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In der Großbäckerei Mestemacher ist Gleichstellung Firmenalltag

Ausgerechnet am Weltfrauentag wird Ulrike Detmers in Berlin einen Mann auszeichnen: Daniel Eich, Jahrgang 1982, Softwareexperte aus Köln. Allerdings: Er hätte ohne seine Frau, die Astronautin Insa Thiele-Eich, keine Chance gehabt auf den von Detmers initiierten Preis „Spitzenvater des Jahres“.

Denn die Unternehmerin würdigt damit die gelebte Gleichstellung in der Familie Thiele-Eich, wo der Vater mit dem dritten Kind in Vollzeit-Elternzeit ist – und die Mutter 2020 als erste Frau die Wissenschaftsmission auf der Internationalen Raumstation ISS leiten wird.

„Hier bricht ein Paar mit tradierten Rollenklischees und lebt vor, wie sich Berufs- und Familienarbeit partnerschaftlich teilen lassen“, sagt die Gesellschafterin und Sprecherin der Großbäckerei Mestemacher, die den Preis seit 2006 vergibt. Für Detmers ist es ein Gleichstellungspreis, der Hand in Hand geht mit der Auszeichnung „Managerin des Jahres“. Damit ehrt Detmers bereits seit 2002 Frauen auf Spitzenpositionen. Seinerzeit war es eine Pionierleistung, doch längst ist der Preis etabliert und das Engagement für Familienfreundlichkeit eng mit dem Namen Mestemacher verbunden.

Dass es beim Spitzenvater auch Kritik gibt – dass hier eine Leistung hervorgehoben werde, die im 21. Jahrhundert selbstverständlich sein sollte –, ficht die 62-Jährige nicht an. „Es ist ja leider immer noch nicht gelebter Alltag.“ Tatsächlich nimmt nur jeder dritte Vater Elternzeit in Anspruch, und die meisten bleiben nur zwei Monate zu Hause.

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Detmers, die als Mitglied der Geschäftsführung unter anderem das Marketing der Mestemacher GmbH verantwortet und zudem seit Jahrzehnten wissenschaftlich über Frauen in Spitzenpositionen forscht, ist sich sicher: „Wir brauchen solche Preise wohl noch viele Jahre lang, um immer wieder wach zu rütteln und Vorbilder zu zeigen.“

Sie selbst hat ja als Mutter von zwei Kindern das Unternehmen mitgeführt sowie 1994 eine Vollzeit-Professur für Betriebswirtschaftslehre an der FH Bielefeld übernommen – „damals eine von wenigen Frauen“. Vorbilder seien so wichtig: Auch ihre Mutter sei eine starke Frau gewesen, und „die Idee von starken weiblichen Führungspersönlichkeiten gehört zur DNA unseres Unternehmens“.

Während Detmers in ihren weißen Riemchenpumps der Luxusmarke Jimmy Choo, die definitiv zu sommerlich für diese Jahreszeit sind, vorausgeht in ihr Arbeitszimmer, berichtet sie: Schon die Großmutter ihres Mannes Albert Detmers, 69, habe einst mit Bügeln die Groschen zusammengespart, mit denen der Großvater dann eine Dorfbäckerei eröffnen und so erst den Grundstein für das Unternehmen legen konnte.

Starke Frauen der Firmengeschichte

1985 übernahm die Familie dann die bereits 1871 gegründete Spezialbrotbäckerei Mestemacher und damit den Namen für die Gruppe. Auch bei Mestemacher hatten immer wieder Frauen das Sagen: zum Beispiel Sofie Mestemacher, Frau des Gründers, die nach dem Tod ihres Mannes 1911 einsprang und durch Weltkrieg, Inflation und Weltwirtschaftskrise bis 1936 die Geschäfte führte.

Heute bringt Ulrike Detmers, deren Spezialität die Markenbildung ist und die der Brotmarke einst den Zusatz „the lifestyle-bakery“ verpasst hat, die weibliche Sicht ein in die Unternehmensführung – im Trio der Unternehmensleitung mit ihrem Mann und dem Schwager Fritz Detmers.

Die weiteren Führungsebenen der 575 Mitarbeiter zählenden Gruppe, die 2018 mit Produkten wie Pumpernickel und Fertigkuchen weltweit einen Umsatz von 162,8 Millionen Euro machte, sind hälftig mit Frauen und Männern besetzt; auch die polnische Auslandsbeteiligung Benus hat nun eine Chefin.

