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Von Arbeitsbedingungen bis Rechnungslegung: Nachhaltigkeit bedeutet mehr als Klimaschutz

Nachhaltiges Wirtschaften hat viele Dimensionen. Das schafft Spielräume für das Management, erschwert aber auch die Überprüfung für Investoren.

Es gibt sie als Fahnen, als Tassen, als Schlüsselanhänger – und es vergeht wohl keine Konferenz zum Thema Nachhaltigkeit, auf der die bunten Quadrate nicht in irgendeiner Form zu sehen sind: die „17 Ziele für nachhaltige Entwicklung“ der Vereinten Nationen, dargestellt durch Logos auf farbigem Grund, die etwa ein Buch, die Silhouette einer Stadt oder eine Suppenschüssel zeigen.

Anhand der Symbole will die UN mit einfachen Mitteln ins Gedächtnis rufen, welche Ziele sich die Weltgemeinschaft selbst für das Jahr 2030 gesetzt hat: die Bekämpfung von Armut, Hunger, Ungleichheit. Bildung, gute Arbeit, sauberes Wasser, bezahlbare und saubere Energie für alle. Den Schutz von Meeren, Tieren und Klima. Und nicht zuletzt eine friedliche globale Zusammenarbeit, um all diese Ziele zu erreichen.

Dass diese Vielfalt von Nachhaltigkeit manchmal vergessen wird, beklagen Experten wie Manfred Fischedick, Vizepräsident des Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt, Energie. „Das Thema wird in der öffentlichen Debatte häufig auf den Klimaschutz verkürzt“, so der Forscher.

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„Tatsächlich sind es die 17 Dimensionen der internationalen UN-Agenda, mit denen man sich in erster Linie auseinandersetzen muss.“ Hier werde der Begriff Nachhaltigkeit deutlich breiter verstanden – und umfasse auch Aspekte wie saubere Wertschöpfungsketten, Abfallmanagement oder die Einhaltung der Menschenrechte.

Großunternehmen wie Adidas, aber auch Covestro, SAP und RWE orientieren sich bei ihren Nachhaltigkeitsstrategien an den 17 „SDGs“ („Sustainable Development Goals“) der UN. Meist suchen sich die Firmen diejenigen Ziele heraus, die sie bei ihrer Geschäftstätigkeit am stärksten betreffen.

Ein Teil von ihnen hat auch ein Selbstverpflichtungsabkommen mit den UN geschlossen („Global Compact“). Mit allerdings nur einer Sanktionsmöglichkeit: Wer nicht regelmäßig seine Daten offenlegt, fliegt von der Mitgliederliste.

Bilanz und Ökobilanz

Doch auch ohne Global Compact gibt es seit 2017 eine Berichtspflicht für Nachhaltigkeit. So müssen kapitalmarktorientierte Unternehmen in Deutschland ab einer bestimmten Größe ihre Aktivitäten in den Bereichen Umwelt, Soziales, Arbeitnehmer- und Menschenrechte, Bekämpfung von Korruption und Diversität in einem eigenen Bericht offenlegen. Manche, wie der Softwarehersteller SAP, integrieren die Kennzahlen auch im Jahresabschluss und führen sie neben den Finanzkennzahlen.

Ob die Angaben auch plausibel sind, prüfen in der Regel externe Anbieter entsprechender Zertifikate. Durch den wachsenden Bedarf an seriöser Überprüfung und die Hilfe digitaler Technologien habe sich die Qualität dieser Anbieter laufend verbessert, so Klimaforscher Fischedick. „Auch wenn es hier, wie immer im Leben, natürlich auch schwarze Schafe gibt: Die Zertifizierungslandschaft ist in den vergangenen Jahren deutlich besser geworden.“

So lässt sich beispielsweise der Konsumgüterhersteller Beiersdorf in zunehmendem Maße die Herkunft des verarbeiteten Palmöls zertifizieren. Laut Nachhaltigkeitsbericht bezog der Konzern so 2018 insgesamt 63 Prozent des Rohstoffs nachweisbar aus nachhaltigen Quellen. Bis 2020 sollen es 100 Prozent werden.

Die Kriterien für die Zertifizierung liefert der „Roundtable on Sustainable Palm Oil“ (RSPO), der 2011 vom World Wildlife Fund (WWF) ins Leben gerufen wurde – aber wegen seiner Industrienähe bereits mehrfach in die Kritik von Umweltschutzorganisationen geraten ist. Darüber hinaus lässt sich Beiersdorf seine Palmöl-Lieferkette auch nach den Kriterien des Forums Nachhaltiges Palmöl (Fonap) zertifizieren, die deutlich strengere Regeln vorsehen.

