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Neue Riege, alte Probleme: Droht beim Grünen-Parteitag die Rache des linken Flügels an den Realos?

Die scheidenden Bundesvorsitzenden der Grünen: Annalena Baerbock und Robert Habeck – inzwischen beide in Ministerämtern – geben am Parteitag ihre Ämter ab.
Die scheidenden Bundesvorsitzenden der Grünen: Annalena Baerbock und Robert Habeck – inzwischen beide in Ministerämtern – geben am Parteitag ihre Ämter ab.

Die Grünen treffen sich an diesem Wochenende zum ersten richtigen Wiedersehen seit der Bundestagswahl. Seit Ende September ist viel passiert – 18 Mitglieder der Ökopartei gehören inzwischen als Minister oder Staatssekretäre dem Bundestagskabinett an, sie haben die Sofortprogramme verkündet und Gesetzesentwürfe auf den Weg gebracht.

In all der Geschäftigkeit scheint das Chaos der Wahlnachwehen darüber in Vergessenheit geraten zu sein: Unter anderem der stundenlange Machtkampf der Parteiflügel, in dessen Mittelpunkt der damalige Fraktionsvorsitzende Anton Hofreiter stand und der schließlich zu dessen Ungunsten endete. Oder die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gegen den Bundesvorstand wegen Untreue: An Mitglieder des Bundesvorstandes, wie die noch amtierenden Parteichefs Annalena Baerbock und Robert Habeck, war ein Corona-Bonus in Höhe von 1500 Euro ausgezahlt worden.

Nun liegt also der Fokus am letzten Januarwochenende auf personeller Neuausrichtung. Weil ein Ministeramt bei den Grünen nicht mit der Parteiführung vereinbar ist, machen Baerbock und Habeck ihre Plätze frei. Der Frankfurter Außenpolitiker Omid Nouripour und Ricarda Lang aus Baden-Württemberg wollen nachrücken. Die Wahl des Realos und der Partei-Linken gilt als so gut wie sicher, auch wenn das neue grüne Führungsduo noch nicht die Strahlkraft entfaltet wie die alte Parteispitze.

Der Flügelkampf zwischen Linken und Realos findet nicht an der Spitze statt

Der komplette Bundesvorstand wird neu gewählt, außer Lang und Nouripour treten noch Pegah Edalatian-Schahriari, Daniel Tiedtke, Philipp Schmagold, Heiko Knopf sowie die bisherige organisatorische Geschäftsführerin Emily Büning und der bisherige Bundesschatzmeister Marc Urbatsch an. Letzterem wird von Teilen der Partei die Verfehlung rund um den Corona-Bonus angelastet, da die Auszahlung in seinem Zuständigkeitsbereich lag. Hinter den Kulissen wurde versucht, einen Gegenkandidaten zu finden, den gibt es auch – allerdings räumt dem weitgehend unbekannten Horst Peter Preßler-Höft niemand ernsthafte Chancen ein. Die Wahl des bisher sechsköpfigen Bundesvorstands wird voraussichtlich reibungslos über die Bühne gehen.

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Dass der Flügelkampf zwischen linkem Parteiflügel und Realos noch einmal aufbricht, ist eher beim Tagesordnungspunkt W-03 zu erwarten: der Wahl des Parteirats. Dieser hatte rund um die Besetzung der Ministerposten im November ordentlich mitgemischt und letztendlich gegen den Bundesvorstand um Habeck und Baerbock den Kürzeren gezogen, die sich für Cem Özdemir ausgesprochen hatten. Der Schleier der Harmonie, der die Grünen lange umhüllt hatte, war an diesem Novemberabend wie weggerissen. Die Parteilinken hatten zunächst arg gegrollt, sich dann aber scheinbar damit abgefunden, dass sie mit Ricarda Lang eine der ihren bald an der Parteispitze wussten.

