Werbung
Deutsche Märkte öffnen in 8 Stunden 3 Minuten
  • Nikkei 225

    38.073,98
    -128,42 (-0,34%)
     
  • Dow Jones 30

    39.387,76
    +331,36 (+0,85%)
     
  • Bitcoin EUR

    58.728,92
    +1.958,29 (+3,45%)
     
  • CMC Crypto 200

    1.351,82
    +51,72 (+3,98%)
     
  • Nasdaq Compositive

    16.346,26
    +43,46 (+0,27%)
     
  • S&P 500

    5.214,08
    +26,41 (+0,51%)
     

Modelabel Sportalm wächst auch ohne Schnee

Ulli Ehrlich übernimmt das Unternehmen im März komplett und will damit zweistellig wachsen. Doch der Markt für mittelständische Modefirmen ist schwierig.

Der Mittelständler wächst vor allem abseits der Sportbekleidung. Foto: dpa
Der Mittelständler wächst vor allem abseits der Sportbekleidung. Foto: dpa

Wenn Ulli Ehrlich an den sorgfältig gestapelten Stoffballen im Erdgeschoss der Firmenzentrale vorbeischlendert, strahlt sie. Denn die kräftigen Farben – vom schrillen Grün bis zu tiefem Blau – sind die Kennzeichen ihres Modelabels Sportalm. An den weißen Wänden hängen Poster mit nahezu lebensgroßen Models einer maritim inspirierten Kollektion, aufgenommen in einer grünen Küstenlandschaft.

Dabei befindet sich das kreative und operative Zentrum mitten in den Tiroler Alpen. Am Stadtrand von Kitzbühel ist das Familienunternehmen zu Hause. „Die Kitzbüheler sind stolz auf ihre Marke Sportalm“, berichtet der in dem Tiroler Städtchen lebende Partner der Boston Consulting Group (BCG), Sebastian Boger.

WERBUNG

Sportalm wurde in Kitzbühel als kleine Strickerei gegründet. Heute zählt der Mittelständler zu den international erfolgreichsten Textilunternehmen in Österreich. 1980 erwarb der Textilmanager Wilhelm Ehrlich die Firma. Er beschäftigt 180 Mitarbeiter in Österreich und 500 in Bulgarien und betreibt 25 eigene Läden und Outlets – von Kitzbühel über Prag und Sofia bis St. Petersburg und Sotschi.

Im März steht eine tief greifende Änderung in der Firmengeschichte an. Seine Tochter Ulli Ehrlich wird alleinige Eigentümerin des Modelabels. Derzeit besitzt die frühere Chefdesignerin, die erst seit 2019 das Unternehmen führt, noch 66,66 Prozent. Ihr Vater hatte ihr im September seine Anteile überschrieben.

Nach Ablauf des laufenden Geschäftsjahrs Ende Februar 2020 wird sie die restlichen Anteile ihrer Schwester Christina, die sich weiter um die Outlets kümmert, übernehmen. Vater Wilhelm hat sich bereits weitestgehend aus dem operativen Geschäft zurückgezogen. Noch kümmert er sich um die Produktion und sucht nach neuen Herstellungsstätten. Sportalm zählt heute neben der Münchener Traditionsfirma Bogner oder Labels wie Armani oder Ralph Lauren zu den Luxusmarken. Beliebte Marken wie Peak Performance, Moncler oder Perfect Moment sind scharfe Konkurrenten.

Bekannt für bunte Dirndl

Das Tiroler Unternehmen wächst längst auch ohne Schnee. Einen Namen hat sich Sportalm mit seinen Dirndln gemacht. „Wir haben Farbe in das Dirndl gebracht. Das war der Grundstein unseres Erfolgs“, erinnert sich Wilhelm Ehrlich.
Die farbenfrohe Trachtenmode aus Österreich ist auf dem Münchener Oktoberfest bis heute schwer angesagt.

Doch der wichtigste Umsatzträger sind längst nicht mehr die folkloristischen Gewänder. „Das Wachstum kommt aus dem Modebereich und Skimoden“, sagt Ulli Ehrlich. Mittlerweile entfallen 59 Prozent der Erlöse auf Mode, 33 Prozent auf Skibekleidung und nur acht Prozent auf Tracht.

