Denn Scholz ist der erste Regierungschef eines G7-Landes, der Xi Jinping besucht, nachdem der seine Macht beim Parteitag der Kommunisten zementiert hatte.

Scholz begleitete seinen Besuch deshalb mit einem programmatischen Beitrag in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“. "Das China von heute ist nicht mehr dasselbe wie noch vor fünf oder zehn Jahren", schreibt Scholz. Und: "Es ist klar: Wenn sich China verändert, muss sich auch unser Umgang mit China verändern." Was könnte das heißen?

Die Bundesregierung hat für das Frühjahr eine neue China-Strategie angekündigt. Scholz hat aber gemerkt, dass er nicht ohne Hinweise zu Xi reisen kann, wie diese Strategie aussieht. Scholz spricht sich ausdrücklich gegen eine wirtschaftliche Entkopplung von China aus. Abhängigkeiten will er aber abbauen. "Wo riskante Abhängigkeiten entstanden sind – etwa bei wichtigen Rohstoffen, manchen seltenen Erden oder bestimmten Zukunftstechnologien –, stellen unsere Unternehmen ihre Lieferketten nun zu Recht breiter auf. Wir unterstützen sie dabei, zum Beispiel durch neue Rohstoff-Partnerschaften".

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Scholz war in der eigenen Koalition wegen seiner Haltung zu China unter Druck geraten. Die Beteiligung des chinesischen Staatsunternehmens Cosco an einem Terminal im Hamburger Hafen setzte er gegen den Widerstand mehrerer Ministerien durch.

Scholz’ China Reise wirft ein neues Schlaglicht auf das deutsche Dilemma: Kein anderes großes Industrieland ist so stark in die Weltwirtschaft eingebunden. Gut 30 Prozent der deutschen Wertschöpfung stammen aus dem Export. In der Industrie sind es sogar 60 Prozent. Viele dieser Geschäfte sind wiederum nur möglich durch den Import von Energie, Rohstoffen oder Vorprodukten.

Über Jahrzehnte war diese optimierte Einbettung in die weltweite Arbeitsteilung einer der Erfolgsgaranten der Exportnation Deutschland. Dann machte zunächst die Corona-Krise mit der Störung der Lieferketten und schließlich Russlands Überfall auf die Ukraine die Risiken deutlich: Wirtschaft und Wohlstand in Deutschland sind nicht nur in hohem Maße vom Funktionieren der weltweiten Netzwerke abhängig, sondern auch von Geschäften mit nicht-demokratischen Ländern.

Zwölf Prozent aller Exporte gehen in Autokratien

Zwölf Prozent aller Exporte deutscher Firmen gehen in Autokratien wie China, Russland oder arabische Länder. Sogar 15 Prozent aller Importe stammen aus nicht demokratisch regierten Ländern.

„Es wird deutlich, dass die Handelsbeziehungen mit Autokratien für Deutschland sowohl auf der Import- als auch auf der Exportseite eine größere Rolle spielen als es für die EU-27 insgesamt der Fall ist“, schreibt das ifo-Institut für Wirtschaftsforschung in einer neuen Studie.

Schon der Titel macht deutlich, dass es dabei um Grundsätzliches geht: „Geopolitische Herausforderungen und ihre Folgen für das deutsche Wirtschaftsmodell“.

Die Münchener Ökonomen um ifo-Präsident Clemens Fuest haben sich der Aufgabe gestellt, diese Folgen zu berechnen. Sie untersuchten zum Beispiel, was es bedeuten würde, Produktion aus China nach Deutschland, Europa oder den Mittelmeerraum zurückzuholen. Sie untersuchten die Folgen von Handelsbeschränkungen, sei es durch Deutschland allein oder die gesamte EU.

Das Ergebnis kann in der Richtung nicht überraschen: Die Entkopplung der deutschen Wirtschaft China wäre teuer. „Jede Form der De-Globalisierung kostet Wohlstand", schreiben die ifo-Ökonomen. Dies gilt nicht nur für Deutschland, sondern in den meisten Szenarien für alle beteiligten oder betroffenen Länder und Regionen.