Ulrike Detmers weiß, dass sich solche Veränderungen nur von oben durchsetzen lassen – und so unterstützt sie die „Nürnberger Resolution“, die eine Frauenquote in Aufsichtsräten von 40 Prozent fordert. Dort hat sie auch mit der früheren Bundesfamilienministerin Renate Schmidt (SPD) zu tun, die sagt: „Es imponiert mir unheimlich, wie Ulrike Detmers ihr Unternehmertum verbindet mit ihrem Engagement für Frauen in Führungspositionen. Sie zeigt, dass sich Erfolg und Frauen- und Familienfreundlichkeit nicht ausschließen, sondern im Gegenteil: sich gegenseitig befördern.“

Detmers weiß ihr Engagement zu vermarkten und zu nutzen – für die Arbeitgebermarke ihres Unternehmens. Auf Brotpackungen findet sich, lila hinterlegt, ein Hinweis auf die Förderung der Gleichstellung von Frau und Mann – und nun hat sie ihr Importeur in Asien gebeten, diesen Hinweis auch dort auf den Produkten anzubringen. „Gleichstellung ist gerade in Japan und Südkorea ein riesiges Thema. Dort gibt es einfach zu wenige Frauen auf dem Arbeitsmarkt. Das ist ein riesiges Problem.“

Ein Kampf gegen Klischees

So schlimm wie in Asien sei es in Deutschland nicht, meint Detmers, aber: „Die Wirtschaft ist immer noch frauenfeindlich. Es gibt zu viele Vorurteile.“ Für sie sei das „ein No-Go: Unternehmen, die sich an tradierten Rollenbildern und Arbeitsmodellen festklammern, vergeben Business- und Wettbewerbschancen“. Und warum das alles? Die Studien zu Erfolgen gemischter Teams sind seit Jahren bekannt. Detmers stellt fest: „Es geht um Macht und die Angst vor Machtverlust. So einfach ist das.“

Sie selbst habe „immer die volle Unterstützung meines Mannes und meiner Familie gehabt“, sie musste nicht gegen Vorurteile kämpfen. Überhaupt entsprechen Ulrike und Albert Detmers nicht unbedingt gängigen Klischees – allein schon dadurch, dass sie im Sommer nach 44 Ehejahren noch ihre kirchliche Hochzeit nachholen. Deshalb die weißen Sandalen, „das sind meine Brautschuhe, die trage ich schon mal ein!“, erzählt Detmers offen.

Mittlerweile hat sie den Laptop aufgeklappt, um ein paar Zahlen herauszusuchen. Ihr Arbeitsplatz ist ein riesiger Tisch, eher eine Tafel, an dem auch zwei Mitarbeiterinnen sitzen. Hinter den dreien hängen ein gigantisches Bild in Rottönen des Hamburger Künstlers Noah Wunsch sowie ein großformatiger Druck eines historischen Werbeplakats für „Bally“-Schuhe – zwei Werke, die von ihrer Liebe zu Kunst und einem Faible für knallige Auftritte zeugen. Nicht von ungefähr hat Detmers ihre Biografie „Farben des Lebens“ genannt.

Zur anderen Seite des Tisches gibt eine breite Glasfront den Blick frei in den Garten der weißen Stadtvilla, die als Unternehmenszentrale dient. Der Straße entlang reihen sich weitere Produktionsstätten und Gebäude, die davon zeugen, wie das Unternehmen gewachsen ist. Auch hat die Gruppe immer wieder zugekauft, etwa den Kuchenhersteller Aerzener. Insgesamt will Mestemacher – nach eigenen Angaben Weltmarktführer für haltbare Vollkornbrote – den Umsatz 2019 erneut steigern, vor allem im Ausland, wo Pumpernickel der Exportschlager ist und man schon jeden vierten Euro verdient. Außerdem will Detmers von Foodtrends wie Convenience oder „Low Carb“ profitieren, schließlich gehören Proteinbrote zur Produktpalette.

Dabei soll das Familienunternehmen, in dem auch schon Ulrike Detmers Tochter und Sohn sowie der Neffe auf führenden Posten tätig sind, innovativ und offen für Neues bleiben. Detmers verweist darauf, dass Mestemacher neben Danone oder Iglu eines der ersten Unternehmen ist, die in Deutschland das „Nutri-Score-System“ zur Nährwertbilanz einführen. Diese ampelähnliche Farbskala, die von Dunkelgrün („A“) bis Rot („E“) reicht, ist umstritten – aus Sicht Detmers aber „einfach zu verstehen und verbraucherfreundlich“.

Es ist eine freiwillige Kennzeichnung, kein Zwang. Bei der Chancengleichheit hat Detmers eine andere Sicht – alle Selbstverpflichtung der Wirtschaft habe ja nicht funktioniert, hier müssten Gesetze helfen. Aber sie sagt auch: „Der Staat und die Unternehmen der öffentlichen Hand müssen mit gutem Beispiel vorangehen.“

Da passiert ihr viel zu wenig. „Sehen Sie sich die Deutsche Bahn an: Auch Sigrid Nikutta, die Chefin der Berliner Verkehrsbetriebe, wäre dort eine hervorragende Vorständin.“