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Kahlschlag bei Opel in Polen – Autobauer narrt Gewerkschaft

Im Opel-Werk in Gliwice müssen 800 von 2000 Mitarbeitern gehen. Über einen Trick sinken künftig die Entgelte. Die Mitbestimmung wird ausgehebelt.

PSA-Chef Carlos Tavares hat schon zwei Mal schier Unmögliches vollbracht. Erst rettete der Automanager das jahrhundertealte Peugeot-Erbe vor dem Untergang, dann sanierte er die chronisch defizitäre deutsche Tochter Opel im Rekordtempo. Was der gebürtige Portugiese jetzt vorhat, sprengt aber endgültig die Vorstellungskraft vieler Experten in der Fahrzeugindustrie.

Tavares will die französische PSA-Gruppe mit dem italienisch-amerikanischen Fiat-Chrysler-Konzern zum viertgrößten Autobauer der Welt fusionieren und dabei Synergien von 3,7 Milliarden Euro pro Jahr heben, ohne ein einziges der 120 Werke zu schließen oder eine der 14 Marken zu opfern. Angesichts der hohen Überkapazitäten, die die Konzerne schon heute in ihren Produktionsstätten ausweisen, stellt sich die Frage: Wie soll das funktionieren?

Eine trickreiche Antwort darauf liefert Tavares gerade im polnischen Gliwice (Gleiwitz). Dort baut Opel seit mehr als zwei Jahrzehnten den Astra. Doch 2021 endet die Produktion des Kleinwagens in Schlesien, das Nachfolgemodell wird am Opel-Stammsitz in Rüsselsheim montiert. In Polen sollen stattdessen mit Finanzhilfen der Landesregierung in zwei Jahren bis zu 100.000 Transporter per annum vom Band rollen, wie PSA im Mai bekanntgab.

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Eigentlich eine gute Nachricht für die Opel-Beschäftigten. Doch die Sache hat einen Haken. Tavares‘ Truppe investiert in Schlesien nämlich nicht in die bestehende Gesellschaft (Opel Manufacturing Poland), sondern baut offenbar über die Firma PSA Manufacturing Poland eine neue Fabrik auf der bestehenden Werksfläche in Gliwice auf. Die Folge: Wollen die Opel-Beschäftigten auch künftig Fahrzeuge montieren, müssen sie in die neue Gesellschaft wechseln – und sich dort mit deutlich schlechteren Konditionen abfinden.

„Mit der Schaffung des Transporter-Werks beabsichtigt PSA, nur einen Bruchteil der ehemaligen Arbeitnehmer des aktuellen Opel-Werks auf Basis von neuen Arbeitsverträgen mit ungünstigeren Bedingungen zu beschäftigten“, heißt es in einer Resolution des Europäischen Betriebsrats von Opel, die dem Handelsblatt vorliegt.

Die Arbeitnehmervertreter werfen PSA vor, in der neuen Firma bereits Entgeltgrenzen festgelegt zu haben, ohne die Gewerkschaften zu konsultieren. „Keine der aktuellen Tarif- und Betriebsvereinbarungen aus dem Opel-Werk werden im PSA-Werk gültig sein, obwohl es sich an der gleichen Adresse befindet“, wettern die Betriebsräte. Zudem verletzte PSA die gesetzlichen Vorgaben im Zuge eines Betriebsübergangs und habe den „sozialen Dialog“ mit den polnischen Gewerkschaften „eingestellt“.

Die Grenzen des Machbaren

Ein Opel-Sprecher entgegnet: „Selbstverständlich halten wir uns auch in Gliwice an die gesetzlichen Vorschriften und informieren die Mitarbeiter und deren Vertreter laufend über die Umsetzung entsprechend den Gegebenheiten des neuen Werkes.“ Der Standort in Schlesien sei langfristig gesichert. Über die Sicherheit der Jobs vor Ort verliert das Unternehmen dagegen kein Wort.

