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Eine Milliarde Euro verbrannt – in nur 15 Monaten

Neuer Chef, noch größere Probleme: Das Minus von Air Berlin wächst und wächst. Abschreibungen und der Umbau treiben den Verlust in ungeahnte Höhen. Doch Großaktionär Etihad steht weiter zu seiner Beteiligung.

Die Zahlen sind regelrecht zum Fürchten: Air Berlin hat am Mittag eine katastrophale Bilanz für das vergangene Jahr vorgelegt. Der Nettoverlust liegt mit 781,9 Millionen Euro auf einem neuen Rekordwert. Operativ lag das Minus bei 667,1 Millionen Euro, mehr als doppelt so hoch wie im Vorjahr. Rechnet man den Verlust im ersten Quartal 2017 in Höhe von 293,3 Millionen hinzu, hat Air Berlin in den letzten 15 Monaten einen Verlust von über einer Milliarde Euro eingeflogen.

Die miserable Entwicklung war zwar erwartet worden. Schließlich konnte man seit vergangenem Herbst fast täglich live verfolgen, wie der Radikalumbau Deutschlands zweitgrößter Fluggesellschaft zusetzt. Bereits verkaufte Flüge fielen aus, Passagiere mussten umgebucht werden. Die wachsende Unsicherheit der Fluggäste sorgte für eine gebremste Nachfrage. Hinzu kamen operative Probleme. Es fehlte an Flugzeugen und Crews, auf vielen Strecken mussten diese für viel Geld gemietet werden. Dennoch sind die nun präsentierten Zahlen ein Schock.

Das verlangt nach einer Erklärung. Eine liefert Thomas Winkelmann, seit Februar der neue Chef der Airline: „Die unscharfe Marktposition, das stark saisonabhängige Streckennetz sowie die hohen operativen Kosten der alten Air Berlin haben zu diesen hochgradig unbefriedigenden Finanzergebnissen geführt.“ Die andere lautet: Winkelmann hat angeordnet, die Bilanz gründlich aufzuräumen.

Das hat vor ihm zwar auch jeder der drei CEOs gemacht, die sich seit dem Rücktritt des Firmengründers Joachim Hunold im September 2011 an der Airline versucht haben. Doch viele der bilanziellen Leichen sind Folgen von Transaktionen des langgedienten Finanzchefs Ulf Hüttmeyer. Er hatte durch immer neue Transaktionen ständig frisches Geld besorgt. Das brauchte die Airline zum Überleben.

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Die negativen Folgen dieser Deals stellten sich dann erst mit einiger zeitlicher Verzögerung ein. Da aber Hüttmeyer auch unter einigen der Nachfolger von Hunold noch Finanzchef blieb, wurden diese Baustellen niemals wirklich umfassend angegangen. Das will Winkelmann nun ändern. Und so ist das Zahlenwerk von hohen Wertberichtungen geprägt. Hinzu kommen 335 Millionen Euro an Restrukturierungskosten.

Deshalb sollte man nicht nur auf die Zahl unter dem Strich schauen. Zwar sind auch die Werte darüber nicht gerade ermutigend. Doch der bereinigte operative Verlust in Höhe von 332 Millionen Euro ist relativ gesehen vielleicht gar nicht so hoch. Der weitaus größere und erfolgreiche Rivale Lufthansa etwa hat in seinem sogenannten dezentralen Verkehr – jenen Strecken abseits der beiden Drehkreuze Frankfurt und München – über Jahre einen Verlust in dreistelliger Millionenhöhe eingeflogen – und das mit einer im Vergleich zu Air Berlin kleineren Flotte. Inoffiziellen Zahlen zur Folge soll er jährlich bis zu 250 Millionen betragen haben.

Allein: Helfen tun solche Vergleiche Air Berlin nicht. Die Airline braucht ein nachhaltig belastbares Geschäftsmodell. Winkelmann ist zuversichtlich, dass das gelingen wird: „Im Herbst 2016 wurde die strategische Kehrtwende der Airline eingeleitet, ein wichtiger Schritt zum Umbau der Air Berlin“, sagt der neue CEO: „Ich bin angetreten, um aus dem defizitären Hybrid-Carrier eine fokussierte, kosteneffiziente Netzwerk-Airline zu gestalten. Das heißt auch, über die bestehende Strategie hinaus neue Möglichkeiten auszuloten.”


