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Next47: Warum Siemens mit seinen Start-ups nicht warm wird

Im Konzern gibt es viele Diskussionen um die Zukunft der Start-up-Einheit Next47 – vor allem vor dem im Sommer anstehenden Wechsel an der Vorstandsspitze.

Im Namen der Tochter steckt ein großer Anspruch. „Next47“ nannte Siemens die neue Start-up-Einheit, als sie im Herbst 2016 an den Start ging. 1847 war Siemens gegründet worden. Im Idealfall also, so die Botschaft, soll mit den Start-up-Aktivitäten ein neue Technologiekonzern von Weltrang entstehen.

„Next47 wird eine neue Ära der Zusammenarbeit zwischen jungen, hungrigen Start-ups und einem Großkonzern mit 170-jähriger Geschichte begründen“, sagte Lak Ananth damals, als er die Führung der Sparte übernahm. Eine Milliarde Euro wollte Konzernchef Joe Kaeser in den ersten fünf Jahren investieren.

Wie viel von dieser Summe bereits ausgegeben ist, gibt Siemens nicht bekannt. Doch hat die Einheit gut drei Jahre nach dem Start ihre Rolle im Konzern nach Einschätzung mehrerer Insider noch nicht gefunden. Einige Manager sehen demnach nach Informationen des Handelsblatts die Entwicklung des hoffnungsvollen Projekts kritisch.

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Unter Ananth sei Next47 ein normaler Venture-Capital-Geber geworden, da aber bislang noch nicht übermäßig erfolgreich, heißt es in Industriekreisen. Den Nutzen für den Konzern zweifelten manche an. Auch unter Vorständen soll das Thema diskutiert worden sein. Manche wollen sogar einen Verkauf der Einheit nicht ausschließen.

Offiziell heißt es bei Siemens, Next47 liefere „einen wertvollen Beitrag für die Weiterentwicklung des Unternehmens“. Laut Industriekreisen ist auch Technologievorstand Roland Busch, der im Sommer zum künftigen Konzernchef gekürt werden soll, zufrieden mit der Entwicklung der Einheit. „Er steht voll dahinter und sieht einen Mehrwert für den Konzern.“

Allerdings soll es auch in der Vorstandsetage schon einige Diskussion über Next47 gegeben haben. Angesichts der offenen Führungsfragen bei Siemens – der Aufsichtsrat will im Sommer über die Kaeser-Nachfolge entscheiden – sind solche Themen derzeit besonders brisant. Für Next47 sei zwar Busch zuständig – doch bei diesem Thema sitze Kaeser als CEO genauso mit im Boot, meint ein Berater, der viel im Hause Siemens unterwegs ist.

Next47 investiere nicht nur, heißt es von Siemens. Im Rahmen eines Catalyst-Programms bringe es Start-ups und operative Einheiten zusammen, und vermittle intern Expertise über neue Geschäftsmodelle. Zudem können über ein Accelerator-Programm Siemens-Entwickler in einem zwölfwöchigen Programm neue Konzepte entwickeln.

Ob die Investments von Next47 ein Erfolg seien, werde sich erst mit etwas Abstand zeigen. Schließlich gab es noch keinen Exit. „Im Venture-Capital-Umfeld braucht man eine gewisse Geduld“, heißt es.

Schwerpunkt der Beteiligungen in Kalifornien

Next47 hält derzeit 23 Beteiligungen, von 15Five, einer Plattform für Mitarbeiter-Feedback, bis zum Datenspezialisten Yellowbrick. Kernprodukt von 15Five ist eine Software, mit der regelmäßige Befragungen von Teams und Mitarbeitern realisiert werden können. Ziel ist ein kontinuierliches Feedback. An das Performance-Management-System sind Tools angebunden, zum Beispiel für die Kommunikation mit Beschäftigten.

Yellowbrick ist ein Data-Warehouse-Spezialist. Dahinter stecken Systeme, um große Datenmengen aus unterschiedlichen Quellen zu speichern und etwa für die Datenanalyse mit Hilfe Künstlicher Intelligenz zur Verfügung zu stellen. Das System von Yellowbrick eignet sich besonders für hybride IT-Landschaften, also Unternehmen, die IT im eigenen Rechenzentrum und in der Cloud haben.

Dass diese beiden Start-ups wie etwa die Hälfte der Next47-Beteiligungen in Kalifornien sitzen, ist kein Zufall. Einerseits spielt die Start-up-Musik nunmal vor allem im Silicon Valley. Doch steht Next47-Chef Lak Ananth auch siemens-intern im Verdacht, dass Silicon Valley nur ungern zu verlassen. „Zumindest in München ist er nicht sehr oft“, sagt ein Insider. Bei einem seiner ersten Besuche in der Siemens-Zentrale ließ sich Ananth von den Kollegen im frostigen München erst einmal einen Schal und eine Jacke kaufen.

