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Wo es bei den Krankenkassen in Coronazeiten hapert

Eine Studie der Beratungsfirma BCG legt offen, was die Versicherten über ihre Kasse in der Krise denken. Viele Kunden sehen vor allem ein Manko.

Die Patienten wünschen sich mehr Kommunikation. Foto: dpa
Die Patienten wünschen sich mehr Kommunikation. Foto: dpa

In der Coronakrise greifen die Krankenkassen tief in die Tasche. Massenhafte Corona-Tests, aufwendige Behandlungen, Bonuszahlungen für Intensivbetten: Allein für die klinische Behandlung von Corona-Infizierten gehen die Kassen von Kosten in Höhe von 1,3 Milliarden Euro aus. Doch trotz des enormen Finanzaufwands stellen viele Kunden dem Vorgehen der Kassen nur ein mittelmäßiges Zeugnis aus.

Fast die Hälfte der Versicherten hätte sich eine aktive Ansprache und Beratung während der Coronakrise gewünscht. Mehr als 66 Prozent wollen in Zukunft eine aktivere Kommunikation, vorzugsweise digital oder per Telefon. Das geht aus einer Studie der Unternehmensberatung Boston Consulting Group (BCG) zum Thema Krankenversicherungen und die Zukunft nach Covid-19 hervor, die dem Handelsblatt vorab vorliegt.

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“Wir waren überrascht, wie stark die Versicherten wünschen, dass die Krankenversicherer eine stärkere Rolle für ihre Gesundheit übernehmen”, sagt Nicolas Busch, Mitautor der Studie. Klassischerweise sei dies nicht die Aufgabe der Versicherer, sondern der Ärzte in Deutschland. Doch offensichtlich habe das Gesundheitssystem die Probleme vieler Versicherter bei Fragen rund um Corona nicht zufriedenstellend lösen können.

Viele Versicherte hätten sich gewünscht, dass die Krankenkassen aktiv mit ihnen sprechen würden. “Die Krankenversicherer sollen sich nach dem Willen der Kunden offensichtlich zu einem vorsorgenden Unterstützer der Versicherten wandeln – und dabei auch mehr digitale Wege gehen.”

Die Coronakrise könnte damit der Digitalisierung auch bei der gesetzlichen Krankenversicherung einen Schub geben. Denn der digitale Kontakt per App und Website zwischen Versicherten und Kassen sei in der Coronakrise stark gestiegen – und viele Versicherte hätten die digitale Kommunikation als effektiv empfunden, heißt es in der Studie.

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Noch hinke Deutschland im internationalen Vergleich in der Digitalisierung des Gesundheitswesens allerdings hinterher. “Wenn man den Reifegrad der Krankenkassen mit anderen Branchen wie beispielsweise dem Onlinebanking vergleicht, dann sind die Anbieter in vielen Bereichen noch nicht da, wo man hinkommen könnte.”

Die Kassen sollten deshalb ihre digitalen Kanäle professionalisieren und sich von reinen Kostenträgern zu “Dienstleistungs- und Technologieunternehmen” entwickeln, empfehlen die Autoren der Studie, für die rund 1500 Versicherte in Deutschland online befragt wurden. Das vorherrschende System einer Organisation der Krankenversicherung entlang von Kostenarten, zentralen Funktionen und Fachzentren sei an vielen Stellen an seine Grenzen gekommen.

Viele Patienten scheuten den Arztbesuch

So hätten viele Patienten aus Angst vor Corona auf einen Arztbesuch verzichtet. Ein Drittel der Versicherten habe Behandlungen abgesagt beziehungsweise verschoben, darunter für Gelenk- und Rückenkrankheiten, aber auch Untersuchungen wegen Herzproblemen. Durch die Verschiebung oder Absage hätten sich jedoch fast 30 Prozent der Befragten schlechter gefühlt, die Behandlung wäre also eigentlich medizinisch notwendig gewesen, heißt es in der Studie.

Eine aktive Ansprache der Versicherten durch die Krankenversicherung hätte insofern einen hohen Nutzen für die Kunden stiften können, sind sich die Berater sicher. Die Kassen hätten auf alternative Behandlungsmöglichkeiten hinweisen oder über das Infektionsrisiko aufklären können.

BCG rät vor diesem Hintergrund zum Ausbau der Telemedizin. Bereits vor der Coronakrise sei dies ein Wachstumsfeld gewesen. Doch während der Pandemie sei dieser Service noch stärker nachgefragt worden: 70 Prozent der Befragten, die telemedizinische Leistung in der Coronakrise genutzt haben, hätten dies erstmalig genutzt, heißt es in der Studie.

Auch bei den Ärzten seien die Erfahrungen positiv. Rund 5000 Arztpraxen hätten sich erstmals für Telemedizinsoftware registriert – und mit 26 Prozent wollen doppelt so viele wie vor der Krise die Technik auch künftig nutzen.

Der Rat der Berater ist insofern eindeutig: Die Krankenversicherungen müssten mehr Telemedizin anbieten, um sich zu differenzieren: Denn 58 Prozent der befragten Versicherten würden sogar ihre Krankenversicherung wechseln, um die Onlinebehandlung nutzen zu können.

Bisher seien die Strukturen und Angebote der Kassen jedoch völlig anders ausgerichtet. “Viele große Ersatzkassen unterhalten heute noch zwischen 250 bis 400 stationäre Geschäftsstellen in der Fläche, bei einigen AOK-Kassen ist die Dichte regional teilweise noch höher”, sagt Matthias Becker, der zweite BCG-Autor der Studie neben Busch.

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Doch bei der Umfrage sei deutlich geworden, dass lediglich sieben Prozent der Versicherten künftig noch die Geschäftsstellen primär als wichtigste Anlaufstelle betrachteten. Stattdessen wollten sie, dass die Versicherer sie mehr über Telefon und Internet ansprechen. “Die Kunden werden die klassischen Angebote immer weniger nutzen.”

Die Experten sagen vor diesem Hintergrund einen grundlegenden Wandel für die Kassen voraus. “Der Druck ist groß, dass sich die Krankenversicherer in den nächsten Jahren umstellen”, prognostiziert Busch. “Ich glaube, dass die gesetzliche Krankenversicherung in den nächsten drei bis fünf Jahren vor einer drastischen Veränderung steht. Das Tempo des Umbaus wird sich deutlich beschleunigen.”

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