Braunschweig (dpa) - Spektakulär geht anders: Zum Auftakt in den großen Betrugsprozess zur Dieselaffäre bei Volkswagen scherzten Beobachter über die eher langweilige Farbgebung «Braun in Braun» in der Braunschweiger Stadthalle.
In den sanierungsbedürftigen Bau war das Landgericht aus Platzgründen umgezogen. Das Interesse an «Dieselgate» und den mutmaßlichen Protagonisten aus dem VW-Konzern war riesig. Zwei Jahre später wirkt es, als hätten sich das nüchterne Ambiente und das Verfahren einander angepasst.
Aufarbeitung eines der größten deutschen Wirtschaftsskandale
Am 16. September 2021 ist die Tribüne - soweit es die Corona-Einschränkungen erlaubten - voll besetzt. Vor der Tür scharen sich TV-Teams aus mehreren Ländern. Die Erwartungen an die strafrechtliche Aufarbeitung eines der größten deutschen Wirtschaftsskandale waren hoch, hatten aber zu diesem Zeitpunkt schon den ersten großen Dämpfer kassiert. Denn die eigentliche Hauptperson fehlte, der Prozess fing ohne den früheren VW-Konzernchef Martin Winterkorn an.
Zunächst wird also nur gegen vier Ex-Führungskräfte des Wolfsburger Autobauers verhandelt. Die Anklage wirft den Ingenieuren und Managern vor, tief in die Entwicklung und den Einsatz der Manipulations-Software in Millionen Fahrzeugen verstrickt gewesen zu sein. Wegen gewerbs- und bandenmäßigem Betrugs drohen ihnen weiterhin bis zu zehn Jahre Haft.
Aufgeflogen war der Skandal im September 2015, als die US-Umweltbehörde EPA über Manipulationen bei Abgastests von Dieselautos informierte. Der Vorstandschef trat zurück und eine Industriekrise ungeahnten Ausmaßes nahm ihren Lauf. Die Vorwürfe gegen ihn wies Winterkorn später zurück und beteuerte, vor dem Bekanntwerden der Manipulationen nichts von illegalem Tun gewusst zu haben.
Aufgrund eines medizinischen Gutachtens war der Verfahrenskomplex gegen den mittlerweile 76-Jährigen abgetrennt worden. Sowohl die Verteidiger der übrigen Angeklagten als auch die Staatsanwaltschaft kritisierten dies damals scharf. Das Interesse der Öffentlichkeit an einem Prozess ohne Winterkorn nahm rapide ab.
Zwar wird die Frage der Verhandlungsfähigkeit Winterkorns nach Angaben eines Gerichtssprechers derzeit erneut überprüft. Ob und wann gegen den früheren VW-Chef verhandelt wird, bleibt aber völlig offen.
Mit dem ersten strafrechtlichen Urteil im Diesel-Skandal in Deutschland hatte das Landgericht München den früheren Audi-Chef Rupert Stadler und zwei Mitangeklagte wegen Betrugs zu hohen Bewährungsstrafen verurteilt. Rechtskräftig ist dies aber nicht, Revision wurde eingelegt.
Uneinigkeit und Verzögerungen im Prozess
Volkswagen selbst betont in diesen Tagen auf Nachfrage erneut, dass die strafrechtlichen Verfahren gegen den Konzern in Deutschland abgeschlossen sind. Die Kosten für die «Folgen der Dieselthematik» beziffert der Autobauer weiterhin auf etwa 32 Milliarden Euro. Am Prozessmarathon in der Braunschweiger Stadthalle ist VW aber nicht beteiligt.