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„Mehr Notlösung als Befreiungsschlag“

Wenn man so will, ist es Ironie des Schicksals. Ausgerechnet die Lufthansa schickt sich an, ihren alten Erzrivalen Air Berlin zu retten. Etihad ist mit knapp 30 Prozent größter Aktionär von , das seit rund zehn Jahren Verluste einfliegt. Die Araber schossen bereits mehrere Hundert Millionen Euro als Darlehen zu – vergebens. Das Unternehmen leidet darunter, dass es einerseits Premiumanbieter sein will, aber auch Charter-, Touristik- und Billigflüge anbietet.

Interesse hat Lufthansa offenbar an allen Air-Berlin-Strecken, die nicht über die Drehkreuze Düsseldorf oder Berlin führen, sowie an rund 40 geleasten Flugzeugen samt Crew. Die Maschinen könnten von der Lufthansa-Tochter Eurowings übernommen werden. Bis spätestens Oktober sollen die Verhandlungen abgeschlossen sein. Sprecher der drei Konzerne wollten die Informationen nicht kommentieren. Aber käme der Deal zustande, könnte sich Air-Berlin-Chef Stefan Pichler mit den verbleibenden 100 Flugzeugen auf die Strecken von und zu den Drehkreuzen konzentrieren. Lufthansa-Chef wiederum könnte seine Billigplattform Eurowings ausbauen.

Das Problem: An einigen Flughäfen wäre die Dominanz von Air Berlin und Lufthansa so groß, dass kartellrechtliche Probleme auftauchen könnten. Aber auch die Bundesregierung präferiert eine deutsch-deutsche Lösung. Spohr hat Regierungsvertretern auf Nachfrage bestätigt, dass er Air Berlin wenn nötig helfen würde, heißt es in Luftfahrtkreisen. Doch wie riskant wäre dieser Deal für die Lufthansa tatsächlich? Luftfahrtexperte Gerald Wissel von Airborne Consulting gibt eine Einschätzung.

Herr Wissel, Eurowings könnte Teile von Air Berlin übernehmen. Ist das der so wichtige Befreiungsschlag für die angeschlagene Air Berlin?
Zunächst einmal zeigen solche Überlegungen, dass Etihad weiterhin an der eingeschlagenen Europa-Strategie festhalten will und offenbar keine Lehren aus der Vergangenheit gezogen hat. Ein solcher Schritt hat vielmehr den Charakter einer Notlösung als eines Befreiungsschlages, da genau die Teile an die Lufthansa-Gruppe abgegeben werden sollen, mit denen Air Berlin in der Vergangenheit groß und erfolgreich geworden ist: dem dezentralen touristischen Verkehr in Europa. Allen Ankündigungen von Air-Berlin-Chef Stefan Pichler zum Trotz, dass sich Air Berlin künftig wieder stärker auf dieses Segment konzentrieren wird, wären damit hinfällig.

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Also reicht es nicht, wenn sich Air Berlin auf zwei Drehkreuze konzentriert?
Bei Air Berlin fehlte spätestens seit dem Einstieg der Araber eine klare Strategie und Ausrichtung. Die Komplexität und teilweise auch Unvereinbarkeit aus Touristik, Zubringer für Etihad, Werbung um Geschäftsreisende, touristische Langstrecke, Mitglied in der Allianz Oneworld und anderes haben erst zu der heutigen Situation geführt. Folglich wäre eine stärkere Fokussierung auf ein klares Kunden- und Geschäftssegment durchaus sinnvoll.

Allerdings scheint die hier angedachte Art von Fokussierung nicht in die Richtung zu gehen, dass Air Berlin seine Abhängigkeit von Etihad reduziert und sich wieder stärker auf das attraktive touristische Segment konzentriert. Eher unterwirft man sich vollständig der Strategie von Etihad. Zudem zeigt das Beispiel Lufthansa, dass die Verteilung der Verkehre auf zwei oder sogar mehr Drehkreuze einen sehr hohen Aufwand bedeutet und unter dem Strich schlechter ist als die Fokussierung auf nur einen „Hub“.

Wäre eine noch engere Zusammenarbeit mit Alitalia der nächste logische Schritt?
Da reine Zubringer-Verkehre nicht profitabel sein können und das eher kleine Langstreckennetz auch nicht den Gewinn sichern wird, müssen die Verluste bei Air Berlin so gering wie möglich gehalten werden. Das kann etwa durch eine Zusammenlegung mit Alitalia und der Generierung von Kostensynergien erreicht werden. Zudem scheinen die Araber den Eindruck zu haben, dass eine Alitalia in Italien leichter aus Abu Dhabi heraus zu steuern ist als eine Air Berlin in Deutschland. Insofern wäre Alitalia in der Tat ein logischer nächster Schritt.

Wie beurteilen Sie die aktuellen Überlegungen aus Sicht von Eurowings?
Das wäre eine Art Befreiungsschlag für Lufthansa, denn man könnte damit zeigen, dass das angedachte Modell für Eurowings doch Erfolgsaussichten hat. Eurowings hätte damit nicht nur einen Wettbewerber weniger im Markt, sondern auch das Problem der Pilotenknappheit insbesondere bei Kapitänen gelöst, welches erst durch die sehr harte Haltung innerhalb der Lufthansa-Gruppe gegenüber den eigenen Piloten entstanden ist. Letztlich wird sich allerdings der Erfolg von Eurowings erst dann belegen, wenn man sich im Wettbewerb gegen Ryanair und Easyjet behaupten kann.


