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Lindner strebt in die nächste Bundesregierung – trotz schwieriger Umfragewerte für die Liberalen

FDP-Chef Lindner will nach der Wahl 2021 mitregieren, daran lässt er auf dem Parteitag keinen Zweifel. Dabei setzt er auf die Wirtschaftskarte.

Der Bundesvorsitzende der FDP will mit seiner Partei der nächsten Bundesregierung angehören. Foto: dpa
Der Bundesvorsitzende der FDP will mit seiner Partei der nächsten Bundesregierung angehören. Foto: dpa

Das Motto des FDP-Parteitags leuchtet in Magenta und Gelb von einer Videoleinwand: „Mission Aufbruch“. Davor steht Parteichef Christian Lindner und spricht darüber, wie nach der Coronakrise ein neues „Wirtschaftswunder“ entstehen könne. Er fordert „eine Politik, die unser Land nicht bremst und die unser Land nicht fesselt“.

Es ging am Samstag beim Parteitag in Berlin aber auch um einen Aufbruch in der FDP, die ein Jahr vor der Bundestagswahl gefährlich nah an der Fünf-Prozent-Hürde steht. Dennoch gab Lindner ein selbstbewusstes Ziel aus: Die Liberalen wollen der nächsten Bundesregierung angehören.

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„Wir wollen im nächsten Jahr dafür sorgen, dass eine andere Wirtschafts- und Finanzpolitik gemacht wird“, sagte Lindner. Deutschland stehe vor einer Richtungsentscheidung, und die dürfe nicht lauten: „Schwarz-Grün oder Grün-Rot-Rot“. Der FDP-Vorsitzende forderte weniger Bürokratie für Unternehmen, Steuerentlastungen und eine „Rückkehr zur Solidität bei den Staatsfinanzen“.

Der Mann, der den Schwerpunkt auf Wirtschaftsthemen verkörpern soll, ist Volker Wissing. Der Parteitag wählte den rheinland-pfälzischen Wirtschaftsminister mit knapp 83 Prozent zum neuen Generalsekretär. Ein Ergebnis, das fast zehn Prozentpunkte niedriger liegt als das von Wissings Vorgängerin Linda Teuteberg.

Teuteberg hat das Amt nicht freiwillig aufgegeben, sie war eigentlich noch bis zum kommenden Jahr gewählt. Doch Lindner hatte auf eine Ablösung der glücklos wirkenden Generalsekretärin gedrängt, auch wenn er sich in seiner Parteitagsrede erneut bemühte, die Personalentscheidung als taktische Neuaufstellung für das Wahljahr zu verkaufen. Nicht alle in der Partei fanden den Umgang mit Teuteberg fair.

Neuer Generalsekretär will „Umkehr in der Wirtschaftspolitik“

Ein Vorstandsmitglied sagte, dass Wissings Wahlergebnis angesichts der Vorgeschichte ein wirklich gutes Ergebnis sei. Ein anderer Vertreter der Führungsebene meinte, dass in der FDP traditionell eigentlich jedes Ergebnis über 80 Prozent ein gutes Resultat sei. Wissings Bewerbungsrede jedenfalls kam gut an, die Delegierten erhoben sich im Anschluss klatschend von ihren Sitzen.

Auch der neue Generalsekretär rief zu einer „Umkehr in der Wirtschaftspolitik“ auf, hin zu „mehr Freiräumen, zu mehr Flexibilität und mehr Freiheit“. Wissing kritisierte die Staatsbeteiligungen an Unternehmen in der Coronakrise und forderte einen flexibleren Arbeitsmarkt. „Jede vermeidbare Beschäftigungshürde in Deutschland ist in diesen Zeiten eine zu viel“, sagte er.

Der Parteitag traf weitere Personalentscheidungen: Die designierte hessische FDP-Landeschefin Bettina Stark-Watzinger und die designierten Spitzenkandidatin der FDP in Sachsen-Anhalt, Lydia Hüskens, wurden ins Präsidium gewählt. Den früheren Sozialdemokraten Harald Christ, der sich erst im März der FDP anschloss, machten die Delegierten zum neuen Schatzmeister. Sein Vorgänger Hermann Otto Solms, der die Finanzen der lange überschuldeten Partei in Ordnung brachte, wurde zum Ehrenvorsitzenden gewählt.

Die FDP hielt als erste Partei in der Pandemie einen bundesweiten Präsenzparteitag ab. Die Grünen veranstalten ihre Bundesdelegiertenkonferenz dieses Jahr digital, die CSU schiebt ihren Parteitag wohl nach 2021.