Gewieft lotet Tavares die Grenzen des Machbaren aus – auch auf arbeitsrechtlicher Ebene. Über die Gründung neuer Gesellschaften bestehende Konditionen und die gewerkschaftliche Mitbestimmung zu umgehen sei dabei nur „ein Element seiner Trickkiste“, konstatiert Ferdinand Dudenhöffer. Der Leiter des Center Automotive Research (CAR) bescheinigt dem PSA-Frontmann einen Hang zu kreativen Denkansätzen, um die Personalkosten zu reduzieren: „Die Franzosen halten sich an die Buchstaben, also den Wortlaut von Vereinbarungen, aber nicht unbedingt an den von der Gegenseite damit beabsichtigten Inhalt.“

So versprach Tavares etwa nach der Übernahme von Opel im Sommer 2017, dass die Marke mit dem Blitz eigenständig bleibe, kein Werk geschlossen wird und alle Mitarbeiter bis 2023 vor betriebsbedingten Kündigungen geschützt sind. An alle Punkte hat sich der Manager bis dato gehalten. Dennoch zurrte er die deutsche Tochter über Matrixorganisationen in Entwicklung, Produktion oder Personalwesen eng an die PSA-Zentrale in Rueil-Malmaison nahe Paris. Der Entscheidungsspielraum des Opel-Managements ist dadurch äußerst limitiert. Eigenständig sind die Rüsselsheimer maximal auf dem Papier.

Über Auslagerungen, Abfindungen, Vorruhestand oder Altersteilzeit hat Tavares zudem den Abbau von fast 7000 Stellen bei Opel in Deutschland erwirkt. Auch in Polen lässt er jetzt auf freiwilliger Basis massiv Mitarbeiter abbauen – alleine in diesem Jahr fallen 800 von 2000 Stellen weg. Das geht aus der Betriebsratsresolution hervor und wird in Unternehmenskreisen bestätigt. Hintergrund der Personalreduktion um 40 Prozent ist eine drastische Drosselung der Fertigung.

Alles hängt am Astra

Bereits im vergangenen Jahr wurde in Gliwice eine von drei Produktionsschichten gestrichen, heißt es in Unternehmenskreisen. 2020 droht nun sogar die Umstellung auf einen Einschichtbetrieb. Denn derzeit laufen bei Opel in Polen statt 40 nur 27 Astra pro Stunde vom Band. „Viel fehlt nicht mehr, dann wird auch die zweite Schicht obsolet“, fürchtet ein Insider.

Alles hängt am künftigen Absatz des Astra. Seit Jahren schrumpfen die Volumina des Kleinwagens erheblich. Verkaufte Opel einst noch mehrere Hunderttausend Stück seines Klassikers im Kompaktsegment, waren es 2018 nicht einmal mehr 182.000 Einheiten. Schlimmer noch: In den ersten neun Monaten 2019 konnte die Marke mit dem Blitz nur rund 116.000 Astra weltweit ausliefern. Das ist ein Minus von fast 16 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Ein Ende des Absatzschwundes ist nicht absehbar.

Andere Manager würden in solch einer Situation versuchen, den Überkapazitäten mit der Stilllegung von Fabriken zu begegnen. Nicht so Tavares. Der Manager geht subtiler vor, meidet so den obligatorischen Aufschrei in der Öffentlichkeit. Er weiß genau: Um eine Megafusion wie jene von PSA mit Fiat Chrysler durchzuziehen, braucht er zunächst die Unterstützung von Arbeitnehmern und Politik. Und das Versprechen, alle Fabriken zu erhalten, könnte Tavares mit ein wenig Raffinesse durchaus erfüllen, glaubt Branchenkenner Dudenhöffer: „Er könnte beispielsweise Werke verkaufen oder Teilbereiche auslagern.“ Eine Fabrik zu veräußern sei schließlich etwas völlig anderes, als sie zu schließen.