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Morgen erhöht die Europäische Zentralbank (EZB) erneut die Leitzinsen – das müsst ihr heute darüber wissen

Die Europäische Zentralbank und ihre Präsidentin Christine Lagarde werden die Leitzinsen erneut erhöhen. - Copyright: Picture Alliance
Die Europäische Zentralbank und ihre Präsidentin Christine Lagarde werden die Leitzinsen erneut erhöhen. - Copyright: Picture Alliance

Im Kampf gegen die hohe Inflation wird die Europäische Zentralbank (EZB) die Leitzinsen für die Euro-Zone an diesem Donnerstag erneut anheben, wahrscheinlich sogar wieder kräftig. An den Finanzmärkten wird überwiegend mit einer Erhöhung der beiden wichtigsten Zinssätze und jeweils 0,75 Prozentpunkte gerechnet. Die EZB entscheidet darüber am Donnerstag.

Die Zentralbank hatte die Zinsen zuletzt Anfang September um jeweils 0,75 Prozentpunkte erhöht. Der Zinssatz, zu dem sich Banken Geld bei der EZB leihen können, stieg auf 1,25 Prozent. Der Einlagezins, zu dem Banken Geld bei der Zentralbank parken können, stieg auf 0,75 Prozent.

Dies war der bis dahin größte Zinsschritt in der Geschichte der Europäischen Zentralbank und die zweite Zinserhöhung in diesem Jahr. EZB-Präsidentin Christine Lagarde und Mitglieder des Direktoriums wie Bundesbank-Präsident Joachim Nagel haben bereits deutlich gemacht, dass die Leitzinsen weiter steigen werden.

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Die Währungshüter versuchen damit, die rasante Preissteigerung in Europa zu bremsen. Die Inflationsrate im Euro-Raum stieg im September auf 9,9 Prozent. Dies ist der höchste Stand seit Einführung des Euro 1999. In Deutschland liegt die Inflation in der EZB-Messung im Oktober bei 10,8 Prozent. Die EZB strebt für die Euro-Zone eine Inflationsrate von zwei Prozent an.

Was bedeutet die neue kräftige Zinserhöhung für Sparer und Aktienkurse, für die Immobilienmärkte und die Bauzinsen sowie für den Euro. Wir beantworten die wichtigsten Fragen rund um die Sitzung der EZB am Donnerstag.

Wie haben sich Leitzinsen der EZB im Euro-Raum entwickelt?

Die EZB hat erst Mitte Juli eine sehr lange Phase extrem niedriger, teilweise negativer Zinsen beendet und die Leitzinsen im Euroraum zunächst um einen halben Prozentpunkt erhöht. Im September folgte der zweite Zinsschritt um 0,75 Prozentpunkte.

Der Zinssatz für die Hauptrefinanzierungsgeschäfte liegt nun bei 1,25 Prozent. Zu diesem Zinssatz erhalten die Geschäftsbanken Geld von der EZB.

Der Einlagensatz beträgt seit September 0,75 Prozent. Zu diesem Zinssatz können Banken Geld bei der EZB anlegen.

Die EZB leitete die Zinswende deutlich später ein als andere wichtige Zentralbanken weltweit. In den USA erhöhte die Federal Reserve die Leitzinsen bereits mehrfach jeweils kräftig. Es wird erwartet, dass auch die Fed den Leitzins im November weiter erhöht. Das Gleiche gilt für die Bank of England.

Welche Zinserhöhung der EZB wird erwartet?

Vor jeder Zins-Entscheidung der EZB fragt die Nachrichtenagentur Reuters Volkswirte nach ihrer Erwartung. Für die aktuelle Sitzung rechnen sie überwiegend damit, dass die EZB beide Leitzinsen erneut um jeweils 0,75 Prozentpunkte anhebt.

Die Volkswirte erwarten zudem, dass die EZB die Leitzinsen bis zum Jahresende um weitere 0,5 Prozentpunkte ehöht. Den Zinsgipfel erwarten die Experten dann Anfang des kommenden Jahres bei 3,00 Prozent für den Refinanzierungszins und 2,00 Prozent für den Einlagenzins.

Wie schnell senkt eine Zinserhöhung der EZB die Inflation?