Air Berlin darf erstmal weiterfliegen

Dafür müssen aber wesentliche Hürden aus dem Weg geräumt werden. Eine sind die enormen Schulden von rund 1,2 Milliarden Euro. Dass Air Berlin überhaupt offiziell einen Geschäftsbericht vorlegen kann, bedeutet, dass die Wirtschaftsprüfer den sogenannten „Going Concern“ bestätigt haben. Der besagt, dass eine Fortführung der Geschäfte möglich ist. Das wiederum deutet darauf hin, dass die arabische Etihad, mit knapp 30 Prozent der größte Einzelaktionär von Air Berlin, zugesagt hat, die Beteiligung weiterhin finanziell zu stützen.

Dafür spricht auch das Statement, das James Hogan, scheidender Chef der Etihad Aviation Group, am Mittag abgab: „Etihad wird weiterhin Air Berlin bei ihrem Restrukturierungsprozess unterstützen. Wir sehen die ersten Strukturveränderungen, die nötig sind, um eine nachhaltige Zukunft für Air Berlin zu schaffen“, so Hogan: „Die Finanzergebnisse zeigen, dass substantielle Arbeit geleistet werden muss, aber ich glaube daran, dass die im September 2016 vorgestellte Strategie die richtige ist, und mit Thomas Winkelmann haben wir den richtigen Mann an der Spitze, um die nötigen Veränderungen voranzutreiben.“

Am Ende wird Etihad aber nicht umhin kommen, auch die Schulden von Air Berlin zumindest zum größten Teil zu übernehmen. Eine auf 75 Flugzeuge geschrumpfte neue Air Berlin wird niemals in der Lage sein, Schuld- und Zinslast zu stemmen.

Die zweite Hürde ist das geplante Joint-Venture mit Tuifly im Touristikbereich. Air Berlin will hier seine österreichische Tochter Niki einbringen. Das Gemeinschaftsunternehmen ist neben der bereits laufenden Vermietung von 38 Flugzeugen an die Lufthansa Teil der Dreiteilung der Airline. Air Berlin selbst will sich auf die Langstrecke ab Berlin und Düsseldorf konzentrieren.

Doch das Joint-Venture wird die erforderliche kartellrechtliche Freigabe wohl erst zu Beginn des Sommers bekommen. Bis dahin laufen die Niki-Zahlen weiter in das Air Berlin-Zahlenwerk. Deshalb sollten sich die Investoren schon mal darauf einstellen, dass auch die erste Jahreshälfte 2017 nicht gut ausfallen wird.

Dennoch hat Winkelmann fest vor, mit Air Berlin weiterzumachen. Ob diese Zukunft alleine oder mit einem neuen Partner gestemmt werden wird, dazu liefern die ersten Erklärungen des Konzerns keine Hinweise. Doch in Branchen- und Unternehmenskreisen gilt eines als recht sicher: Eine Lufthansa wird dabei eine wichtige Rolle spielen – als starker Partner und Kunde.

Das bei der neuen Air Berlin verbleibende Langstrecken-Geschäft passt perfekt zur Lufthansa-Tochter Eurowings. Die will und muss auf der Langstrecke aufrüsten, drängt doch Norwegian mit Macht in dieses Geschäft, vielleicht bald sogar am Lufthansa-Heimatflughafen Frankfurt. Dazu muss Air Berlin nicht zwingend in Lufthansa aufgehen, also offiziell übernommen werden, was kartellrechtlich nicht trivial ist. „Air Berlin zum Erfolg zu führen, das heißt auch: Wir sind offen für neue Partnerschaften und neue Kooperationen“, sagte Vorstandschef Winkelmann bei der Vorlage der Bilanz am Freitag.

Möglich ist es etwa, dass Air Berlin weiter eigenständig bleibt, aber im Auftrag von Lufthansa fliegt. Fest steht allerdings: Egal, wie die Zukunft von Air Berlin am Ende aussehen wird, für sämtliche Szenarien müssen erst einmal die Hürden und die bilanziellen Lasten beseitigt werden.