Am lukrativsten ist die Skibekleidung für Sportalm. In diesem Segment besitzen die Tiroler ein exzellentes Vertriebsnetz. Zudem sei Skibekleidung „wesentlich weniger volatil als der Modebereich“, sagte die Firmenchefin. Das Geschäft läuft rund. „Wir werden in diesem Jahr zehn Prozent schaffen. Das ist realistisch. So soll es weitergehen“, sagte die Firmenchefin.

Zuletzt erzielte das Unternehmen einen konsolidierten Umsatz von 55 Millionen Euro. Die Gewinnmarge ist allerdings niedrig. „Unsere Nettorendite betrug im vergangenen Jahr vier Prozent“, berichtet Firmenpatriarch Wilhelm Ehrlich. Deutschland ist für die Österreicher der wichtigste Markt. Danach kommen Österreich und Russland. Die drei Märkte machen mehr als 80 Prozent des Umsatzes aus.

Als Ulli Ehrlich im Gang nach oben zu ihrem Büro eilt, kommt sie an dem auf der Wand aufgetragenen Slogan in roter Farbe vorbei. „Du hast 3 Optionen: Aufgeben – Nachgeben – Alles geben“. Die Firmenchefin hat sich für das Letztere entschieden. Sie will das Modelabel aus Kitzbühel zu einer Weltmarke machen. „Unsere internationale Expansion geht weiter“, sagt die Firmenchefin in Sneakers und schneeweißem Rock samt beinlanger Weste aus der eigenen Kollektion.

„In Frankreich sind wir mit unserer Modekollektion gestartet. Derzeit machen wir uns fit für die Olympischen Winterspiele 2022 in China. In diesen Markt wollen wir unbedingt.“ Die Wettkämpfe mit dem Austragungsort Peking sollen Sportalm endlich in Asien bekanntmachen. Der Markt in China ist alles andere als einfach. „Alle versuchen derzeit, in China zu wachsen. Doch es ist schwierig, dort als Marke bekannt zu werden. Ohne einen chinesischen Vertriebspartner ist das nicht zu schaffen“, sagt Sebastian Boger, Experte für Mode und Luxus bei BCG.

Gerade der Modebereich ist nach Meinung von Experten die Achillesferse des Unternehmens. „Sportalm besitzt eine Kompetenz in der Ski- und Sportmode. Dort gibt es noch Wachstumsmöglichkeit. Im Modebereich wird es aber schwieriger“, sagt ein Brancheninsider. Für einen Nischenanbieter könne es angesichts der Unternehmensgröße in einer konjunkturellen Krise schon problematisch werden.

Zudem sei das Durchschnittsalter der Kunden, das nach Unternehmensangaben bei 45 Jahren liegt, hoch. Wachstum komme aber von der jungen Generation, insbesondere in China. Ähnliche Probleme haben zahlreiche Mittelständler im Modemarkt. Bestes Beispiel ist das Traditionshaus Bogner.

„Umsatzwachstum von zehn Prozent"

Das Unternehmen des Sportfilmers und einstigen Skistars Willy Bogner ist mit seinen Kunden gealtert. Jetzt muss CEO Andreas Baumgärtner die Marke verjüngen und verloren gegangene Marktanteile im Modemarkt zurückerobern. Erst vor Kurzem hatte sich Willy Bogner zurückgezogen und seine Anteile an einen Treuhänder übergeben. So will er den Weg freimachen, damit die Sportmodemarke wieder profitabel wachsen kann. Zuletzt stieg der Umsatz nur leicht, und der Gewinn war minimal.

Ulli Ehrlich ist hingegen betont optimistisch: „Unser Umsatzwachstum soll sich in den nächsten Jahren bei zehn Prozent und mehr bewegen“, verkündet die Firmenchefin. Ihr kraftvoller und lebensfroher Auftritt liegt im Naturell der Tirolerin. Wegen ihrer Energie und ihrer Zuversicht hat der Vater, Wilhelm Ehrlich, seine Tochter für die Nachfolge ausgewählt. „Wir hätten bereits die Firma nach dem Tod ihres ersten Mannes gut verkaufen können. Ulli hat den Ehrgeiz, dass das Unternehmen in Familienhand bleibt“, berichtet der Vater.

