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Warum Lutz Bahnchef wird und nicht Pofalla

Richard Lutz wird neuer Chef der Deutschen Bahn. Die Personalie ist eine Überraschung. Warum die Politik den 52-Jährigen zum Bahnchef kürt und was er nun tun muss. Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Ist Lutz der Richtige?

Richard Lutz kennt den Konzern wie kein anderer im Vorstand. Seit fast acht Jahren ist er Finanzvorstand der Bahn. Er war die rechte Hand von Ex-Bahnchef Rüdiger Grube. Den Bilanzpressekonferenzen gab neben Grube vor allem Lutz ein Gesicht, als profunder Kenner der Zahlen. Dennoch hat sich Lutz nie in den Mittelpunkt gedrängt. Stattdessen hat er sich Grube untergeordnet, um ihm nicht die Show zu stehlen. Die langjährige Erfahrung als Vorstand der Deutschen Bahn war ausschlaggebend dafür, dass die Wahl auf ihn fiel. Lutz steht für Kontinuität, gleichzeitig kennt er die Baustellen im Konzern. Die Politik wollte vermeiden, dass sich ein externer Kandidat in die komplexe Bahnmaterie einarbeiten muss. Insofern ist Lutz eine gute Wahl.

Ist die Entscheidung eine Niederlage für Pofalla?

Ja. Es gibt zwar widersprüchliche Meldungen über die Rolle des früheren Kanzleramtsministers und heutigen Infrastrukturvorstands Ronald Pofalla. Die einen schreiben, Pofalla habe bis zum Schluss darauf gedrängt, selbst Bahnchef zu werden. Andere schreiben, Pofalla habe Lutz selbst als Konzernchef vorgeschlagen. Wahrscheinlich liegt die Wahrheit irgendwo in der Mitte. Es ist keine Frage, dass sich Pofalla den Job des Bahnchefs zugetraut hätte. Aber er ist auch Polit-Profi genug, um zu erkennen, dass eine Person mit CDU-Parteibuch als Bahnchef der SPD im Wahljahr nicht vermittelbar gewesen wäre. Insofern dürfte Pofalla Lutz unterstützt haben. Aber Lutz ist erst 52 Jahre alt und „keine Übergangslösung“, wie aus Regierungskreisen zu hören ist. Insofern wird Pofalla wohl nie Bahnchef werden.

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Warum wird der Vorstand vergrößert?

Der Vorstand wird um zwei weitere Vorstandsposten erweitert und hat dann sieben statt fünf Vorstände. Dafür gibt es gute Gründe. Zum einen wird es einen neuen Vorstand für den Güterbereich geben. Das ist dringend nötig. Denn bislang kümmerte sich Berthold Huber um das Thema. Allerdings leitete er im Vorstand auch den Bereich Personenverkehr. Beide Aufgaben in Personalunion zu führen, wirkte vom ersten Tag an zu ambitioniert. Zumal die Güterbahn die größte Baustelle im Konzern ist. Des Weiteren wird es einen neuen Vorstand für Technik und Digitalisierung geben. Man kann darüber streiten, ob diese Funktion wirklich nötig ist. Digitalisierung ist eigentlich Kernaufgabe jedes Ressorts. Allerdings hat die Deutsche Bahn, zum Beispiel auf dem Schienennetz, erheblichen Nachholbedarf.

Wird es eine Frau im Vorstand geben?

Davon ist auszugehen. Zwar sind die neuen Vorstandsposten noch nicht besetzt, aber mehrere Gewerkschafter und Politiker, die im Aufsichtsrat der Bahn sitzen, haben sich im Vorfeld mehrfach dafür ausgesprochen, dass die Bahn endlich wieder eine Frau im Vorstand braucht. Zwar gab es mit Heike Hanagarth (Technik) und Margret Suckale (Personal) bereits schon zwei Vorstandsfrauen, doch ihre Amtszeiten währten nicht lange. Im Gespräch ist derzeit Sigrid Nikutta für den Vorstandsbereich Cargo. Die derzeitige Chefin der Berliner Verkehrsbetriebe hat den Nahverkehr in der Hauptstadt im Griff. Zudem war sie früher schon mal bei der Güterbahntochter der Deutschen Bahn. Sie kennt sich also aus. Unter Bahnchef Rüdiger Grube soll sie schon einmal kurz davor gestanden haben, zur Bahn zu wechseln. Allerdings hielt sie Grube damals für (noch) nicht geeignet.


Was steht auf der Agenda?

Was steht für Bahnchef Lutz auf der Agenda?