In der deutschen Start-up-Szene war die Enttäuschung groß, dass Next47 anfangs ausschließlich im Ausland investierte. Derzeit sind immerhin zwei deutsche Firmen im Portfolio: Scoutbee aus Würzburg, das eine KI-basierte Lieferantensuche bietet, und der Berliner Logistik-Spezialist Sennder.

Auch vernetzt sich Next47 inzwischen stärker mit der Szene. In München lud der Siemens-Ableger im vergangenen Herbst die Community zum Austausch ein. „In den ersten Jahren hatten sie sich ziemlich abgeschottet“, sagt einer, der dabei war.

Doch so richtig hat Next47 seine Rolle im Konzern noch nicht gefunden. Vor einigen Jahren noch hatte Siemens vor allem in Start-ups relativ nah am eigenen Geschäft investiert. Unter Ananth ging die Truppe auch räumlich auf Distanz zur Mutter und zog in den Münchener Norden. Bei den Investments sieht sich Next47 als klassischer Venture-Capital-Geber. Das Kapital wird in der Regel in Minderheitsbeteiligungen gesteckt, und zwar auch in Geschäftsfeldern, in denen Siemens nicht aktiv ist.

Bei diesem Ansatz, wenn es also nicht primär darum geht, das eigene Geschäft technologisch zu stärken, müsse dann aber die Rendite stimmen, meint ein Insider. Dies sei bislang aber nicht sichtbar, womöglich auch, weil die Partner nicht mit eigenem Geld investiert seien. So könnten sie ein hohes Risiko eingehen. Zudem investiere Siemens vor allem in die „Big Shots“, um die sich alle balgten, meint ein Insider – und nicht in der frühen Phase in die aussichtsreichsten Start-ups.

Start-ups sollen von Siemens profitieren

Auf der Homepage von Next47 werden drei „Success Stories“ aufgelistet. Dabei handelt es sich aber nicht um erfolgreiche Exits, sondern um Beteiligungen, die sich gut entwickeln. Vor allem auf die Beteiligung an Verkada, einem Hersteller von Sicherheitskameras aus Kalifornien, sind sie bei Next47 stolz. Dabei handle es sich um das erste Start-up mit einer Bewertung von mehr als einer Milliarde Dollar, an dem Next47 beteiligt ist.

Vor gut einem Jahr hatte Ananth im Gespräch mit dem Handelsblatt noch betont: „Wir schauen sehr weit voraus, auch in Gebiete, für die es heute bei Siemens noch gar keine Division oder Business-Unit gibt.“

Inzwischen aber hat sich der Fokus offenbar wieder etwas verschoben. Next47 investiere in Themen wie das Internet der Dinge und Cyber-Security, die für Siemens von großer Bedeutung seien, heißt es in Industriekreisen. Es gebe in der Regel eine „inhaltliche Korrelation“.

Zudem wird im Umfeld von Siemens stärker als früher betont, dass die Start-ups von Siemens profitieren sollen. Der Konzern wolle nicht nur Geld geben – davon sei am Markt genug vorhanden -, sondern auch zum Beispiel bei der Globalisierung der Geschäfte helfen.

Als Vorbild in der Corporate-Venture-Szene gilt SAP. Der inzwischen eigenständige Ableger Sapphire hat in mehr als 100 Start-ups investiert, mehr als 50 Verkäufe und Börsengänge gelangen, viele mit Profit. Nach eigenen Angaben half man, Firmen mit mehr als 100 Milliarden Dollar Unternehmenswert aufzubauen, darunter LinkedIn, Fitbit, Square, Box und Nutanix.

Schon bei der Gründung des Venture-Capital-Fonds 1996 – damals unter dem Namen SAP Ventures – sollte es nicht nur ums Geld gehen: Der Softwarehersteller aus Walldorf wollte mit der Firma in attraktive Start-ups investieren. 2011 gab er die Hoheit ab, es erfolgte eine Umfirmierung. Die Nähe zum Konzern sollte nicht abschrecken. Heute ist Sapphire Ventures in den Entscheidungen vollkommen unabhängig. Das Kapital kommt aber fast vollständig von SAP, der Dax-Konzern hat mehr als 2,5 Milliarden Dollar zur Verfügung gestellt.

Trotz der Unabhängigkeit ist die Nähe zu SAP ein wichtiges Differenzierungsmerkmal, mit dem sich Sapphire Ventures von Konkurrenten unterscheiden will. Die Beteiligungen können Unterstützung im Vertrieb bekommen und vom Netzwerk profitieren. Primär geht es aber auch für SAP bei den Investments darum, Geld zu verdienen. Bislang klappt das: Laut Branchenschätzungen liegt die Rendite im zweistelligen Prozentbereich.

Bei Siemens ist von solchen Renditen bislang noch nichts zu sehen – kein Wunder, die Exits stehen ja noch aus. Doch stehen die Zahlen bei den Münchenern unter besonders genauer Beobachtung. Kaeser will nach Einschätzung in Industriekreisen auch in seinem mutmaßlich letzten vollen Geschäftsjahr als Vorstandschef die Prognosen wieder erfüllen.