Der 76-Jährige traut ihr sehr viel zu. „Ulli hat ein absolutes Gefühl für Mode“, sagt der aus dem Sudetenland stammende und in Ostdeutschland aufgewachsene Firmenpatriarch. Im gleichen Atemzug ergänzt er: „Ich will nicht mehr eingreifen. Ulli wird ihr Können entfalten.“ Aber als künftiges Mitglied des dreiköpfigen Beirats steht der Vater vermutlich lebenslang zur Verfügung. Auch wenn er gerne im Bentley zum Golfplatz oder zum Kartenspiel mit Freunden unterwegs ist, über die Entwicklung in der Firma ist er detailreich informiert.


Vorteile als Familienunternehmen

Besonders am Herzen liegt ihm das Werk in Bulgarien. Dort werden Skihosen, Blusen oder Dirndl-Röcke seit drei Dekaden gefertigt. Unmittelbar nach dem Fall des Eisernen Vorhangs ging Wilhelm Ehrlich in das Balkanland, um einen Staatsbetrieb zu übernehmen und eine moderne Textilproduktion aufzubauen.

Den Schritt hat er wegen des enormen Lohnkostenvorteils und der Nähe zur Zentrale in Tirol nie bereut. Die Fabrik in dem EU-Land ist ein eigenständiger, profitabler Betrieb, der aber zum Leidwesen von Wilhelm Ehrlich heute schrumpft. Denn es wird aufgrund der dortigen Landflucht immer schwieriger, noch Facharbeiter zu finden.

Bei ihrem Expansionskurs will die Familie die Vorteile eines überschaubaren Familienunternehmens gegen die großen Textilhersteller ausspielen. „Unsere entscheidenden Vorteile sind die Schnelligkeit der Entscheidung und flache Hierarchien“, sagt die Österreicherin. Von der Idee bis zur Entscheidung sind es in der nach Feng-Shui-Kriterien erbauten Unternehmenszentrale nur wenige Schritte. Quartalsberichte gibt es nicht.

Der vielleicht größte Vorteil in unsicheren Zeiten der Konjunktur: Das Familienunternehmen steht auf festem Fundament. „Mit einer Eigenkapitalquote von 82 Prozent sind wir krisenfest“, sagt Wilhelm Ehrlich selbstbewusst. Unter Selbstzweifeln leidet der Textilunternehmer nicht. „Ich bin nicht geboren, um zu verlieren“, sagt er.

E-Commerce verschlafen

Allerdings hatte Sportalm das wachsende Geschäft im Internet verschlafen. Das soll sich nun ändern. Doch nicht um jeden Preis. „Wir wollen uns den E-Commerce-Plattformen nicht ausliefern und prüfen daher sehr genau, mit wem wir zusammenarbeiten wollen“, sagt die Chefin zu ihrer Strategie im Netz. „Es kommt darauf an, mit der richtigen Kollektion zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein.“ Noch kaufen die Kunden überwiegend im Laden.

Daran wird sich nach Ansicht von Experten auch nicht viel ändern. „Der E-Commerce kommt in den nächsten Jahren nicht über 20 Prozent im Modebereich hinaus“, prognostiziert BCG-Berater Boger. Den Hype um Influencer in den sozialen Netzwerken will Sportalm ohnehin nicht mitmachen. „Soziale Medien werden als Verkaufskanal überschätzt. Wir haben uns nie einen Follower gekauft“, sagt Ulli Ehrlich. „Wir bezahlen auch keine Blogger, die bei der Berlin Fashion Week in der ersten Reihe sitzen.“ Sie ist stolz auf ihre Bodenständigkeit. Es widerstrebe ihren Werten, Blogger für Reklame zu bezahlen.

Entspannung findet die Unternehmerin in der Natur und bei Meditation. Ihr Faible für geistige und körperliche Gesundheit ist im Unternehmen angekommen. Längst hat sie ihre eigene Yogagruppe gegründet. In ihrem Leben musste die Sportalm-Chefin Schicksalsschläge verkraften. Vor elf Jahren verunglückte ihr Ehemann.

Heute ist sie mit dem 38-jährigen Sportwissenschaftler und Popsänger Ro Bergman – so der Künstlername – verheiratet, der 2019 sein erstes Album veröffentlichte.
Ausdauer und Kontinuität ist der 52-jährigen Familienunternehmerin wichtig. Längst denkt die Mutter von fünf Kindern zwischen sieben und 20 Jahren an die nächste Generation. „Ich mache das noch mindestens zehn Jahre und möchte das Unternehmen an meine Kinder übergeben“, sagt sie.