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Bundespräsident ruft zur Enttarnung rechter Netzwerke auf

Als erstes Staatsoberhaupt hat Steinmeier das Gedenken zum 40. Jahrestag des Wiesnattentats besucht. Das Gedenken wird zu einem starken Appell gegen Rechts.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier legt am Ort des Oktoberfest-Attentats von 1980 einen Kranz nieder und gedenkt gemeinsam mit Überlebenden, Gudrun Lang (l) und Renate Martinez (2.v.l) des rechtsterroristischen Anschlags. Foto: dpa
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier legt am Ort des Oktoberfest-Attentats von 1980 einen Kranz nieder und gedenkt gemeinsam mit Überlebenden, Gudrun Lang (l) und Renate Martinez (2.v.l) des rechtsterroristischen Anschlags. Foto: dpa

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat beim Gedenken zum 40. Jahrestag des Oktoberfest-Attentats zum Kampf gegen rechtsextreme Netzwerke aufgerufen. „Der Rechtsextremismus hat tiefe Wurzeln in unserer Gesellschaft“, sagte Steinmeier, der als erstes Staatsoberhaupt die alljährliche Gedenkveranstaltung besuchte.

„Die rechtsterroristischen Mordtaten der vergangenen Jahrzehnte waren nicht das Werk von Verwirrten.“ Die Täter seien eingebunden gewesen in Netzwerke des Hasses und der Gewalt. Hochrangige Gäste aus Politik und Gesellschaft sowie Vertreter der Opfer erinnerten am Samstag am Tatort auf der Theresienwiese an den schwersten rechtsextremistischen Anschlag in der Geschichte der Bundesrepublik.

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Deutlicher denn je ging von dem Gedenken der Appell aus: Der Kampf gegen den Rechtsextremismus muss verschärft werden. „Es muss jede Anstrengung unternommen werden, rechtsextreme Netzwerke zu enttarnen, wo es sie gibt“, sagte Steinmeier. „Wegschauen ist nicht mehr erlaubt.“

Das gelte nach dem Oktoberfestattentat, nach dem NSU-Prozess, nach Drohschreiben des NSU 2.0, nach Feindeslisten sogenannter Preppergruppen mit Verbindungen zu Reservisten der Bundeswehr und nach der Aufdeckung einer rechtsextremen Chatgruppe in der Polizei in Nordrhein-Westfalen.

„Feinde der Freiheit und der Demokratie dürfen in der Polizei nicht geduldet werden“, sagte der Bundespräsident. Er wisse, was die Beamten leisteten. Sie verdienten Vertrauen. Polizeiführungen und politisch Verantwortliche dürfen kein Klima dulden, in dem rechtsextreme Netzwerke entstehen und gedeckt werden könnten. Der Schrecken rechten Terrors sei wieder nah, „gerade jetzt, nach dem Mord an Walter Lübcke, nach den Taten von Halle und Hanau“.

Attentat ist erst seit Juli als rechtsextremistisch eingeordnet

Die Aufklärung der NSU-Morde habe Licht in einen toten Winkel der Strafverfolgung gebracht, sagte Steinmeier. Ermittlungen liefen ins Leere, wenn sie nicht vorbehaltlos, sondern von Befangenheit und Vorurteilen geleitet würden.

Am 26. September 1980 hatte eine Bombe zwölf Wiesngäste und den rechtsextremen Bombenleger Gundolf Köhler in den Tod gerissen und über 200 verletzt. Die Bundesanwaltschaft hatte erst im Juli nach neuen Ermittlungen die Tat als rechtsextremistisch eingeordnet.

Früher sprachen Ermittler von der Tat eines Einzelnen aus privatem Frust. Konkrete Hinweise auf Mittäter konnten auch bei den neuen Ermittlungen nicht mehr gefunden werden. Unter anderem waren Spuren damals nicht verfolgt und Beweismittel früh vernichtet worden.

Klarer als je zuvor räumen Politiker inzwischen nicht nur Fehler bei den damaligen Ermittlungen, sondern auch bei der Einschätzung ein - und es gibt Entschuldigungen an die Adresse der Opfer. „Ihre Hilferufe hat man ignoriert, ihre Forderungen nach Unterstützung wurden oft genug abgelehnt und sie selbst sogar als Simulanten diffamiert“, sagt Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD).

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sagte: „Es tut mir leid und ich entschuldige mich für die Fehler, die in den Ermittlungen, aber auch in der Einschätzung zu der Tat gemacht wurden.“ Er spreche als Rechtsnachfolger aller anderen Ministerpräsidenten und als Verantwortlicher für den Freistaat.

Überlebende äußerten sich

„Wer Rechtsradikale unterschätzt, versündigt sich an der Demokratie.“ Er gab ein „Schutzversprechen“ ab: „Wir werden nicht zulassen, dass Rechtsextremismus, Hass, Antisemitismus, Rassismus geduldet, akzeptiert oder irgendwie unterschätzt werden.“ Söder wandte sich auch an die Opfer: „Wir verneigen uns. Wir werden diesen Tag nie vergessen.“

Eindrücklich schilderten Überlebende ihre Geschichte. „Ich möchte endlich wieder auf einen Berg steigen, mit dem Rad um den Starnberger See fahren“, sagte die gehbehinderte 73-jährige Renate Martinez. Robert Höckmayr (52) sagte, die Kultur des Erinnerns sei ein starkes Signal einer wachsamen Gesellschaft gegen Rechts. Vergessen sei aber nicht möglich. Zwei Geschwister starben damals vor seinen Augen.

Die Überlebenden riefen auf zum Kampf gegen Rechts - aber auch zu Optimismus. Dimitrios Lagkadinos (57), der beide Beine verlor, mahnte, Rechtsextremismus nähre sich aus Hass und Ausgrenzung und gehe selten von Einzelnen aus, sondern sei organisiert und vernetzt.

Er rief auf, nicht nur in der Vergangenheit zu bleiben. „Das Leben ist schön“, lautet der Appell des Mannes, der seit 40 Jahren im Rollstuhl sitzt. Die damals schwer verletzte Gudrun Lang sagte, sie habe ihre erste große Liebe verloren. Aber auch: „Aus Zerstörung muss wieder etwas erwachsen - nicht Hass, sondern die Hoffnung des Guten.“

Für die DGB-Jugend, die über Jahrzehnte das Gedenken maßgeblich aufrechterhielt, erinnerte Pia Berndt an den langen Weg bis zur Wiederaufnahme der Ermittlungen und zur Einstufung der Tat als rechtsextremistisch. An der Theresienwiese wurde ein neuer Dokumentations-Ort mit rund 200 lebensgroßen Silhouetten und Videoinformationen eröffnet. Erstmals fand das Gedenken ohne Festgetümmel statt - die Wiesn fällt wegen Corona dieses Jahr aus.