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So will Gesundheitsminister Spahn die überfüllten Notaufnahmen entlasten

Spahn ist ein Aktivposten der Regierung: Er hat bisher 16 Gesetze ins Kabinett gebracht und treibt Projekte auch in der Sommerpause voran. Das nächste: die Notfallversorgung.

Für die Neuordnung der Notfallversorgung braucht der Bundesgesundheitsminister eine Grundgesetzänderung. Foto: dpa
Für die Neuordnung der Notfallversorgung braucht der Bundesgesundheitsminister eine Grundgesetzänderung. Foto: dpa

Das Lob kommt von ganz oben: Bei ihrer Sommerpressekonferenz hat sich Bundeskanzlerin Angela Merkel äußerst angetan gezeigt von der Arbeit ihres Gesundheitsministers Jens Spahn (CDU). „Er schafft eine Menge weg“, lobte die CDU-Politikerin ihren Parteifreund.

Nun standen die Kanzlerin und der ehrgeizige Münsterländer in der Vergangenheit nicht im besten Verhältnis zueinander. Stichwort: Flüchtlingspolitik. Außerdem mag sich Spahn Hoffnungen gemacht haben, im Verteidigungsministerium der an die Spitze der EU-Kommission wechselnden Ursula von der Leyen nachzufolgen.

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Doch die Anerkennung, die Merkel dem Pensum des Gesundheitsministers zollt, dürfte nicht gespielt sein. Spahn ist ein Aktivposten der Regierung, bislang brachte er 16 Gesetze ins Kabinett. Und während einige Kabinettsmitglieder im Sommerloch verschwunden scheinen, legt er ein weiteres Gesetzesvorhaben vor.

In Spahns jüngstem Projekt geht es um die Reform der Notfallversorgung, die er vergangenen Dezember bereits in einem Eckpunktepapier skizziert hatte. Der Minister will ein seit Jahren zunehmendes Problem lösen: Immer mehr Patienten in Deutschland wählen als ersten Anlaufpunkt die Notaufnahme im Krankenhaus – auch wenn sie eher harmlose Beschwerden plagen.

„Derzeit sind die Notaufnahmen der Krankenhäuser zu häufig überlaufen, weil unter den Patienten auch solche sind, denen andernorts besser geholfen werden könnte“, sagte Spahn den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Dadurch seien die Wartezeiten für Patienten, die dringend auf die Hilfe in der Notfallambulanz angewiesen seien, „oft zu lang“.

Eine gemeinsame Leitstelle für alle Notrufnummern

Rund 20 Millionen Menschen in Deutschland nehmen jedes Jahr eine Notfallbehandlung in Anspruch. Mit der Reform sollen sie künftig je nach Dringlichkeit auf den passenden Behandlungspfad geleitet werden.

Der Arbeitsentwurf des Gesetzes liegt dem Handelsblatt vor. Er sieht gemeinsame Leitstellen vor, die über die Notrufnummer 112 und die Hotline 116 117 der ärztlichen Bereitschaftsdienste erreicht werden können.

Geschultes Personal soll dort telefonisch eine Ersteinschätzung vornehmen und die Patienten an die richtige Stelle vermitteln. Die Idee: Notfälle kommen ins Krankenhaus, bei Rückenschmerzen wird ein Arzttermin zu einem späteren Zeitpunkt angeboten.

Spahn plant außerdem zentrale Anlaufstellen in den Kliniken, die gemeinsam von den Krankenhäusern und den Kassenärztlichen Vereinigungen betrieben werden sollen. Je nach der Schwere ihrer Leiden werden die Patienten dort dann ambulant untersucht oder einer stationären Behandlung zugewiesen. Auf die Schaffung dieser „Integrierten Notfallzentren“ hatten sich Union und SPD im Koalitionsvertrag verständigt.

Schließlich will der Minister die Einsätze des Rettungsdienstes anders finanzieren. Bislang übernimmt die Krankenversicherung den Transport mit dem Rettungswagen nur, wenn der Patient auch in ein Krankenhaus gebracht wird. Künftig soll der Rettungsdienst als eigene medizinische Leistung vergütet werden, um unnötige Einlieferungen zu vermeiden.

Die Verzahnung in der Notfallversorgung werde „zu mehr Klarheit für Patientinnen und Patienten, zur Verkürzung von Wartezeiten, zu einem sinnvollen und effizienten Einsatz personeller und finanzieller Ressourcen und damit zu einer Verbesserung der Gesamtqualität der medizinischen Notfallversorgung führen“, heißt es in Spahns Entwurf.

Grundgesetzänderung nötig

Die gemeinsamen Notrufleitstellen und die Änderungen bei den Rettungsdiensten erfordern allerdings eine Grundgesetzänderung, damit der Bund die nötige Gesetzgebungskompetenz bekommt. Spahn sucht daher das Gespräch mit den Bundesländern. Vergangene Woche verschickte sein Ministerium den Arbeitsentwurf des Gesetzes an die Länder, Mitte August sind Fachvertreter der Landesregierungen zu einer Besprechung im Gesundheitsministerium eingeladen.

Die FDP begrüßte Spahns Pläne. "Der Vorschlag zur Reform der Notfallversorgung geht für uns in die richtige Richtung“, sagte die gesundheitspolitische Sprecherin der FDP, Christine Aschenberg-Dugnus, dem Handelsblatt. „Die Notaufnahmen sind am Rande ihrer Kapazitäten, weil die Ärzte zu viele Bagatell-Fälle behandeln müssen.“ Ein eingewachsener Zehennagel könne äußerst schmerzhaft sein, sei aber definitiv kein Fall für die Notaufnahme. „Unsere Ärzte benötigen Zeit für echte Notfälle“, sagte Aschenberg-Dugnus.

Auch Bundesärztekammerpräsident Klaus Reinhardt äußerte sich positiv. „Mit dem Diskussionsentwurf werden endlich konkrete Schritte zu der längst überfälligen Reform der Notfallversorgung aufgezeigt“, erklärte er.

Ein Gutachten des Sachverständigenrats Gesundheit aus dem vergangenen Jahr verdeutlicht den zunehmenden Drang in die Notaufnahmen. So wurden im Jahr 2015 mehr als die Hälfte der Notfälle (53 Prozent) im Krankenhaus behandelt, auf den ärztlichen Bereitschaftsdienst entfielen 47 Prozent. Fünf Jahre zuvor war das Verhältnis noch umgekehrt.

Die wissenschaftlichen Berater ermahnen die Bundesregierung seit Jahren, die Gesundheitsversorgung neu zu organisieren. „Vor allem Kliniken und Praxen, zwischen denen eine unsichtbare, aber sehr folgenreiche Mauer verläuft, arbeiten in Deutschland eher nebeneinander“, heißt es in dem Gutachten. Es gebe eine „offenbar unzureichende Steuerung“ von hilfesuchenden Patienten.

Viele Patienten wissen über ambulante Angebote des ärztlichen Bereitschaftsdienstes nicht Bescheid. Außerdem decken sich die Beschwerden in der Selbstwahrnehmung der Patienten oft nicht mit der tatsächlichen medizinischen Dringlichkeit. Untersuchungen zeigen, dass rund 30 Prozent der Patienten, die in der Notaufnahme versorgt werden, aus ärztlicher Sicht auch bei einer ambulanten Behandlung gut aufgehoben wären.