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Wie der kleine Kurierdienst GO! den Wettlauf mit den Riesen besteht

Dem heutigen Start der Fußball-WM fieberte er seit Tagen entgegen. Dabei macht sich Ulrich Nolte, Geschäftsführer des Kurierverbunds GO! Express & Logistics, aus dem Spiel selbst eigentlich nichts.

Dem 53-Jährigen winkt durch das vierwöchige Spektakel willkommener Zusatzumsatz. Seine Truppe von europaweit 3000 Kurieren hat dem Bezahlsender Sky zugesagt, kurzentschlossenen Fußballfans Empfangs-Dekoder samt Zugangskarte bis zur Haustür zu liefern. Auch Fußballfans, denen wegen einer defekten TV-Karte droht, ein Spiel zu verpassen, sollen sich auf die GO!-Lieferanten verlassen können, die während der WM schnell Ersatz liefern können.

Der 1984 gegründete Kurierverbund, dessen Bonner Zentrale Nolte seit mehr als acht Jahren vorsteht, wächst mit zweistelligen Raten – nicht zuletzt durch Eilzustellungen an Endkunden wie im Fall von Sky.

Beförderten die mit dem roten „GO!“-Logo verzierten Lieferwagen 2008 gerade einmal 2,8 Millionen Sendungen, waren es vergangenes Jahr 6,5 Millionen. Für 2018 kündigt Nolte an, die Sieben-Millionen-Grenze zu überschreiten. In Niederaula, einem Flecken zwischen Kassel und Frankfurt, lässt er die Größe seines zentralen Deutschland-Umschlaglagers gerade verdoppeln.

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Eilige Fleischpakete

Der Paderborner mit dem grau melierten Fransenschnitt hat fürs Geschäft einen neuen Treiber ausgemacht: Die steil ansteigende Nachfrage unter Endverbrauchern nach eiligen Sendungen. Für den Rinderzüchter „Ein Stück Land“, der gewöhnlich erst nach dem Verkauf aller Fleischpakete mit dem Schlachten beginnt, verteilt GO! seit Neuestem deutschlandweit die Frischware an Hobbyköche.

Eilig unterwegs sind die Boten ebenso für den Feinkostanbieter Trüffelkontor. Die Firma an der tschechischen Grenze übergibt dem Kurierdienst die verderblichen Edelpilze, um sie innerhalb weniger Stunden quer durch Deutschland zuzustellen.

Unter den Empfangsadressen befinden sich Drei-Sterne-Gourmettempel wie das Vendôme in Bergisch Gladbach, zunehmend aber auch Privathaushalte. „War unser Geschäft früher fast ausschließlich die Eilzustellung von einer Firma zur anderen“, sagt Nolte, „gehören heute viele Endkunden zu den Empfängern.“ Etwa 15 Prozent sei deren Anteil.

Dabei sind es teure Spezialeinsätze, mit denen GO! der Übermacht von DHL Express, UPS und Fedex standhält. Die drei dominieren mit Milliardenumsätzen das internationale Kuriergeschäft so sehr, dass es überrascht, überhaupt noch kleinere Anbieter zu finden. Selbst mächtige Expresskonzerne gaben auf. Den niederländischen Rivalen TNT zwangen die Großen derart in die Knie, dass er sich vor zwei Jahren widerstandslos von Fedex übernehmen ließ.

Von einer solchen Selbstaufgabe ist GO! weit entfernt. „Unsere Gesellschafterstruktur ist seit 1984 nahezu unverändert – und wird es auch noch lange bleiben“, erklärt der Geschäftsführer. Eine Übernahme wäre ohnehin schwierig: Eigentümer des Verbunds sind zu gleichen Teilen zwölf Familienunternehmen, die unter der Marke „GO!“ Regionalgesellschaften etwa in Saarbrücken, Mainz, Stuttgart oder München betreiben.

Dass die GO! bald verkaufen, ist recht unwahrscheinlich – das Geschäft läuft sehr profitabel: So verdiente die Nürnberger Regionalgesellschaft, die mit einem Umsatz von 24,3 Millionen Euro im Verbund die größte ist, 2016 stolze 2,6 Millionen Euro netto. Ihr eingesetztes Kapital verzinste sich mit 16,5 Prozent – ein Ergebnis, an das die mächtigen Rivalen nicht rankommen: Spitzenreiter UPS schaffte eine Kapitalverzinsung von 10,8 Prozent, die DHL-Mutter Deutsche Post musste sich mit 7,4 Prozent begnügen, Fedex mit einer Kapitalrendite von 6,2 Prozent.

Dass es den kleinen Familienfirmen gelingt, der Übermacht zu trotzen, liegt aber auch an der von Nolte geführten Dachgesellschaft. Sie sorgt im knapp 200 Millionen Euro erwirtschaftenden Verbund nicht nur für die IT, die Akquise von Großkunden und die Qualitätskontrolle. Auch die nächtlichen Verbindungstouren zwischen den Regionalgesellschaften, mit deren Hilfe die Gesellschafter ein bundesweites Netz knüpfen, unterliegen den Bonnern.

All das hat seinen Preis: „Der Versand mit GO! ist relativ hochpreisig“, bemerkt Wolf Symanczyk, Experte bei der Hamburger Branchenberatung MRU. „Die Firma bietet dafür aber einen hohen Qualitätsstandard.“ Ihr komme zugute, dass die Einzelgesellschaften stark in den jeweiligen Regionen verankert seien, die Kuriere ihre Kunden und Fahrgebiete genau kennen.

Eine Kurierfahrt sei nicht unter einem Euro pro Kilometer Rundlauf zu haben, rechnet Nolte vor. Einem Landmaschinenbetrieb im rheinischen Meckenheim berechnete GO! neulich 800 Euro, um ein Ersatzteil aus dem bayerischen Straubing herbeizuschaffen. „Der Ausfall des Baggers hätte deutlich mehr gekostet“, erklärt der Bonner Geschäftsführer.

Ersatz nach 120 Minuten

So ist der David des Expressgewerbes immer dann gefragt, wenn es unversehens brenzlig werden kann: Herzschrittmacher für das Frankfurter Klinikum, Ersatzteile für den Flughafenbetrieb, OP-Material für Notfalloperationen in Krankenhäusern.

Mit der Bertelsmann-Tochter Arvato betreibt GO! 23 „Hochverfügbarkeitsdepots“, in denen der Kurierdienst für den Ernstfall dringend benötigte Teile lagert. Etwa für den Geldautomatenhersteller Wincor Nixdorf oder den Mobilfunkausrüster Nokia Siemens Networks (NSN). Kommt es in deren Technik zu einem Ausfall, hält der Monteur 120 Minuten später das Ersatzteil in der Hand.

Damit aber birgt das Geschäft hohe Risiken. Laut Gesetz geraten Kurierdienste wie GO! in eine unbegrenzte Haftung, sobald eine Sendung schiefläuft und dem Transporteur ein „grobes Organisationsverschulden“ nachgewiesen wird. „Die Haftung umfasst auch Folgeschäden“, weiß Nolte, der seinen Betrieb deshalb in Richtung Null-Fehler-Toleranz drängt.

Nach eigenen Aussagen mit Erfolg. Die Schadensquote von 0,02 Prozent liege um ein Vielfaches unter der Konkurrenz, sagt der Geschäftsführer. Für manchen Fußballfan ist ein versagender Sky-Dekoder am Tag vor dem WM-Finale schließlich eine ähnliche Katastrophe wie ein fehlendes Ersatzteil.