Die Interessenskonflikte zwischen beiden Lagern bestehen aber weiter und treten bei den Knackpunkten im Koalitionsvertrag wie den unveränderten Hartz4-Regelsätzen zutage. Die Partei arbeitet noch daran, ihre Rolle neben den präsenten Grünen-Regierungsmitgliedern zu finden. Lang soll als Sprachrohr dafür sorgen, dass die Interessen der linken Grünen Aufmerksamkeit bekommen. Doch die 28-Jährige kann am Wochenende kaum eingreifen, sie ist an Covid-19 erkrankt und wird sich aus der heimischen Isolation zuschalten.

Die Aufarbeitung des Grünen-Wahlkampfs wird zum Streitpunkt

Es könnte sein, dass sich der Unmut des linken Flügels in mittelmäßigen Wahlergebnissen bei der Parteiratswahl niederschlägt, bei der diesmal Habeck und Baerbock antreten. Dabei heißt es, die beiden seien mit ihren Aufgaben in den Ministerien voll ausgelastet. 13 Posten im Rat werden gewählt, 14 Mitglieder haben sich zur Wahl gestellt. Die Ergebnisse der alten Spitze könnten ein Stimmungsbarometer sein, ebenso wie die frei gelosten Redebeiträge.

Ein Mammut-Parteitag mit über 3000 Änderungsanträgen wie vor der Bundestagswahl steht diesmal nicht bevor. Lediglich die Forderung, eine Arbeitsgruppe zur Aufarbeitung des Bundestagswahlkampfs zu bilden, trägt etwas Sprengstoff in sich: Die Differenz zwischen Wahlergebnis und zwischenzeitlichen Umfragewerten habe zu „einer Ernüchterung oder gar Enttäuschung geführt“, schreiben 20 Grünen-Mitglieder. Sie wollen analysieren, woran es lag, dass die Grünen hinter ihrem Ziel von 20 Prozent der Wählerstimmen zurückblieben – auch Personalfragen wollen sie „kritisch beleuchten“.

Doch diese Auseinandersetzung mit Fehlern der Vergangenheit ist intern umstritten. Lang sagte dem Fernsehsender Phoenix, sie gehe davon aus, dass sich der Blick der Delegierten am Wochenende „nach vorne richten wird“. Andere Konflikte, wie der drohende Parteiausschluss des Grünen Oberbürgermeisters Boris Palmer, werden bewusst unter dem Teppich gehalten, obwohl der Rebell weiterhin einige Anhänger in der Ökopartei hat.

Landtagswahlen in 2022 werden zeigen, ob die Partei zu neuer Stärke findet

Ein Quäntchen Spannung steckt zudem im Ablauf des gesamten Parteitags. In den Landesverbänden geht die Befürchtung um, dass es zu organisatorischen und technischen Pannen kommen könnte oder die Gesamtbotschaft zur Zukunft der Grünen nicht optimal kommuniziert wird.

Schon die Vorbereitungen auf die Hybridveranstaltung liefen wohl chaotisch. Ein Grund könnte sein, dass viele gestandene Parteifrontfrauen und -männer die Geschäftsstelle in Richtung Ministerien verlassen haben. Unter anderem die Habeck-Vertraute Nicola Kabel und Robert Heinrich, ehemaliger Büroleiter der Doppelspitze, standen bei der Organisation im Vorfeld nicht mehr zur Verfügung. Bei der Nachbesetzung setzt man dem Hörensagen nach eher auf Parteisoldaten als auf frische Kompetenz von außen.

Auch in der zweiten Reihe läuft bereits die Neuausrichtung und ob diese auf allen Ebenen gelingen wird, dürfte sich bei den vier Landtagswahlen in Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen und dem Saarland zeigen. In letzterem waren die Grünen wegen einer komplett zerstrittenen Landespartei aus dem Landesparlament geflogen und bei der Bundestagswahl nicht wählbar, die Bundespartei war als Schlichterin eingeschaltet.