„Tatsächlich stellt sich die Frage nach der Zukunft aller Allianzen“

Was würde eine solche Transaktion für Oneworld bedeuten, die Luftallianz rund um British Airways, zu der Air Berlin ja auch gehört?
Die Zusammenarbeit mit Oneword war von Beginn an nicht sehr einfach. Mit dem Einstieg von Etihad bei und Alitalia wurde diese Zusammenarbeit noch weiter erschwert, da sich insbesondere die amerikanischen Partner deutlich und offensiv gegen die Dominanz von arabischen Airlines stark gemacht haben. Allerdings haben auch alle Beteiligten unter dem Strich noch einen wirtschaftlichen Nutzen aus der Zusammenarbeit gezogen.

Die Frage nach der Zukunft ist deshalb interessant, weil bei einer Lufthansa-Übernahme ein Großteil von Strecken aus Air Berlin herausgelöst würden, die bislang auch für Oneworld eine sehr gute Ergänzung des gesamten Streckennetzes bedeuten. Da Etihad nicht Mitglied der Allianz ist, wären zudem auch die Zubringerflüge nur noch bedingt Teil von Oneworld, Air Berlin verlöre also für die Allianz deutlich an Attraktivität.

Zeigt der Fall, dass die Luftfahrt-Allianzen ihre besten Zeiten hinter sich haben?
Tatsächlich stellt sich die Frage nach der Zukunft aller Allianzen, denn es würden ja nicht nur Teile aus Oneworld herausgenommen werden, diese Teile gehen zudem auch nicht in eine andere Allianz, da Eurowings nicht Teil der Star Alliance ist. Mit anderen Worten: Die Vorteile der großen Allianzen bei Streckennetz, Zusammenarbeit und Vertrieb geraten zunehmend in den Hintergrund.

Gleichzeitig scheinen sowohl Abu Dhabi als auch Qatar ein zunehmendes Interesse an einer stärkeren Zusammenarbeit mit Lufthansa zu haben, was zu ganz neuen Konstellationen bis hin zu zwei starken Lagern in Europa führen könnte: auf der einen Seite Lufthansa mit British Airways, Iberia und Qatar und auf der anderen Seite Air France mit KLM und Emirates. Etihad könnte dabei – neben Turkish Airlines – als Verlierer dastehen.

KONTEXT

Air Berlin - schneller Aufstieg, jahrelange Turbulenzen

Sonderrechte im geteilten Berlin

Genau vor 35 Jahren hob der erste Air-Berlin-Flieger ab. Alles begann mit alliierten Sonderrechten zur Landung im geteilten Berlin. Nach der Wende wuchs Air Berlin zur Nummer Zwei am Himmel über Deutschland heran, doch inzwischen steckt sie seit Jahren in der Krise.

1970er- bis 90er-Jahre

1978: Gründung als Chartergesellschaft durch den Ex-Pan-Am-Pilot Kim Lundgren. Erstflug am 28. April 1979 von Tegel nach Mallorca. Die Flotte umfasst zwei Maschinen.

1991: Im April kauft der LTU-Manager Joachim Hunold die Mehrheit der Anteile. Es gibt kurz darauf 15 Flüge pro Tag. Air Berlin expandiert und stationiert zunehmend auch Flugzeuge auf Regionalflughäfen.

1998: Mit dem Mallorca Shuttle Einstieg ins Linienfluggeschäft.

2004

Einstieg zu 25 Prozent bei der österreichischen Fluggesellschaft Niki des früheren Rennfahrers Niki Lauda.

2006

Börsengang und Kauf der Fluggesellschaft dba.

2007

Kauf des Ferienfliegers LTU, damit auch Interkontinentalflüge.

2008

2008: Air Berlin rutscht in die roten Zahlen, legt das erste Sparprogramm auf: Strecken fallen weg, Flugzeuge werden ausgemustert. Die Übernahme des Ferienfliegers Condor scheitert.

2010

Air Berlin kündigt für 2012 den Eintritt in das Luftfahrtbündnis Oneworld an.

2011

Hunold wirft das Handtuch, Hartmut Mehdorn übernimmt. Ein weiteres Sparprogramm soll das operative Ergebnis um 200 Millionen Euro verbessern. 18 der 170 Maschinen werden verkauft.

2012

Die arabische Staatsairline Etihad erhöht ihren Anteil von knapp 3 auf 29,2 Prozent und stützt die Airline mit einem 255-Millionen-Dollar-Kredit. Ein neues Sparprogramm beginnt. Der Verkauf des Vielfliegerprogramms an Großaktionär Etihad bringt nur vorübergehend wieder schwarze Zahlen.

2013

Wolfgang Prock-Schauer wird Vorstandschef und verschärft das von Mehdorn im Vorjahr aufgelegte neue Sparprogramm. Jeder zehnte Arbeitsplatz fällt weg, die Flotte schrumpft auf 142 Maschinen. 400 Millionen Euro sollen bis Ende 2014 eingespart werden.

2014

Air Berlin sagt die Bilanzvorlage überraschend ab und verschiebt sie um Wochen. Die Spekulationen um die Zukunft der Airline erreichen einen Höhepunkt. Schließlich wird klar: Etihad pumpt noch mehr Geld in die Fluggesellschaft.

2015

Im Februar übernimmt Stefan Pichler die Leitung der angeschlagenen Airline. Er kündigt rasche Sanierungsschritte an. "Ab März muss es Schlag auf Schlag gehen", so Pichler. Im November legt er einen Sanierungsplan vor - der seine Wirkung zunächst verfehlt.