Aber wie stark wären die Effekte bei den verschiedenen Szenarien und welche Branchen wären besonders betroffen?

„Jede De-Globalisierung kostet Wohlstand“

Am stärksten wären die Effekte auf den Wohlstand in Deutschland durch eine Rückverlagerung von Produktion aus China nach Deutschland (Reshoring) oder auch in die EU, die Türkei und Nordafrika (Nearshoring). Im Falle der Renationalisierung würde Deutschland nach Rechnung des ifo Instituts rund zehn Prozent seiner Wirtschaftskraft verlieren. Beim Nearshoring immer noch gut 4,2 Prozent. In beiden Fällen gäbe es in keiner betroffenen Region Gewinner. Diese Zahlen beziehen sich auf alle Geschäfte mit autokratisch regierten Ländern.

„Folglich spricht aus ökonomischer Sicht sehr vieles gegen eine breit angelegte Rückverlagerung von Produktionsprozessen ins Inland bzw. in benachbarte Länder“, schreibt ifo.

In einem zweiten Szenario untersuchen die Forscher eine "Entkopplung der EU von China" - vor allem durch den Aufbau von Handelshemmnissen wie Zöllen oder Regulierung. Im Falle einer einseitigen Entkopplung durch die EU würde das deutsche Bruttoinlandsprodukt um 0,52 Prozent fallen. Sollte China darauf mit Gegenmaßnahmen reagieren, würden die Einbußen 0,8 Prozent ausmachen.

Das ifo-Institut verweist darauf, dass diese Zahl nicht groß erscheinen mag. Die Einbußen seien aber mindestens viermal so stark wie der negative Effekt durch den Austritt Großbritanniens aus der EU (Brexit).

Neben anderen Szenarien simulieren die Forscher auch eine Entkopplung Deutschlands und der EU von allen autokratischen Staaten. Bei der Frage, welche Staaten als autokratisch gelten, folgt ifo der Definition des britischen "The Economist". Als Instrument der Entkopplung werden wieder vor allem hohe Zölle unterstellt.

Ergebnis: „Bei einer einseitigen Entkopplung Deutschlands von allen Autokratien würde das reale BIP Deutschlands geschätzt um 0,96 Prozent zurückgehen.“ Sollte die gesamte EU sich entscheiden, weitestgehend auf den Handel mit autokratischen Ländern zu verzichten, würde Deutschland noch etwas stärker, nämlich rund 1,2 Prozent des BIP verlieren.

Betrachtet man die Effekte nach Branchen, würde besonders die deutsche Industrie und allen voran die wichtigste Branche, die Autoindustrie verlieren. „Lediglich wenige Wirtschaftsbereiche wie zum Beispiel die Textil- und Kleidungsindustrien könnten positive Wertschöpfungseffekte durch eine Entkopplung von China und weiteren Autokratien erwirtschaften, da einerseits wieder mehr Wertschöpfung zu Hause stattfindet, während andererseits der Export in Autokratien für diese Industrie weniger relevant ist.“

Bringt China das deutsche Erfolgsmodell ins Wanken?

In ihrer Schlussfolgerung schreiben die Ökonomen: „Neue geopolitische Herausforderungen haben das Erfolgsmodell der deutschen Wirtschaft mit seiner starken Außenhandelsorientierung ins Wanken gebracht“. Sie warnen aber, dass eine „De-Globalisierung“ in jeder Form erhebliche Wohlstandsverluste für Deutschland und viele andere beteiligte Länder bedeuten würde. Dies könne „nicht nur zu erhöhter Arbeitslosigkeit und geringerem Wohlstand führen, sondern letztlich auch die politische Stabilität des Landes gefährden¡, schreiben die Ökonomen.

Sie empfehlen daher eine andere Strategie: „Aus diesem Grund sollte nicht die Nationalisierung von Lieferketten, sondern die Schaffung von geeigneten Rahmenbedingungen für deren Diversifizierung das Ziel der deutschen und europäischen Wirtschaftspolitik sein.“

Die vollständige Studie und Hinweise zur Methodik findet ihr hier

Dieser Beitrag erschien zuerst im September 2022. Er wurde zuletzt am 3. November aktualisiert.

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