Die wichtigste Aufgabe für Lutz: Er muss es endlich schaffen, dass die Güterbahntochter DB Cargo aus der Krise kommt. Seit Jahren fährt das Unternehmen hinter den selbst gesteckten Zielen hinterher und fährt Millionen-Verluste ein. Lutz muss einen Vorstand finden, der das Zeug dazu hat, die Sanierung erfolgreich voran zu treiben. Ob er das der BVG-Chefin Nikutta zutraut, ist ungewiss. Die zweite wichtige Aufgabe: Beim Thema Digitalisierung hat die Bahn erheblichen Nachholbedarf. Das betrifft weniger das WLAN in den ICE-Zügen. Dort setzt die Bahn inzwischen neue Technik ein, die sogar ganz gut funktioniert. Allerdings arbeitet der Schienennetzbetreiber DB Netz noch sehr stark mit analogen Abläufen wie Fax und Papier. Hier könnte ein neuer Digitalisierungs-Vorstand neue Impulse bringen. Im Gespräch für den Posten ist Noch-Siemens-Vorstand Siegfried Russwurm. Allerdings braucht auch diese Personalentscheidung jetzt vor allem das Okay von Lutz.

Was wird aus dem Sanierungsprojekt „Zukunft Bahn“?

Ex-Bahnchef Grube leitete Ende 2015 einen Sanierungsprozess ein, der den gesamten Konzern betraf. Grund waren Sonderabschreibungen bei der Güterbahntochter DB Cargo, die den Konzern das erste Mal seit Jahren ins Minus drückten. Grube definierte im Rahmen des Projekts „Zukunft Bahn“ rund 50 Maßnahmen, mit denen die Bahn verlässlicher, pünktlicher und kundenfreundlicher werden will. Kritiker halten die Maßnahmen für richtig. Gleichwohl warfen sie dem ehemaligen Manager vor, viel zu spät reagiert zu haben. Es ist wohl auch diese Erfahrung, dass sich die Politik nun für Lutz entschieden hat, also jemanden, der sich nicht erst neu einarbeiten muss, wie dies Grube 2009 tun musste, als er Bahnchef wurde. Lutz wird das Reformprojekt ohne Abstriche weiter führen. Schließlich hat er es selbst im Aufsichtsrat vertreten und mitgetragen.

Wie steht die Deutsche Bahn derzeit da?

Die Bahn steht weiterhin stark unter Druck. Zwar sind die Ergebnisse im vergangenen Jahr deutlich besser ausgefallen als ein Jahr zuvor. Doch das liegt vor allem daran, dass die Güterbahntochter 2015 den Konzernverlust zu verantworten hatte. Ohne Sonderbelastung haben sich die Ergebnisse allenfalls nur leicht verbessert. Denn die Güterbahn befindet sich nach wie vor im Krisenmodus. Der Fernverkehr hat zwar mit Sparpreisen ein Gegenmittel gegen die Fernbusse auf der Straße gefunden, aber die gewonnenen Fahrgäste gehen einher mit weniger Marge pro Kunde. Im Nahverkehr hat die Deutsche Bahn außerdem weiterhin wichtige Verträge verloren. Der Marktanteil fällt weiter.

KONTEXT

Neue Züge der Deutschen Bahn

ICx: Der Komfortable

Die neuen ICx von Siemens erhalten eine Beleuchtung, die sich an Zeit und Außenstimmung anpasst. Zudem erlauben sie die Mitnahme von Rädern. Die ersten der 130 bestellten Züge kommen 2017. Investition: 5,3 Milliarden Euro. Pro Jahr liefert Siemens 20 Stück. Ein rund 200 Meter langer Zug besteht beim ICx aus sieben statt acht Wagen wie beim ICE. Das senkt Kosten und bringt mehr Sitzplätze. Siemens baut zwei Modelle: 345 und 202 Meter lang, Höchsttempo 249 und 230 Kilometer pro Stunde.

IC Dostock: Der Schlichte

Die Doppelstockzüge von Bombardier kommen vor allem auf Nebenstrecken zum Einsatz. Anders als im Nahverkehr, wo sie bereits als Regionalexpress unterwegs sind, erhalten die 44 bestellten Dostocks das blaue Velours-Ambiente eines Intercity. Investition: 660 Millionen Euro. Es gibt keinen Schnickschnack: Sitzreihen und Toiletten sind enger, kein Bordrestaurant, stattdessen mobiler Gastro-Service. Betriebliche Vorteile: Die Züge sind in der Länge variabel und gelten als extrem verlässlich.