„Endlich wieder Bundesparteitag“, sagte Lindner. Zwar habe auch die FDP in der Krise neue, digitale Formate eingeführt. Aber: „Die persönliche Begegnung, das persönliche Gespräch sind eben nicht digitalisierbar.“ Die Botschaft sei, dass man Gesundheitsschutz vereinbaren könne mit demokratischem, gesellschaftlichem und wirtschaftlichem Leben.

Liberale im Umfragetief

Die Liberalen hatten ihr jährliches Parteitreffen auf einen Tag zusammengestrichen. Als Tagungsort suchte man sich das Estrel im Berliner Stadtteil Neukölln aus, deren Kongressbereich für einen FDP-Parteitag in Normalzeiten überdimensioniert wäre. Doch es gilt: Abstand halten.

Gleich zu Beginn wurden die Delegierten erinnert, bitte abseits ihres Platzes Maske zu tragen und Rudelbildung zu unterlassen. Sogenannte Hygienescouts wachten darüber, dass die auf dem Boden gekennzeichneten Laufwege einhalten werden. Selfies mit Lindner waren nicht möglich - stattdessen konnten sich die Delegierten in eine Fotoecke stellen, in der ihnen ein Computerprogramm eine virtuelle Version des Parteichefs ins Handyfoto einblendete.

Der echte Lindner mahnte in seiner Rede „intelligente Maßnahmen“ in der Pandemie an: eine bessere Test-Strategie, eine Digitalisierung der Gesundheitsämter, Klimaanlagen mit Aerosolfilter in der Gastronomie. „Ein zweiter Lockdown darf sich in diesem Herbst nicht wiederholen“, sagte er.

Derzeit liegt FDP in bundesweiten Umfragen deutlich unter dem Ergebnis von 10,7 Prozent im Jahr 2017. Lindners großer Erfolg, die Rückkehr in den Bundestag nach vier Jahren außerparlamentarischer Opposition, liegt nun schon etwas zurück. Die Europawahl und die Landtagswahlen in ostdeutschen Bundesländern verliefen enttäuschend für die Liberalen.

Im vergangenen Jahr stolperte die FDP-Führung um Lindner in die Klimaschutzdebatte, die mit den „Fridays for Future“-Demos die Schlagzeilen bestimmte. Dann schadete die Wahl des FDP-Politikers Thomas Kemmerich mit Stimmen der AfD zum Kurzzeit-Ministerpräsidenten in Thüringen dem Image der Partei. Im Februar flogen die Liberalen aus der Hamburger Bürgerschaft, vergangenes Wochenende holten sie bei der Kommunalwahl in Nordrhein-Westfalen nur knapp über fünf Prozent. „Sicher, wir haben keine guten Umfragen“, räumt Lindner ein. Eine Krise der Partei sehe er aber nicht.

Auch die Entscheidung, im Spätherbst 2017 die Koalitionsgespräche mit Union und Grünen abzubrechen, hält er grundsätzlich weiter für richtig. „Das ewige Jamaika!“, beklagte sich Lindner am Ende seiner Rede. Der Parteichef war bemüht, Zweifel am Regierungswillen der Liberalen auszuräumen. Das abrupte Ende der Verhandlungen würde er so nicht wiederholen, sagte er. Stattdessen würde er die Knackpunkte in einer „zweitägigen Denkpause“ öffentlich diskutieren lassen. Der FDP habe damals die Kommunikation über die politische Entscheidung aus der Hand gegeben.

Nach der Bundestagswahl 2021 soll das anders werden. „Ich möchte, dass wir uns das Ziel setzen, dass im nächsten Jahr die Freien Demokraten gebraucht werden, um eine Mehrheit im Deutschen Bundestag zu bilden“, sagte Lindner am Samstag in Berlin. „Wir müssen so stark werden, damit wir mitentscheiden, welche Richtung dieses Land nimmt.“

Dann sagt Lindner einen Satz, der aufhorchen lässt: Er verbinde dieses Ziel „ganz persönlich“ mit seiner Arbeit als Parteivorsitzender. Lindner steht seit Ende 2013 an der Spitze der FDP, er ist mittlerweile der dienstälteste amtierende Parteichef in Deutschland. Und er weiß offenbar, dass eine Partei irgendwann auch Erfolge in Form einer Regierungsbeteiligung sehen möchte.

Volker Wissing ist neuer Generalsekretär der FDP und beerbet Linda Teuteberg. Foto: dpa
Volker Wissing ist neuer Generalsekretär der FDP und beerbet Linda Teuteberg. Foto: dpa
Der bisherige Schatzmeister und Bundestagsvizepräsident ist neuer Ehrenvorsitzender der FDP. Foto: dpa
Der bisherige Schatzmeister und Bundestagsvizepräsident ist neuer Ehrenvorsitzender der FDP. Foto: dpa