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Krise? Welche Krise? – Die Blockchain-Branche wittert Morgenluft

Während an der realen Börse die Kurse taumeln, feiert sich die Bitcoin-Welt in Frankfurt. Endlich helfe der Staat der jungen Branche, so der Tenor.

Bis zuletzt haben sie überlegt, die Konferenz abzusagen: Corona-Alarm auch auf dem Klassentreffen der deutschen Kryptobranche. Nun findet die „Crypto Assets Conference 2020“ doch statt. Und während an den Weltbörsen die Kurse so stark taumeln wie zuletzt vor zehn Jahren, ist die Stimmung im lichtdurchfluteten Foyer der Frankfurt School of Finance an diesem Montag so gut wie lange nicht mehr. Über 600 Teilnehmer haben sich angemeldet, doppelt so viele wie im Vorjahr.

Am Bitcoin kann es nicht liegen. Der Urvater der virtuellen Währungen gibt in Corona-Zeiten kein gutes Bild ab. Vom erträumten sicheren Hafen, vom „digitalen Gold“, ist er meilenweit entfernt. Am Montag lag der Kurs knapp zehn Prozent im Minus bei rund 7.800 Dollar. Statt des Bitcoins ist in Frankfurt ein anderes Zauberwort in aller Munde: die sogenannte Tokenisierung.

„Bisher sind riesige Vermögenswerte den Reichen vorbehalten“, referiert Francisco Fernandez, Gründer und Vorstandschef des Kernbankensystem-Herstellers Avaloq. 380 Billionen Dollar an Privatvermögen gäbe es weltweit. Davon lägen jedoch über 40 Prozent in schwer handelbaren Anlagen: Immobilien etwa, Luxusautos oder Kunstwerken. Würden diese durch virtuelle Assets abgebildet („tokenisiert“), wären sie endlich auch für Kleinanleger erschwinglich, sagt Fernandez.

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„In den kommenden 15 Jahren werden immer mehr dieser Anlagen für den normalen Bankkunden verfügbar“, prognostiziert er. Die Besitzrechte an einem Hochhaus zum Beispiel – bisher in einem geschlossenen Fonds gebunden, in den nur Reiche investieren können – könnten in eine Million Token aufgeteilt werden und wären so auch mit kleinem Budget erschwinglich. Ähnliches gilt laut Fernandez für viele andere Anlagen.

Im großen Hörsaal der Hochschule gibt es für diese Vision viel Applaus. Noch einmal weht ein revolutionärer Hauch durch das Jahrestreffen der Branche, den kaum ein Teilnehmer noch erwartet hätte.

Ende der Krypto-Pubertät

„Die Blockchain-Welt ist erwachsen geworden“, sagt Philipp Sandner, Leiter des Frankfurt School Blockchain Center und Gastgeber der Konferenz. „Das Visionäre ist größtenteils weggefallen, der Anspruch, die Welt zu erobern, verschwunden. Dafür arbeitet die Branche nüchterner an echten Umsetzungen.“

Ein Grund für den neuen Realismus ist das Handeln eines Akteurs, der in früheren Jahren noch von vielen Teilnehmern angefeindet wurde: der Staat. „Zunächst ging es darum, die Technologie auszuprobieren. Nun hat der Staat nachgezogen und Regulierung geliefert“, erklärt Sandner. Die wichtigsten Meilensteine waren demnach die im Herbst vorgestellte deutsche Blockchain-Strategie, die zum 1. Januar geschaffene Kryptoverwahrlizenz sowie die Erarbeitung des Blockchain-Anleihe-Gesetzes, dessen Entwurf in den kommenden Wochen erwartet wird.

„Die Atmosphäre hat sich grundlegend verändert. Die staatlichen Initiativen haben viele Finanzakteure aufgescheucht. Plötzlich sehen die Banken, dass man sich in Deutschland mit der Blockchain beschäftigen kann, darf und soll“, sagt Sandner.

Marc Bernegger vom Zürcher Finanzdienstleister Crypto Finance Group lobt den Ansatz. „Die Regelung der Kryptoverwahrung hat viel angestoßen, das ist gerade das heißeste Thema“, sagt er. Nun flösse viel Geld nach Deutschland. Berlin sei zu Recht vorgeprescht, statt auf eine eventuelle einheitliche EU-Regulierung zu warten. Ähnlich sieht es Ivan Ripamonti vom Krypto-Derivat-Anbieter Iconic: „Wir sind mit unseren Produkten nach Frankfurt gekommen, weil es hier rechtliche Klarheit gibt. Das hilft der Branche, auch über Deutschland hinaus.“

Einig sind sich die meisten Teilnehmer, dass mit staatlichem Rückenwind weitere Lösungen vor der Umsetzung stehen. Nur noch eine Frage der Zeit seien etwa Blockchain-Aktien, also die Ablösung gedruckter, bei Zentralverwahrern liegender Wertpapiere, wie sie aktuell noch gesetzlich vorgeschrieben sind.

Geschäft statt Revolution

So folgerichtig die Idee der Tokenisierung aller Asset-Klassen auch sein mag: Ein Stück weit ist die Blockchain-Branche mit dieser Vision bescheiden geworden. Die revolutionären Ideen – etwa, die Machtverteilung im Finanzsystem aus den Angeln zu heben oder die Realwirtschaft selbst umzugestalten – verblassen. Dies ist auch der Entwicklung der vergangenen Jahre geschuldet.

Vor allem das Platzen der Kryptoblase im Jahr 2018 hat die Vision eines Finanzsystems „von unten“ ausgehöhlt. Die früher heiß diskutierten virtuellen Börsengänge (ICOs) und selbst verwaltete Unternehmen (DAOs) spielen 2020 keine Rolle mehr; die Vorstellung, dass die Blockchain Handel, Gewerbe und Industrie umgestaltet, ist auf die lange Bank geschoben.

Die Tokenisierung macht aus Rebellen Dienstleister: Krypto-Start-ups geben künftig keine eigenen Coins mehr aus, sondern bilden als technische Experten reale Assets virtuell ab. Bitcoin-Fans der ersten Stunde mag das langweilig erscheinen – Branchengründern winken dafür endlich reale Erträge.

Glaubt man den Zahlen des Krypto-Verwahrers Plutoneo, die dieser mit dem Frankfurter Blockchain Center erhoben hat, dann steht der Markt vor raschem Wachstum. Der europäische Anteil am globalen Kryptomarkt beträgt demnach bereits heute 30 Prozent, der deutsche Anteil immerhin sieben Prozent. Schon 2021 werde der europäische Markt für wertpapierähnliche Token die Kapitalisierung aller Kryptowährungen übersteigen. 2024 soll er dann bei 1,4 Billionen Euro liegen – was ausreichend Raum für findige Start-ups ließe.

Steht der Kryptostandort Deutschland also vor goldenen Jahren? Alexander Höptner, Chef der Börse Stuttgart, gießt etwas Wasser in den Wein. Seine Regionalbörse hat sich früh positioniert und setzt auf den Siegeszug virtueller Assets. Deren globaler Zukunftsmarkt werde jedoch nicht von Deutschland entworfen, mahnt Höptner.

„Es ist schön, dass es nun Regeln für die Kryptoverwahrung gibt. Aber solange der Zweitmarkt nicht geregelt ist, der Retail-Handel, fehlen uns wichtige Bausteine“, sagt er. Selbst eine EU-weite Regulierung reiche nicht aus: „Wir brauchen Unterstützung aus Asien und den USA.“ Ansonsten könnte die Token-Wirtschaft der Zukunft in Peking designt werden.