„Vor allem in den Bereichen Textil und Konsumgüter ist die Lage bei den Nachhaltigkeitszertifikaten noch sehr unübersichtlich“, sagt Klimaforscher Fischedick vom Wuppertal-Institut. „Gibt es viele unterschiedliche Labels mit dem gleichen Ziel, sollte sich ein Unternehmen das herausgreifen, das am besten zur Produktpalette passt.“

CO2 ist nicht gleich CO2

Deutlich einfacher ist es im Vergleich dazu, den Beitrag eines Unternehmens zum Klimaschutz zu messen, der ebenfalls zu den 17 UN-Zielen zählt. Tatsächlich melden viele Börsenkonzerne hier freiwillig ihre genauen CO2-Emissionen an das Carbon Disclosure Project (CDP). Im Namen von Investoren erhebt der Verein aus London jährlich die Emissionsdaten von Tausenden Unternehmen weltweit. Abgesehen von Dax-Neuling Wirecard sind hier alle großen deutschen Börsenunternehmen vertreten.

Meist finden sich die Daten auch entsprechend in den Nachhaltigkeitsberichten der Konzerne wieder. Aufgeteilt wird der CO2-Ausstoß dabei in drei Kategorien, die sich wiederum in direkte Emissionen („Scope 1“) und indirekte Emissionen einteilen lassen.

Erstere fallen dabei in der eigenen Produktion an, indirekte Emissionen entweder durch von außerhalb bezogene Energie („Scope 2“) oder an sonstigen Stellen in der Wertschöpfungskette („Scope 3“) – beispielsweise durch die Nutzung des am Ende hergestellten Produkts.

So haben Energiekonzerne wie RWE oder Stahl- und Zementhersteller wie Thyssen-Krupp oder Heidelberg Cement häufig hohe Scope-1-Emissionen. Während Autokonzerne, die viele Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor verkaufen, typischerweise hohe Scope-3-Emissionen aufweisen.

Für Erstere bekommen Industrieunternehmen seit 2005 Emissionsrechte zugeteilt – die sogenannten ETS-Zertifikate. Was sie darüber hinaus ausstoßen, müssen sie durch Zukäufe erwerben. Derzeit liegt der Preis für eine Tonne CO2 im Handel bei etwa 24 Euro.

Auch wenn die Nummerierung das Gegenteil vermuten lassen könnte, sind alle Kategorien für den Klimaschutz gleichermaßen entscheidend. „Man darf bei der eigenen Strategie nicht nur die Prozesse in der eigenen Produktion betrachten“, sagt Fischedick. „Was am Ende zählt, ist die gesamte Wertschöpfungskette.“

Dass Unternehmen wie die Lufthansa, die wegen ihres Geschäftsmodells besonders stark mit der CO2-Reduktion ringen, dabei auch auf den Zukauf von Zertifikaten und Kompensationszahlungen setzen, hält der Forscher während einer Übergangszeit für legitim: „Es darf nur nicht auf Dauer angelegt sein.“ Denn je mehr Unternehmen diesen Weg gingen, desto höher sei auch die Nachfrage nach solchen Kompensationen. „Diese ‚low hanging fruits‘ werden irgendwann ausgeschöpft sein.“

Wie man den Fortschritt messen kann

Mit den neuen Anforderungen zwischen Umwelt, Wirtschaft und Gesellschaft wächst in den Unternehmen auch das Bedürfnis, diese in vergleichbaren Kennzahlen abbilden zu können. Zwar sind die einzelnen UN-Ziele mit mehr als 160 einzelnen Indikatoren mit vielen Zahlen hinterlegt. „Man kann sich gut die individuellen Fortschritte anzuschauen“, so Fischedick. „Hat sich das Unternehmen Ziele gesetzt? Wie weit ist es gekommen?“

Doch weil die Unternehmen sich oft einzelne Ziele herausgreifen, lassen sich die Zahlen zwischen den Unternehmen nicht immer vergleichen. Mit der „Value Balancing Alliance“ hat sich nun ein Zusammenschluss von Großkonzernen gebildet, der an einem neuen Rechnungslegungsstandard arbeitet.

Er soll auch Wertbeiträge der Unternehmen in gesellschaftlicher Hinsicht berücksichtigen – „und den Blickwinkel auf die Unternehmensleistung erweitern“. Zu der Initiative gehören unter anderem BASF, Bosch, der Schweizer Pharmahersteller Novartis sowie SAP.