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Lindner genießt den Rückhalt der FDP – doch es stehen schwere Richtungsdebatten bevor

Eine Führungsdebatte in der FDP wollen selbst Kritiker von Parteichef Lindner vermeiden. Der Wunsch nach inhaltlicher Neuausrichtung aber ist groß.

Die FDP durchlebt schwierige Zeiten. Nicht erst seit den Vorgängen von Thüringen, wo sich der FDP-Politiker Thomas Kemmerich mit AfD-Stimmen zum Ministerpräsidenten wählen ließ, ist in der Partei eine Unzufriedenheit über den Kurs wahrnehmbar. Am Sonntag flogen die Liberalen dann aus der Bürgerschaft in Hamburg, wo sie fünf Jahren zuvor in ihren außerparlamentarischen Zeiten den ersten wichtigen Wahlsieg gefeiert hatten.

Doch Christian Lindner kann ruhig schlafen, zumindest was seinen Verbleib an der Parteispitze angeht. Selbst Kritiker des seit sieben Jahren amtierenden Vorsitzenden wollen eine Führungsdebatte vermeiden. Mit Schrecken denken viele Liberale an das Intrigantentum während der schwarz-gelben Regierungszeit zurück, die für die FDP mit der historischen Pleite bei der Bundestagswahl 2013 endete.

Dazu kommt, dass ein zumindest gleichwertiger Ersatz in der FDP aktuell nicht in Sicht ist. Schon der außerordentlich klare Ausgang der Vertrauensfrage, die Lindner nach dem Thüringen-Debakel im Bundesvorstand stellte, hat gezeigt: Der 41-jährige Parteichef ist gegenwärtig alternativlos.

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Auch in den Gremiensitzungen nach der Hamburg-Wahl spielte die Führungsfrage keine Rolle. Ein Vorstandsmitglied sagt: „Die Dynamik für eine Personaldebatte sehe ich kurzfristig nicht.“ Ein anderer einflussreicher Liberaler verweist auf das Chaos, das in der SPD durch das regelmäßige Absägen ihrer Vorsitzenden entstanden sei. „Und schauen Sie sich die CDU an, was da gerade los ist.“

Selbst bei den Julis ist kein aufrührerisches Verhalten zu verzeichnen. „Es geht nicht darum, dass Personen ausgetauscht werden sollen. Zielführender ist, unter der aktuellen Parteiführung inhaltlich nachzujustieren“, sagte die Chefin der FDP-Nachwuchsorganisation, Ria Schröder, dem Handelsblatt.

Auch der Altliberale Gerhart Baum, der sich immer wieder kritisch zum Zustand seiner Partei äußert, erklärt: „Ich fordere im Moment keine personellen Veränderungen.“ Allerdings wünscht sich der frühere Bundesinnenminister eine inhaltliche Neuausrichtung.

Wählerwanderung zu den Grünen

„Die FDP muss jetzt nachdenken, wer sie eigentlich ist. Diese Kursbestimmung hätte es schon ohne Thüringen geben müssen. Nun ist die Dringlichkeit besonders groß“, sagte Baum dem Handelsblatt. „Die FDP muss wieder einen ganzheitlichen Blick auf den Liberalismus bekommen und sich nicht auf Wirtschaftsfragen verengen. Es geht nicht nur um den Wirtschaftsstandort Deutschland, es geht auch um den Demokratiestandort Deutschland.“

Mit diesem Wunsch nach inhaltlichen Veränderungen ist Baum nicht allein. Einige Parteivertreter treibt die Sorge um, dass die sozialliberale Anhängerschaft immer stärker zu den Grünen wandert.

Schon beim enttäuschenden Europawahlergebnis im vergangenen Jahr hätten die Liberalen viele Stimmen an die Grünen verloren, heißt es. Auch in Hamburg habe es vor allem eine Wählerwanderung von der FDP zu Grünen und SPD gegeben. „Das muss die Parteiführung als Auftrag für eine moderne liberale Partei begreifen“, sagt ein Bundestagsabgeordneter.

Wer sich in diesem Parteiflügel umhört, erfährt, dass die FDP ein „offensichtliches Defizit“ beim Klimathema habe. Dass die Partei „zu weiß“ sei und mehr auf Migranten zugehen müsse. Dass beim Aufstiegsversprechen, das die Partei vertreten wolle, die Punkte soziale Herkunft und Chancengleichheit stärker berücksichtigt werden müssten. Und vor allem: „Wichtig ist, dass kein Schlussstrich unter Thüringen gezogen und die Sache aufgearbeitet wird.“

Allerdings hat die FDP auch nicht wenige Wähler, die anders denken. In einer Infratest-Umfrage nach der Kemmerich-Wahl fanden bundesweit nur 25 Prozent der FDP-Anhänger einen Ausschluss der Zusammenarbeit mit der AfD richtig, 13 Prozent hielten ihn für falsch. Eine Mehrheit würde sich wünschen, dass man von Fall zu Fall entscheidet.

Lindner muss Navigator sein

In der FDP ist zu hören, dass es in den vergangenen Wochen Parteiaustritte mit beiden Begründungen gegeben habe. Die einen fragten erbost: Warum habt ihr den Kemmerich das machen lassen? Die anderen fragten erbost: Warum habt ihr den Kemmerich das nicht weiter machen lassen?

Es ist keine leichte Situation. Auf der einen Seite gibt es FDP-Anhänger, die sich eine kosmopolitische und progressive Linie wünschen. Aber es gibt auch Wähler, die empfänglich sind für Tiraden gegen den „linksgrünen Mainstream“ und sich trefflich aufregen können, dass Politik und Umweltlobby den Diesel kaputtmachen würden.

Außerdem sei das Ost-West-Gefälle in der Partei durch Thüringen zum Vorschein getreten, sagen mehrere FDP-Politiker. In ostdeutschen Landesverbänden würden zahlreiche Mitglieder, die in der DDR Unrecht und Einschränkungen der Freiheit erlebt haben, im Zweifel lieber mit der AfD als mit Der Linken kooperieren.

Zwischen diesen Polen muss Lindner navigieren. Der Parteichef bemühte sich zuletzt, die größtmögliche Abgrenzung zur AfD deutlich zu machen: Die FDP sei eine weltoffene Partei, die das Individuum in den Mittelpunkt stelle. In der Vergangenheit musste sich Lindner aber auch den Vorwurf gefallen lassen, mit überspitzten Äußerungen in der Migrations- und Klimapolitik genau diese Abgrenzung zu verwässern.

Nach der Hamburg-Wahl sagte Lindner, er wolle die Arbeit an einem neuen Leitbild der FDP forcieren. Die Partei müsse ihre Positionierung nicht grundlegend verändern, brauche aber ein politisches „Update“. Baum ist überzeugt: „Die Diskussion in der FDP ist nicht zu Ende. Sie beginnt gerade erst.“