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Massentests und die „Ermittlungskommission Carne“: Wie Gütersloh gegen die zweite Welle kämpft

Gütersloh sieht nach dem Corona-Ausbruch einen „kleinen Hoffnungsschimmer“. Bei der Staatsanwaltschaft sind im Fall Tönnies inzwischen 16 Anzeigen eingegangen.

Die ersten Menschen stehen um sieben Uhr vor dem Carl-Miele-Berufskolleg. Wenige Stunden später reicht die Schlange schon bis zum Friedhof zwei Querstraßen weiter. Immer wieder fährt die Polizei vor, fordert die Menschen über Lautsprecher dazu auf, die Mindestabstände einzuhalten. Erst später am Vormittag kommt jemand auf die Idee, Abstandslinien auf den Boden zu zeichnen.

Es ist Tag eins der freiwilligen Massentests im Kreis Gütersloh. In dem improvisierten Diagnosezentrum im Zentrum der Stadt können Bürger seit diesem Mittwoch ohne Anmeldung Abstriche machen lassen. Manche warten drei Stunden in der Sonne, bis sie endlich an der Reihe sind. Schattenplätze gibt es kaum. Zwei ältere Frauen haben sich immerhin Klappstühle mitgebracht.

Die Gründe, aus denen die Menschen sich testen lassen, sind unterschiedlich. Einer fängt bald einen neuen Job an und will wissen, ob er bedenkenlos im Büro starten kann. Eine vierköpfige Familie zweifelt, ob der geplante Wochenendbesuch bei den Großeltern in Ordnung geht. Die überwiegende Zahl aber bangt um ihren Urlaub. Nach Bayern und Schleswig-Holstein hat an diesem Mittwoch auch Niedersachsen angekündigt, vorübergehend keine Touristen aus der Region beherbergen zu wollen.

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Vor dem Gütersloher Berufskolleg hat dafür kaum jemand Verständnis. „Der Ausbruch hat doch mit uns gar nichts zu tun. Wir werden in Geiselhaft genommen, weil andere versagt haben“, sagt ein Mann, der seinen Namen lieber nicht in der Zeitung lesen will. Er fürchte, stigmatisiert zu werden, sagt er. Eben erst habe er bei Facebook gelesen, dass in einer Nachbarstadt Autos mit Gütersloher Kennzeichen zerkratzt worden seien. Und das alles nur, „weil die in der Fleischbranche Mist gebaut haben“.

In einem Schlachtbetrieb des Tönnies-Konzerns hatten sich mehr als 1550 Beschäftigte mit dem Coronavirus infiziert. Die Behörden hatten daraufhin im Kreis Gütersloh und im Nachbarkreis Warendorf das öffentliche Leben massiv eingeschränkt. Betroffen sind etwa 640.000 Menschen, für die nun wieder strengere Kontaktbeschränkungen gelten.

Eine Strafanzeige richtet sich gegen Clemens Tönnies

Mit den Massentests will die Landesregierung nun bis Ende der Woche Erkenntnisse über die Verbreitung des Virus erhalten. Wer einen Abstrich hat machen lassen, bekommt einen Zettel mit einem QR-Code. Den Befund können die Nutzer später online abrufen.

Als Landrat Sven-Georg Adenauer am Nachmittag auf der Pressekonferenz im Kreishaus vor die Mikrofone tritt, liegen nach 600 Abstrichen schon 230 Befunde vor – allesamt negativ. Adenauer nennt das einen „kleinen Hoffnungsschimmer“.

Vor dem Tönnies-Werk im benachbarten Rheda-Wiedenbrück wachen derweil firmeneigene Sicherheitsleute. Auch zwei Polizeibusse fahren regelmäßig die Feldwege um das Gelände ab. Die Behörden fürchten offenbar, dass jemand seinen Frust dort abbauen könnte.

16 Strafanzeigen sind inzwischen bei der Staatsanwaltschaft Bielefeld eingegangen. Die Behörde ermittelt wegen des Verdachts auf fahrlässige Körperverletzung und Verstoß gegen das Infektionsschutzgesetz. In den Anzeigen werde „im Wesentlichen der Vorwurf gegen namentlich nicht genannte Personen erhoben“, dass die erforderlichen Maßnahmen zum Schutz vor massenhaften Infektionen in dem Unternehmen vernachlässigt wurden, teilte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft mit.

Eine Strafanzeige richtet sich aber auch gegen Clemens Tönnies und die drei anderen Geschäftsführer der Tönnies-Holding: Stefan Gros, Daniel Nottbrock und Andres Ruff. Ihnen werden Hygieneverstöße und die menschenunwürdige Unterbringung von Arbeitern in Sammelunterkünften vorgeworfen.

Das Polizeipräsidium Bielefeld hat eine fünfköpfige Ermittlungskommission eingerichtet, die die Staatsanwaltschaft nun bei ihren Ermittlungen unterstützen soll. Welche Daten die Kriminalisten auswerten, worauf sie ihren Fokus legen und ob sie auch mit Mitarbeitern der Subunternehmen reden, wollte der Sprecher nicht verraten. Lediglich der Name der Ermittlungskommission ist bekannt: Die Behörden haben sie „EK Carne“ getauft.