„Wenn man heute die Zinsen anhebt, geht nicht morgen oder übermorgen automatisch die Inflation nach unten“, erläutert Tobias Basse, Analyst bei der Norddeutschen Landesbank. Wenn der Zins steigt, den Banken an die Zentralbank zahlen müssen, geben sie dies an ihre Kunden weiter. Sie erhöhen die Zinsen für Kredite: Investieren wird teurer, Sparen attraktiver. Das dämpft die Nachfrage und damit die Preise.

„Die Preise dürften allenfalls mit einer Zeitverzögerung von drei bis sechs Monaten auf die Zinsänderungen reagieren“, schätzt Basse.

Wichtig für die Preisentwicklung sind die Inflationserwartungen von Haushalten und Unternehmen. Erwarten sie steigende Preise, schrauben Arbeitskräfte ihre Lohnforderungen nach oben, was wiederum die Preise treibt. Eine Lohn-Preis-Spirale droht. In Deutschland fordern Gewerkschaften bereits hohe Gehaltserhöhungen, etwa mehr als zehn Prozent im Öffentlichen Dienst. Die meisten Abschlüsse liegen aber unter der Inflationsrate.

Auch Unternehmen nutzen die Erwartung, dass Preise steigen, und erhöhen ihre Preise teils stärker als ihre Kosten gestiegen sind. Der Ökonom Joachim Ragnitz hat diesen Effekt nachgewiesen. Er sagt: "Wir haben neben einer Kosten- auch eine Gewinninflation".

Umso wirksamer ist das psychologische Signal der EZB, dass sie die Zinsen weiter anhebt, die Inflation also konsequent bekämpfen will. Analyst Basse: „Wenn es den Notenbanken gelingt, dass sich hohe Inflationserwartungen nicht verfestigen, wird das mittelfristig zu einem spürbaren Rückgang der Inflation führen.“

Welche Auswirkungen hat die Zinsentscheidung der

EZB für Sparer?

Bisher hatte die Zinswende Sparern vor allem eines gebracht: das Ende der Negativzinsen. Mittlerweile zahlen viele Banken wieder Zinsen bis zu einem Prozent auf Tagesgeld, vereinzelt auch mehr. Für Festgeld gibt es bereits bis zu knapp drei Prozent.

Aber: Weil die Inflation noch stärker gestiegen ist, sind die Realzinsen zuletzt eher noch tiefer ins Minus gerutscht. Wer bei einer Inflationsrate von acht Prozent für sein Geld ein Prozent Zinsen erhält, verliert in einem Jahr immer noch sieben Prozent Geldwert.

Diese Schere dürfte sich langsam schließen. Viele Experten erwarten, dass die Sparzinsen sich zunächst parallel zu den Leitzinsen entwickeln. Sie könnten nun also ebenfalls in der Spanne zwischen 0,5 und einem Prozentpunkt steigen. Um wieder zu positiven Realzinsen zu kommen, müsste also gleichzeitig die Inflationsrate noch deutlich sinken.

Welche Folgen hat die Zinsentscheidung der EZB auf die Bauzinsen?

"Jetzt werden wohl die Zinsen für Immobilienkredite weiter steigen und den Druck auf den Wohnimmobilienmarkt erneut erhöhen." So reagierte Oliver Wittke, Hauptgeschäftsführer des Branchenverbandes ZIA auf die jüngste Leitzinserhöhung. Ähnliches gilt auch für die nächste.

Auch die Kreditvermittler Interhyp und Dr. Klein erwartet steigende Bauzinsen. Vorständin Mirjam Mohr: "Bis zum Jahresende erwarten wir Zinsen um etwa 3,5 Prozent für zehnjährige Darlehen." Die Bauzinsen seien schon in Erwartung einer deutlichen Leitzinserhöhung von ihrem Zwischentief im August von 2,7 Prozent auf mehr als 3,2 Prozent geklettert.

Hausbauer hatten lange von der Niedrigzinspolitik profitiert. Doch seit Ende 2021 haben sich die Bauzinsen mehr als verdreifacht. Selbst jetzt sind Hypothekenkredite aber günstiger als im langjährigen Durchschnitt. Doch der Anstieg ist rasant und steil.

In Deutschland wird der Effekt für bestehende Kredite gedämpft. Im Gegensatz zu den USA haben die meisten Immobilienkredite hier eine mehrjährige Zinsbindung. Wer bereits eine Immobilie abbezahlt, wird nicht unmittelbar dramatische Folgen spüren. Doch die Zeit historisch niedriger Bau-Kredite ist vorbei. Mit Auslaufen ihrer Zinsbindung werden das auch Immobilienbesitzer spüren.

