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Was macht eigentlich eine Literaturübersetzerin?

Leipzig (dpa/tmn) - Ihr Name steht selten auf dem Cover - und doch sind Übersetzerinnen und Übersetzer diejenigen, die es uns ermöglichen, ein Buch, das in einer uns fremden Sprache verfasst wurde, überhaupt zu lesen.

Lisa Kögeböhn arbeitet seit über zehn Jahren als freie Literaturübersetzerin. Im Job-Protokoll erzählt sie, wie sie zu ihrem Beruf gekommen ist, warum dieser viel Kreativität erfordert - und weshalb sie überzeugt ist, dass er trotz KI eine Zukunft hat.

Mein Weg in den Beruf:

Lesen war immer mein allerliebstes Hobby und ich habe in der Schule gerne Sprachen gelernt. Als ich dann vom Literaturübersetzen-Studiengang in Düsseldorf erfahren habe, war das eine Erleuchtung: Perfekt, genau das Richtige für mich.

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Ich habe im Studium zwei Sprachen gewählt: Englisch und Französisch. Literaturübersetzen ist aber kein geschützter Beruf. Das heißt, jede und jeder mit Talent kann Übersetzerin oder Übersetzer werden, es gibt keinen klassischen Weg. So oder so ist der Einstieg das Schwierigste, weil in der Literaturbranche fast alles über Kontakte und Empfehlungen geht.

Die hat man natürlich ganz frisch von der Uni nicht. Ich habe anfangs also versucht, über Initiativbewerbungen bei Verlagen unterzukommen. Eine Lektorin hat mir dann die Bildunterschriften in einer Lady-Gaga-Biografie als Probeübersetzung gegeben. Das habe ich anscheinend gut gemacht, denn bald rief mich ihre Kollegin an und hat mir eine Robbie-Williams-Biografie zur Übersetzung angeboten. Das war mein erster Auftrag. Heute arbeite ich als freie Literaturübersetzerin vom Englischen ins Deutsche.

So sieht mein Arbeitsalltag aus:

Das Schöne an meinem Arbeitsalltag ist, dass ich ihn völlig frei gestalten kann. Und das ist gleichzeitig auch die Gefahr. Denn ich muss mich selbst motivieren und selbst disziplinieren.

Am Schreibtisch habe ich mein Manuskript ausgedruckt vor mir liegen und dann tippe ich die Übersetzung in mein Word-Dokument. Zwischendurch recherchiere ich, wenn Begriffe oder Sachverhalte auftauchen, die mir nicht geläufig sind. Das ist übrigens eine der sehr schönen Seiten an diesem Beruf, dass in jedem Buch neue Themen auftauchen, in die ich mich einarbeiten muss und darf.

Ich übersetze im Durchschnitt fünf Seiten am Tag, drei bis vier Bücher im Jahr. Aber natürlich kommt die Recherche dazu, das ganze Organisatorische. Also Mails schreiben, Verträge, Akquise, Steuererklärung. Das muss man bei der Zeitkalkulation immer mit einberechnen.

Die Herausforderungen:

Viele Leute denken, dass man sich einfach hinsetzt und das Wort, das im Englischen dasteht, auf Deutsch hinschreibt. Nur sind Sprachen nicht deckungsgleich. Es ist nie das einzelne Wort, das man übersetzt, auch nicht der einzelne Satz, sondern immer der ganze Text im entsprechenden Kontext.

Wir haben mit Wortspielen zu tun, feilen manchmal stundenlang an einzelnen Wendungen. Die Sprachmelodie und der Stil müssen passen. Manchmal, wenn man mit einer texttreuen Übersetzung scheitert, muss man weiter weg vom Original, um dem Sinn nahezukommen.

In Megan Nolans Buch «Verzweiflungstaten», das ich übersetzt habe, kam etwa ein Satz vor, in dem der Bauch der Protagonistin über das Unterhosengummi quillt: «both me and monstrously not-me». Mit einer wörtlichen Übersetzung, also «ich», «nicht-ich», kam ich einfach nicht weiter. Also habe ich mich komplett freigemacht und bin auf die Lösung «zugleich mein Körper und monströser Fremdkörper» gekommen. Ganz anders, aber in der Wirkung ganz nah dran.

Die schönen Seiten meines Berufs:

Die Sprachspielereien, das Kreative. Mich immer neu eindenken in fremde Texte und sie mir zu eigen machen, das ist einfach sehr erfüllend. Mit Sprache umgehen, ohne selbst die Ideen haben zu müssen, das ist für mich perfekt. Schreiben mit Sicherheitsnetz nenne ich es immer. Denn ich kann selbst kein Buch plotten, aber ich hangle mich unheimlich gerne an dem Text entlang, der schon da ist - und schreibe ihn in meiner eigenen Sprache neu.

Weniger schöne Seiten:

Wir werden leider ziemlich schlecht bezahlt. Seit 20 Jahren bekommen wir durchschnittlich 20 Euro pro Normseite. Das hat unser Berufsverband in Einkommensumfragen ermittelt. Das heißt, es hat überhaupt keine Inflationsanpassung gegeben. Außerdem werden wir zwar am Verkauf der Bücher beteiligt, viele Verlage unterlaufen aber die vom BGH festgelegten Sätze. Als Einzelkämpfende haben wir in der Honorarverhandlung keinen guten Hebel.

In den letzten Jahren arbeiten wir zudem immer mehr unter Zeitdruck. Gerade Bücher aus dem Englischen sollen sich so nah wie möglich am Erscheinungstermin des Originals orientieren. Diese Fristen einzuhalten, ist für uns oft nur durch Abend- und Wochenendschichten machbar.

Übersetzen ist ein unsichtbarer Beruf. Je besser die Übersetzung, desto weniger merkt man, dass es eine Übersetzung ist. Das hat zur Folge, dass unsere Namen nur selten in Rezensionen auftauchen. Leider können wir uns so auch keinen Namen in der Branche machen und unsere Verhandlungsposition den Verlagen gegenüber nicht verbessern. Eine Kombination von Faktoren, die dazu führt, dass viele Kolleginnen und Kollegen ein zweites Standbein brauchen.

Die Zukunftsaussichten:

KI ist bei uns natürlich gerade ein Riesenthema. Eine ganz reale Zukunftsaussicht ist, dass immer mehr Verlage uns für sogenanntes Post-Editing anfragen werden.

Post-Editing heißt, dass man die Künstliche Intelligenz mit einem Originaltext füttert. Sie spuckt eine Rohübersetzung aus, die dann an eine Übersetzerin gegeben wird. Die überarbeitet den Text und macht eine runde Übersetzung draus.

Das soll natürlich Zeit und Geld sparen. Es hat sich aber herausgestellt, dass die Überarbeitung nicht unbedingt schneller geht, als selbst zu übersetzen, weil man natürlich sehr viel ausbügeln muss. Und das Ergebnis, selbst wenn ein Mensch das noch mal überarbeitet, ist sprachlich vereinfacht.

Ich glaube beziehungsweise hoffe, dass wir im Endeffekt nicht zu ersetzen sind, weil der KI einfach die konkrete Erfahrung der Welt fehlt. Und sie kann nicht kreativ mit Sprache spielen wie ein Mensch.