Die Zinswende beschleunigt das Ende des Immobilienbooms. Schon jetzt gehen Bauanträge und Aufträge zurück. Weit zehn Prozent der Baufirmen berichten über Stornierungen.

Könnten fallende Preise für Kaufimmobilien auch eine Chance sein? Für Immobilienkäufer stellt sich die Frage: Sinken die Hauspreise schneller als die Kreditzinsen steigen oder umgekehrt?“ Hier ist bisher kein klarer Trend erkennbar, und bei den Immobilienpreisen gibt es große regionale Unterschiede.

Was bedeutet die Zinsentscheidung der EZB für die Börsen?

An den Finanzmärkten dürfte eine Zinserhöhung um 0,75 Prozentpunkte weitgehend eingepreist sein. Erhöht die EZB die Zinsen tatsächlich in dieser Höhe, dürfte dies allein die Aktienmärkte kaum beeinflussen. Wichtiger könnte dafür schon werden, welchen Ausblick EZB-Chefin Lagarde in ihren Statements gibt.

Die Wirkung ist klar: Steigende Zinsen drücken aus zwei Gründen auf die Aktienkurse. Zum einen werden andere Zins-Anlagen mit geringeren Risiken attraktiver. Damit fließt weniger Geld in den Aktienmarkt, vor allem in riskantere Titel wie Tech-Aktien. Zum zweiten dämpfen höhere Zinsen die Konjunktur und damit die Geschäftschancen der an der Börse notierten Unternehmen.

Was bedeutet die Zinserhöhung der EZB für den Euro

Die lange Zeit niedrigen Zinsen und die flaue Konjunktur in Europa haben den Euro geschwächt. Im August fiel der Euro erstmals sei vielen Jahren wieder unter die Parität zum US-Dollar. Ein Euro war also weniger wert als ein Dollar. Der Euro fiel sogar bis auf den tiefsten Stand seit 20 Jahren und sackte zeitweise bis auf 95 Cent durch. Mittlerweile hat er sich knapp unter 99 Cent stabilisiert.

Erhöht die EZB die Zinsen, stärkt das den Euro. Weil es höhere Zinsen gibt, fließt mehr Geld in den Euro-Raum. Der Euro wird also stärker nachgefragt. Sein Preis steigt. Allerdings dürfte auch am Devisenmarkt eine deutliche Zinserhöhung an diesem Donnerstag weitgehend eingepreist sein. Entscheidend ist daher auch hier, welche Erwartungen EZB-Chefin Lagarde für die die weitere Zinsentwicklung im Euro-Raum schürt. Dies gilt umso mehr, als auch die US-Notenbank Fed die Zinsen für die USA weiter erhöhen dürfte.

Welche Folgen hat die Zinserhöhung der EZB für die Konjunktur?

Eine Zinserhöhung dämpft die Konjunktur. Höhere Zinsen machen Kredite für Investitionen teurer und sie machen Sparen im Vergleich zum Konsum attraktiver. "Die Geldpolitik will weniger Wachstum, um die Inflation auf zwei Prozent zurückzubringen", sagt Analyst Jochen Stanzl vom Broker CMC Markets.

Die aktuelle Situation ist aber ungewöhnlich: Normalerweise dämpfen Zentralbanken mit Zinserhöhungen eine heiß laufende Konjunktur. Derzeit stehen aber viele Länder im Euro-Raum bereits am Beginn einer Rezession. Eine Zinserhöhung in einen Abschwung hinein birgt hohe Risiken.

"Damit wird aus einer weichen Landung der Wirtschaft Europas mit hoher Wahrscheinlichkeit eine echte Vollbremsung", sagt Analyst Stanzl.

Das eine sei nicht ganz ohne das andere zu haben, erklärt Basse: „Die Notenbanken stehen vor einem Dilemma: Sie müssen die hohen Inflationserwartungen der privaten Haushalte bekämpfen. Gleichzeitig würden die aktuell diskutierten Zinserhöhungen der Fed in den USA auf bis zu vier Prozent die wirtschaftliche Entwicklung stark dämpfen, wodurch wiederum eine Rezession droht. Diese Gefahr ist zumindest in den USA real.“